Der Brand von 1707 und die Spuren des Barock in Sušice

Foto: Martina Schneibergová

Neun Wochen lang stand im Sommer Westböhmen im Zeichen des Barock. Das Festival bot Konzerte, Theatervorstellungen und vor allem auch Führungen in mehr als 60 Orten des Kreises Plzeň / Pilsen. Seinen Höhepunkt erreichten die Festspiele in der Stadt Sušice / Schüttenhofen. Welche Baudenkmäler aus dem Barock sind in der Böhmerwaldstadt zu besichtigen?

Häuser auf dem Marktplatz in Sušice  (Foto: Nissan0,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Sušice liegt im Tal des Flusses Otava in Südwestböhmen. Der tschechische Name der einstigen Königsstadt wurde vermutlich vom Verb „sušit“ abgeleitet – auf Deutsch trocknen. Gemeint wurde damit das Trocknen des Goldsandes, denn vor Jahrhunderten wurde in der Otava Gold gewaschen. Heute hat Sušice rund 11.500 Einwohner, die Innenstadt und die Untere Vorstadt liegen am linken Flussufer, die Obere Vorstadt am rechten Ufer. Die Führung auf den Spuren des Barock beginnt auf dem Marktplatz. In der Stadt gab es bis Anfang des 18. Jahrhunderts eher Renaissancegebäude. Jan Lhoták ist Historiker im Stadtmuseum.



Jungfrau Maria von Passau  (Foto: Jiří Novák,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Ein großer Brand, der am 20. Juli 1707 in Sušice ausbrach, veränderte stark das Antlitz der Stadt. Er schuf die Bedingungen für die Durchsetzung eines neuen Baustils in Sušice. Die Bürger hatten zuvor jedoch jahrelang zu tun gehabt, um die durch den Dreißigjährigen Krieg verursachten Schäden zu beheben. Der Wiederaufbau der Stadt nach dem Brand war zudem nicht billig. Deswegen blieb den Bewohnern nicht viel Geld, um die Hausfassaden im Barockstil künstlerisch zu gestalten. Die Häuser wurden renoviert, aber sehr utilitaristisch. Auch wenn die Mehrheit der Häuser auf dem Marktplatz in der Zeit gründlich umgebaut wurde, muss man die Barockelemente genau suchen.“

Aus der Barockzeit stammen zum Beispiel Bilder, die an der Fassade von zwei Häusern auf dem Marktplatz gemalt wurden. Auf einem ist die Jungfrau Maria von Passau abgebildet, auf dem Haus gegenüber der heilige Johannes Nepomuk. Aus dem Barock stammt auch das Rathaus.

Rathaus  (Foto: Martina Schneibergová)
„Dem Brand fielen 1707 nicht nur das ursprüngliche Renaissance-Rathaus, sondern auch die Häuser an seiner Nordseite zum Opfer. Die Stadtväter beschlossen damals, diese fast abgebrannten Häuser zu kaufen und das Rathaus zu erweitern. Auf diese Weise ist das damals größte Rathaus in Böhmen entstanden. Erst im 19. Jahrhundert wurden in den großen Städten noch geräumigere Rathäuser erbaut. Im 18. Jahrhundert diente aber nicht das ganze Gebäude als Rathaus. Im nördliche Teil wurde damals Salz gelagert.“

Sušice war im 16. Jahrhundert reich geworden, und zwar dank des Salzimports aus Bayern und dem Malzexport nach Bayern. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde auf importiertes Salz jedoch ein hoher Zoll erhoben. Darum wurde das Salz aus den kaiserlichen Lagern in České Budějovice / Budweis geholt, in Sušice wurde es gelagert und von hier aus an einzelne Interessenten weiterverkauft. Die Salzlagerstätte wurde bis in die 1830er Jahre genutzt. Danach beschlossen die Ratsherren, dort Büroräume entstehen zu lassen.

