Große Leistungen als Dienst am Volk – Wolfgang Schwarz zu „Bedeutende Tschechen“

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Sie waren Historiker, Automobilhersteller, Maler, Schriftsteller, Sänger oder Komponisten. Doch zwei Dinge haben sie gemeinsam: Sie alle waren tschechischsprachig und lebten in der Habsburgermonarchie. In ihrer Heimat sind sie Nationalhelden, im Nachbarland Deutschland dagegen teilweise kaum bekannt. In seinem Buch „Bedeutende Tschechen“ stellt Wolfgang Schwarz vom Adalbert-Stifter-Verein 15 in ihrer Heimat berühmte Persönlichkeiten vor und charakterisiert ihr Verhältnis zu Monarchie, Nation und deutscher Sprache.

Wolfgang Schwarz  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Herr Schwarz, vor acht Jahren haben Sie bereits in einem Band zehn deutschsprachige Persönlichkeiten aus Böhmen und Mähren vorgestellt. Ist das neue Buch „Bedeutenden Tschechen“ gewissermaßen als Fortsetzung zu verstehen?

„In Böhmen und Mähren geboren“ beinhaltet Persönlichkeiten, die dem deutschsprachigen Kultur- und Sprachkreis entstammen, wie etwa Rainer Maria Rilke oder Marie von Ebner-Eschenbach. Es sind Schriftsteller, aber eben auch Künstler, Musiker und vieles mehr. Bei den „Bedeutenden Tschechen“ geht es um Persönlichkeiten, die eindeutig der tschechischen Sprache zuzuordnen sind, wie etwa die bekannten Komponisten Antonín Dvořák und Leoš Janáček. Oder auch Karel Čapek, Jaroslav Hašek, Božena Němcová und Karel Hynek Mácha, die in Tschechen als wichtige Schriftsteller gelten.“

Zentraler Aspekt ist die Beziehung, die diese Persönlichkeiten zum deutschen Kultur- und Sprachraum hatten. Ist die Auseinandersetzung der verschiedenen Persönlichkeiten mit der deutschen Sprache vergleichbar?

„Sie alle sind in der Habsburger Monarchie aufgewachsen, der Bezug zur deutschen Sprache war also mehr oder weniger unvermeidlich. Bedřich Smetana hat in jungen Jahren sein Tagebuch noch auf Deutsch verfasst und ist erst später ins Tschechische gewechselt. Ähnlich war es bei Leoš Janáček, der zwar fließend Deutsch sprach, später aber eine sehr starke Abneigung gegen die Sprache entwickelte. Antonín Dvořák dagegen hat immer betont, er habe nicht besonders gut Deutsch gesprochen. Das Spektrum geht also von einer gewissen Abneigung bis hin zu einer neutralen bis positiven Haltung.“

Alfons Mucha  (Foto: George R. Lawrence,  Wikimedia Commons Free Domain)
Wie war Ihr Eindruck: Welche dieser Persönlichkeiten sind im deutschen Sprachraum bekannt?

„Am bekanntesten sind sicher die Komponisten Antonín Dvořák, Leoš Janáček und natürlich Bedřich Smetana. Vielleicht auch noch der Maler Alfons Mucha, der dann vor allem in Paris erfolgreich war. Dagegen sind Historiker wie František Palacký oder Schriftsteller wie Božena Němcová in Deutschland nur bedingt bis gar nicht bekannt. Das gilt auch für die Sängerin Ema Destinnová, die in Berlin als Emmy Destinn sehr erfolgreich war. Mir war es einfach ein Anliegen, diese Persönlichkeiten einem deutschsprachigen Publikum näherzubringen. Mithilfe ihrer Biografien will ich Verständnis dafür wecken, mit welchen Hindernissen sich die tschechische Nationalbewegung auseinandersetzen musste.“



František Křižík
Glauben Sie, dass die Unterdrückung der tschechischen Sprache in der Habsburger Monarchie das Nationalbewusstsein gestärkt hat?

„Ganz sicher hat sich vor allem in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Nationalbewusstsein weiter herausgebildet, auch teilweise als eine Reaktion auf ein verschärftes Vorgehen des Habsburger Staates. Dieses Nationalbewusstsein hat auf den unterschiedlichen Feldern, wie Musik, Literatur, Kunst, Kultur, aber eben auch Technik wie im Fall von František Křížík – Größen hervorgebracht, die ihre Errungenschaften und Leistungen ganz dezidiert auch als Dienst an ihrem eigenen Volk gesehen haben, ohne dadurch gleich zu Nationalisten zu werden. Diese Persönlichkeiten sind für die Entwicklung des tschechischen Nationalbewusstseins von großer Bedeutung.“

Und sind diese Persönlichkeiten in Tschechien bekannt – oder auch nicht alle?

„Die 15 ausgewählten Persönlichkeiten von Tomáš Baťa über Josef Jungmann bis hin zu Bedřich Smetana sind in Tschechien sicherlich alle bekannt. Da sich das Buch also zunächst vor allem an das deutschsprachige Publikum richtet, wird der Text nur in deutscher Sprache erscheinen und nicht zweisprachig. Es ist aber auch eine Ausstellung zu dem Buch geplant, ähnlich wie bei dem Vorgängerbuch „In Böhmen und Mähren geboren“. Und ich bin noch etwas unschlüssig, ob es nötig ist, diese Ausstellung wie die Vorgänger-Ausstellung deutsch-tschechisch zu konzipieren. Auf der einen Seite ist es natürlich etwas seltsam, den Tschechen „aus dem Ausland heraus“ ihre nationalen Berühmtheiten zu präsentieren. Auf der anderen Seite bin aber schon der Überzeugung, dass viele Fakten in diesem Buch über die Persönlichkeiten auch der tschechischen Öffentlichkeit weniger präsent sind.“

Božena Němcová
Was zum Beispiel hat Sie denn überrascht?

„Mich hat zum Beispiel überrascht, dass Božena Němcová in jungen Jahren noch eine unglaublich positive Beziehung zur deutschen Sprache hatte, die erst im Laufe der Jahre in eine Abneigung umschlug. Das geschah einerseits durch persönliche Erfahrung und andererseits durch ihre Kontakte zu tschechischen nationalbewussten Intellektuellen, bis hin zu ihrem bekannten Ehemann Josef Němec, der in der Patriotenbewegung aktiv war. Das hat mich überrascht. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass diese Menschen in der Habsburger Monarchie an der deutschen Sprache auch nicht vorbeigekommen sind. Wie gesagt, es geht nicht darum, sie in irgendeiner Form zu Deutschen machen zu wollen. Aber ich will doch zeigen, dass ihre Sprache und der sie umgebende Kulturraum natürlich auch mit von Deutschen geprägt waren.“


Das Buch von Wolfgang Schwarz, „Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat. 1800–1945“ ist vom Adalbert-Stifter-Verein herausgegeben worden.