Bier, Flöße, Barock und Gotik – Spaziergang durch Budweis

In vier Jahren wird České Budějovice / Budweis eine der drei Kulturhauptstädte Europas sein. Das wurde vergangenes Jahr beschlossen. Zeit also für einen Vorabbesuch in der kleinen Metropole in Südböhmen. Wir haben uns die Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern zeigen lassen – und zwar von Fremdenführer Martin Polák, der Gäste auf Deutsch begleitet. Martin Polák hat auch viele persönliche Geschichten parat, um seine Heimatstadt den Besuchern näherzubringen.

Adalbert-Lanna-Denkmal | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Der Rundgang startet mit dem Weg vom Bahnhof ins Stadtzentrum. Martin Polák sagt, das sei ein eher ungewöhnlicher Beginn. Aber ich bin eben nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug angekommen. Über die Lannova třída, also die Lanna-Straße, kann man in zehn Minuten in das Herz von Budweis spazieren: auf den quadratischen Marktplatz.

Vorbei geht es am Lanna-Denkmal von 1879, das eine bewegte Geschichte hat. Denn wegen seiner deutschen Inschriften wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut. Erst 1993 wurde das Denkmal restauriert und wieder an seinem ursprünglichen Ort gebracht. Doch wer war eigentlich dieser Adalbert Lanna? Martin Polák:

„Er wurde 1805 geboren und war ein sehr umtriebiger Industrieller. Seine Ahnen stammten vom Traunsee und waren in der Flößerei tätig. Sie kamen im kaiserlichen Auftrag nach Budweis. Allerdings begriff Lanna, dass die Zukunft bedeutete, den Flößereibetrieb mit der Beförderung per Bahn zu verbinden. Budweis wurde ihm dann zu klein, und er expandierte nach Prag. So wurde er Mitgründer des Hüttenwerks in Kladno.“

Adalbert Lanna war also Großindustrieller. Sein Sohn setzte zwar das Werk des Vaters fort, doch der Erste Weltkrieg beendete diese Dynastie…

Alte Stadtmauer von Budweis | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Marktplatz als Herz der Stadt

Schwarzer Turm | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Wer über die Lannova třída ins Stadtzentrum spaziert, kommt unweigerlich auch am Schwarzen Turm und der Nikolaus-Kathedrale vorbei.

„Der Schwarze Turm ist älter als die heutige Kathedrale, weil die ursprüngliche Kirche zu Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört wurde. Stünde hier immer noch dieses alte Gotteshaus, wäre es ein Juwel der Stadt. Der Schwarze Turm wurde zugleich als Glocken- und als Wachturm errichtet. 1553, noch in der Spätgotik, wurde mit dem Bau begonnen, doch erst 25 Jahre später war er fertig – und zwar im Stil der Renaissance“, schildert der Stadtführer.

Man kann auch auf den Turm steigen. Von dort bietet sich ein guter Blick über die Stadt und auf die Höhen des Böhmerwaldes.

Foto: Juan Pablo Bertazza,  Radio Prague International

Ein paar Schritte weiter öffnet sich der Marktplatz. Mit etwa einem Hektar Fläche ist er einer der größten in Europa. Er trägt den Namen von König Přemysl Otakar II., der Budweis Mitte des 13. Jahrhunderts gründete. Im Übrigen gibt es keine Gründungurkunde für die Stadt. Deswegen gilt jene für das Dominikanerkloster aus dem Jahr 1265 als Nachweis für die Ersterwähnung. In jedem Fall hatte der Marktplatz immer auch eine gesellschaftliche Funktion für die Stadt…

„Von den Erzählungen meiner Eltern und aus Büchern weiß ich, dass sich hier jeden Nachmittag die Budweiser Bevölkerung traf. Hier auf der Ostseite spazierten die Deutschen und auch die Offiziere der hiesigen Garnison. Die Südseite nahmen die Tschechen für sich in Anspruch. Gegenüber war das Rathaus-Corso und auf der Nordseite das sogenannte Gesindel-Corso. Ab dem Zweiten Weltkrieg hörte dies aber auf.“

Martin Polák | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Der Platz ist gesäumt von historischen Gebäuden, die größtenteils restauriert sind und pastellfarben strahlen.

„Das Wertvollste in Budweis ist, dass das Straßennetz und der Marktplatz in dem Maßstab erhalten geblieben sind, wie sie im 13. Jahrhundert angelegt wurden. Und der Platz ist breit genug für den Verkehr – damals wie heute. Er ist seit jeher von Laubengängen umgeben, durch die man spazieren kann. Auch die Hauseigentümer respektieren dies. Das ist vor allem im Sommer bei hohen Temperaturen angenehm und bei Regen oder Schnee“, so Martin Polák.

Allerdings ist der Markplatz für den Autoverkehr freigegeben und teils zugeparkt. Gibt es keine Initiative, um hier etwa eine Fußgängerzone entstehen zu lassen?