Auf einem Haus ist der heilige Johannes Nepomuk abgebildet  (Foto: Martina Schneibergová)
„Wenn man sich das Rathaus heute anschaut, dann bemerkt man, dass es nicht an Barockarchitektur erinnert. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude nämlich im Pseudorenaissancestil umgebaut. Seitdem hat das Haus eine einheitliche Fassade.“

Auch die Interieurs der Häuser auf dem Marktplatz weisen keine Barockmerkmale auf. Im besten Fall lassen sich dort noch gotische Fundamente sowie eine gotische Gliederung der Räume erkennen. Aus der Barockzeit sind jedoch Malereien an den Fassaden erhalten. Fromme Bürger ließen oft ihre Häuser mit einem Heiligenbild verzieren. Jan Lhoták:

„Leider wissen wir nicht, wer diese Bilder gemalt hat. Das Eckhaus mit dem Marienbild an der Fassade ist eines der wenigen Häuser, von dem wir wissen, dass sich an dem Bau der damals namhafte italienische Architekt de Maggi beteiligt hat. Das Marienbild ist aber nicht das einzige Heiligenbild an den Hausfassaden gewesen. Aber im 19. und 20. Jahrhundert setzte sich die Meinung durch, dass es nicht notwendig sei, diese religiösen Symbole zu bewahren. Wir wissen, dass es bis zu zehn derartige Heiligenbilder an den Hausfassaden gegeben hat. Nur zwei davon sind erhalten geblieben: neben dem Marienbild noch ein Johannes-Nepomuk-Gemälde, auf dem der Heilige einem Bettler Almosen gibt.“

Kreuz vor der Renaissance-Apotheke  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Kreuz, das vor der Renaissance-Apotheke steht, erinnert an die katholischen Missionen in der Barockzeit.

„Diese Missionen wurden in der Zeit nach der Schlacht am Weißen Berg veranstaltet. Sie sollten das religiöse Leben auf dem Lande und in den kleineren Städten unterstützen. Zum Andenken an die Missionen wurden große Kreuze an bestimmten Orten aufgestellt.“

Vom Marktplatz geht es durch eine schmale Gasse zur Sankt-Wenzel-Kirche. Früher meinte man, dass die ursprüngliche romanische Kapelle dort stand, wo sich heute die Sakristei befindet. Die Archäologen haben vergangenes Jahr jedoch festgestellt, dass niemand bei dieser Kirche bestattet wurde. Es handelte sich also nicht um eine Pfarrkirche. Jan Lhoták:

„Wir wissen aber, dass es in Sušice schon 1233 eine Pfarrkirche gab. Die ältere Kirche befand sich also auf dem rechten Flussufer. Wie die Wenzel-Kirche entstand und wann sie zur Pfarrkirche geworden ist, ist nicht bekannt. Die ersten Informationen über diese Pfarrkirche stammen aus der Barockzeit. 1651 wurden die Glocken für die Kirche gegossen. Damals lebte in Sušice ein französischer Glöckner, der auch diese Glocken herstellte. Geweiht wurden sie vom Prager Weihbischof Jan Ignác Dlouhoveský.“

Wenzelskirche  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Wenzelskirche hatte ursprünglich zwei Türme. Beim Brand im Jahre 1707 wurde auch dieser Sakralbau stark beschädigt, einer der Türme stürzte ein und durchbrach das Kirchengewölbe, dieser Turm wurde nicht wieder aufgebaut. In den 1770er Jahren wurde ein neuer Barockturm anstelle des Glockenturms errichtet. Geschaffen wurde er vom hiesigen Maurer Josef Mirvald. Die Kirche wurde nach dem Brand im Barockstil neu gestaltet. Später wurde sie noch einige Male umgebaut – im 19. Jahrhundert im pseudogotischen Stil. Wenn man sich die Kirche von der westlichen Seite anschaut, sind eher die neogotischen Elemente als alles andere zu sehen.

Von St. Wenzel geht es über die Brücke zum Kapuzinerkloster. Am rechten Flussufer der Otava gibt es gleich zwei größere Kirchen. St. Felix gehört zum Kapuzinerstift und wurde in der Barockzeit erbaut. Die Friedhofskirche der Jungfrau Maria ist wesentlich älter als die Kapuziner-Kirche, sie stammt aus dem 14. Jahrhundert. Momentan werden vor der Kirche archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Der bekannteste Sakralbau aus der Barockzeit ist die Kapelle auf dem Schutzengelberg, die „Andělíček“ genannt wird. Diese haben wir Ihnen in einer früheren Ausgabe unserer Sendung bereits vorgestellt.

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