Machtkampf im Supermarkt: Händler gegen Gesetz zur marktbeherrschenden Stellung
Mehr tschechische Lebensmittel in den Supermärkten des Landes. Das ist eines der Ziele von Landwirtschaftsminister Marian Jurečka. Doch die Erzeuger beschweren sich, dass sie von den großen Einzelhandelsketten schikaniert werden. Dabei besteht eigentlich bereits seit fünf Jahren ein Gesetz, um unlautere Methoden der Händler zu bestrafen. Weil es wohl aber nicht wirkt, soll es nun verschärft werden. Doch die Einzelhandelsketten drohen, dass sie dann im Ausland einkaufen könnten.
„Ich bin überzeugt davon, dass die Novelle, so wie wir sie heute verabschiedet haben, den Gegenstand des Gesetzes genauer definiert. Das Gesetz wird damit unsere Landwirte und Lebensmittelproduzenten besser vor den Versuchen der großen Einzelhandelsketten schützen, ihre marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen.“
Am Donnerstag vergangener Woche sprach jedoch der Verband für Handel und Tourismus beim Premier vor. Es war wohl ein letzter Versuch, den Regierungschef umzustimmen. Dem Verband sind die größten Einzelhandelsketten auf dem tschechischen Markt angeschlossen wie Kaufland, Lidl, Penny Markt, Makro, Ahold und Tesco. Damit vertritt der Verband Firmen mit insgesamt einer halben Millionen Mitarbeitern und gilt als die zweitstärkste wirtschaftliche Interessensvertretung hierzulande. Pavel Mikoška ist stellvertretender Verbandspräsident:„Alle Händler haben sehr deutlich die Forderung erhört, dass möglichst viele tschechische Lebensmittel in die Regale kommen sollen. Mittlerweile sind dort zwischen 50 und 80 Prozent der Produkte aus dem Inland. Falls die Gesetzesnovelle in Kraft tritt, werden einige Händler versuchen, ihre Waren im Ausland einzukaufen, wo diese strenge und überzogene Regelung nicht gilt.“
Zudem könnten letztlich die Verbraucher die Zeche zahlen. Durch das Gesetz drohten die Preise in den Supermarktketten zu steigen, so Mikoška.Seit 2010 nur zwei Händler bestraft
Bereits seit fünf Jahren werden die Erzeuger hierzulande gegen die Macht der Supermarktketten geschützt. Damals wurden insgesamt 80 unlautere Praktiken als verboten definiert. Viel zu unübersichtlich, sagte das Kartellamt. Die Wettbewerbshüter haben deswegen auf eine Novelle gedrängt. Tatsächlich hat das Kartellamt aufgrund des bestehenden Gesetzes seit 2010 nur zweimal Strafen ausgesprochen: Globus musste 7 Millionen Kronen (260.000 Euro) zahlen und Kaufland 22 Millionen (815.000 Euro). In beiden Fällen hatten die Supermarktketten die Frist von 30 Tagen überzogen, in denen sie Rechnungen der Erzeuger bezahlen müssen.
In der Novelle wird nun der Missbrauch der Marktmacht einfacher definiert. Zugleich sollen die Strafen steigen, und zwar auf bis zehn Prozent des Nettoumsatzes im Jahr.Unverändert bleibt, dass dem Gesetz nur Handelsgesellschaften unterliegen, deren Umsatz beim Verkauf von Lebensmitteln in Tschechien bei fünf Milliarden Kronen (185 Millionen Euro) im Jahr liegt. Und nur die Händler können für den Missbrauch der Marktmacht sanktioniert werden. Dabei sagt die Präsidentin des Verbandes für Handel und Tourismus, Marta Nováková:
„In der derzeitigen Fassung des Gesetzes sind unsere Einwände nicht aufgenommen worden. Das heißt, dort steht beispielsweise nicht, dass auch eine ganze Reihe der Erzeuger eine marktbeherrschende Stellung hat.“Der Verband nennt unter anderem die Bierbrauerei Prazdroj und den Agrarkonzern Agrofert von Finanzminister Andrej Babiš.
Versteckte Gebühren
Die Vorwürfe der Erzeuger an die Supermarktketten sind indes sehr konkret. Josef Sklenář betreibt in der Nähe von Jihlava / Iglau eine Farm für Biofleisch:
„Eine große Unsitte sind zum einen die vielen Gebühren, die von uns Erzeugern verlangt werden. Zum anderen haben die Handelsketten viele eigene Marken eingeführt. Die Lebensmittelproduzenten sind dann hinter diesen Marken versteckt.“Zusätzliche Gebühren sollten eigentlich schon mit dem Gesetz von 2010 bekämpft werden. Doch es gibt sie weiterhin. Nur heißen sie nicht mehr wie früher „listovné“ und „regálovné“, sondern zum Beispiel Marketingbeitrag. Eine der Praktiken ist, den Erzeugern auch einen Teil der Werbekosten aufzubürden.