„Darüber besteht ein langer Streit. Als ich 1990 die ersten Touristen durch Budweis führte, sagten die Besucher aus Deutschland und Österreich, es sei schön, dass hier keine Autos parken dürfen und dass dies beibehalten werden solle. Aber die nächste Bürgermeisterriege im Rathaus wollte ihre Wagen irgendwo abstellen, und so wurde dies erlaubt – zunächst nur vor dem Rathaus und später rund um den ganzen Platz.“

Marktplatz | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Das Rathaus selbst ist einen Blick wert. Das imposante Gebäude stammt aus dem Barock. Es wurde 1727 bis 1730 errichtet, nachdem der Vorläufer durch Brände stark beschädigt worden war. In der Halle, von der man auch in die Kanzlei des Oberbürgermeisters kommt, stehen vier Originalstatuen, die einst die Fassade des Rathauses schmückten. Sie symbolisieren Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weisheit und Mäßigung.

Marktplatz mit Rathaus | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Neben dem Eingang zum Trauungssaal hängt ein großer und wertvoller Wandteppich, der Budweis und Umgebung abbildet. Das Werk hat Cyril Bouda in den 1950er Jahren geschaffen. Doch der größte Schatz versteckt sich im Saal selbst – dafür muss man den Kopf tief in den Nacken legen:

„Das ist das Standesamt, war aber früher der Gerichtssaal. Deshalb befindet sich in der Kuppel ein Deckenfresko zum Urteil des Salomo mit der bekannten Darstellung, wie er entscheidet, wer die echte Mutter des Kindes ist“, erläutert Reiseführer Polák.

Von Wasser umgeben

Am Zusammenfluss von Maltsch und Moldau | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Das Zentrum von Budweis ist im Übrigen auf drei Seiten von Wasser umrahmt. Im Südwesten fließt die Malše / Maltsch in die Moldau. Dieser Rand der Innenstadt ist aus Gründen des Hochwasserschutzes nicht bebaut. Früher standen hier die Werften des Industriellen Lanna, heute kann man zum Beispiel gemütlich in der Sonne sitzen.

Wasser ist aber auch ein gutes Stichwort für eines der wichtigsten Produkte der Stadt: das Bier. Es gibt die ältere Samson-Brauerei und die Nationalbrauerei Budějovický Budvar.

„Budweis hatte einen guten Namen für Bier. Die kleineren Brauereien vereinigten sich 1795 zu einem großen Brauhaus. Später, als die Zugehörigkeit zur Sprache eine Bedeutung bekam, begann man, dieses ältere Brauhaus als deutsches Bürgerbrauhaus zu bezeichnen. Denn die neue Brauerei wurde bereits als tschechische Aktiengesellschaft gegründet.“

Bierbrauerei Budějovický Budvar | Foto: Archiv der Bierbrauerei Budějovický Budvar

Im Übrigen wandelte sich mit der Industrialisierung die Zusammensetzung der örtlichen Bevölkerung. Die Betriebe brauchten Arbeitskräfte, und so zogen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr Tschechen nach Budweis. Ihre Zahl wuchs an, während die der deutschsprachigen Bewohner stagnierte. Anfang des 20. Jahrhunderts kippte die Mehrheit dann auf die Seite der tschechischsprachigen Einwohner, aber erst nach der Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 übernahm mit August Zátka ein Bürgermeister aus ihren Reihen die Führung der Stadt.

Am Südwestrand des Zentrums kann man aber auch eintauchen in die älteste Geschichte der Stadt. Martin Polák ist nämlich Mitgründer des Spolek měst Otakarových, des Vereins der Städte, die vom böhmischen König Přemysl Otakar II. gegründet wurden. Und dieser Verein hat im früheren Wehrturm ein kleines Geschichtsmuseum eingerichtet, das sich nach Voranmeldung anschauen lässt. Zu sehen ist dort unter anderem eine Eiserne Jungfrau – allerdings als Nachbildung.

Brücke über die Maltsch | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Gotische Fresken

Klosterkirche Mariä Opferung | Foto: Anton Kajmakov,  Radio Prague International

Vom Zusammenfluss von Malše und Moldau geht es zum Nordwestende des Zentrums auf den Piaristenplatz. Dort steht das älteste noch erhaltene Gebäude von Budweis: die Klosterkirche Mariä Opferung (Kostel Obětování Panny Marie) mit einem Kreuzgang aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Obwohl die Kirche erst wieder ab Mai für den Publikumsverkehr zugänglich ist, kommen wir hinein. Mein Begleiter erzählt:

„Der Kreuzgang ist schön restauriert und für alle geöffnet worden. Bei den Arbeiten in den 1990er Jahren wurden Fresken freigelegt. Das war eine große Überraschung, aber auch eine Freude, weil es die Klosterkirche enorm aufgewertet hat. Die Wandbemalung aus der Zeit der letzten Kongregation, aus der Zeit der Redemptoristen, war mehr im Jugendstil gehalten, also romantisch. Und dann fand man unter dem Putz verschiedene, wenn auch teils beschädigte Fresken, die aus dem 15. und dem 16. Jahrhundert stammen.“

Unter anderem wurde eine Darstellung des St. Christoph freigelegt, die zehn Meter hoch ist und bis unter die Decke der Kirche reicht.

Touristen-Informationszentrum (TIZ) České Budějovice

náměstí Přemysla Otakara II. 1/1

370 92 České Budějovice – Tschechische Republik

Tel.: +420 386 801 413, E-Mail: [email protected]

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Autor: Till Janzer
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