„Eine Ware auf der ersten Seite des Werbeflyers einer Supermarktkette bewerben zu lassen, kostet eine halbe Million Kronen für 14 Tage. Für die weiteren Seiten werden jeweils 240.000 Kronen verlangt“, so der Marketingexperte Milan Postler.Eine halbe Million Kronen entsprechen 18.500 Euro. Gebühren fallen aber auch an, wenn eine Ware im Regal des Supermarkts verkaufsträchtig ausgelegt werden soll. Das bedeutet, dass sie sich in einer Höhe von 95 Zentimetern bis 1,55 Meter befindet – dann muss sich der Kunde weder bücken noch strecken, wenn er nach dem Produkt greift.
Dass solche Gebühren weiter bestehen, geben die Händler auch unumwunden zu. Verbandsvize Mikoška:
„Die Gebühren für die Aufnahme von Produkten in das Angebot des Händlers und für die Positionierung der Waren sind deswegen entstanden, weil es einfach mehr Waren gibt, als der Händler in seinen Regalen unterbringen kann. Auf irgendeine Weise müssen dann diejenigen Erzeuger einen Vorteil erhalten, die ihre Produkte unter allen Umständen im Laden haben wollen. Es passen ja nicht alle rein, es muss also ein System geben.“
Zusätzliche Lebensmitteltests auf Kosten der Erzeuger
Doch wenn ein Händler die Gebühren ablehnt, kann ihn dies teuer zu stehen kommen. Dann droht die Gefahr, dass er im nächsten Jahr von der Liste der Zulieferer gestrichen wird.Regelmäßig in die Tasche greifen müssen die Erzeuger auch, wenn die Händler deren Produkte überprüfen lassen. Das irritiert Landwirtschaftsminister Marian Jurečka, der vehement für die Gesetzesnovelle eintritt.
„Ich verstehe nicht, warum eine Handelskette eigene Lebensmittelkontrollen in Auftrag gibt. Aber auch wenn ich das verstehen würde, leuchtet mir nicht ein, warum der Erzeuger selbst jeden dieser Besuche der Lebensmittelkontrolleure bezahlen muss. Der Erzeuger kann dabei weder die Häufigkeit der Kontrollen beeinflussen noch deren Preis. Wir als Staat garantieren doch mit unseren Aufsichtsorganen schon die Qualität der Lebensmittel, die Inspekteure gehen sowohl in die Betriebe als auch in die Supermärkte. Stattdessen belastet der Händler den Erzeuger mit mehreren Hunderttausend Kronen jährlich. Auch dieses Problem wollen wir mit der Gesetznovelle lösen“, so der Christdemokrat.
Insgesamt lautet der Vorwurf der Erzeuger, dass die Händler hohe Gewinnmargen einfahren würden. Zugleich seien sie als Erzeuger teilweise gezwungen, Waren unter den Kosten für die Herstellung an die Händler zu verscherbeln.Tschechien will europäisches Verbot
Die Händler hingegen bauen zum einen auf eigene Einsicht. So haben sie letztens eine freiwillige Vereinbarung über faire Handelspraktiken verabschiedet. Zum anderen halten sie die Gesetzesnovelle für einen Papiertiger. Sie schlagen stattdessen Schlichtungsverfahren vor. Pavel Mikoška:
„Falls es zu den Praktiken kommt, die uns unter anderem von der Lebensmittelkammer vorgeworfen werden, dann sollten die Fälle individuell gelöst werden. Es sollte eine Schlichtungsgruppe eingesetzt werden, damit beide Seiten versuchen, sich zu einigen.“Die tschechische Regierung plant jedoch schon weiter. Sie will eine europäische Initiative gegen den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung. Laut Landwirtschaftsminister Jurečka bestehen in sechs weiteren Ländern praktisch identische Beschwerden über die Supermarktketten. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus den restlichen drei Visegrad-Ländern Polen, Ungarn und Slowakei sowie aus Bulgaren, Rumänien und Slowenien hat der Christdemokrat daher im Mai einen Brief nach Brüssel geschickt. Darin fordern die Landwirtschaftsminister ein gesamteuropäisches Verbot bestimmter Handelspraktiken.
In Ungarn allerdings werfen die Supermarktketten dem Staat vor, dass sich die Wettbewerbsgesetze direkt gegen sie als ausländische Firmen richten würden. Sie hoffen ihrerseits auf ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Solch ein Verfahren kann entweder die Europäische Kommission beantragen oder eine nationale Regierung.Es scheint, als ob das Vertrauen zwischen Handelsketten und Regierungen in Mittel- und Osteuropa auf einen Tiefpunkt zustrebt.