Zeman: Meine Vision ist eine EU-Mitgliedschaft Russlands

Miloš Zeman in einem Gespräch mit der russischen Redaktion von Radio Prag (Foto: Präsident Büro)

Zahlreiche Gedenkveranstaltungen zum 70. Jubiläum des Kriegsendes stehen in dieser Woche in ganz Europa bevor. Am Staatsfeiertag am 8. Mai nimmt er an einer Gedenkfeier am Nationaldenkmal Vítkov in Prag teil. Außerdem reist er zu einer internationalen Konferenz nach Polen und am 9. Mai zur Siegesfeier nach Russland. Gerade diese Reise hat in Tschechien für Aufsehen und Kritik gesorgt. In einem Gespräch mit der russischen Redaktion von Radio Prag hat Zeman seine Gründe für den Moskau-Besuch und auch seine Haltung gegenüber Russland gründlicher dargelegt.

Wlassow-Armee  (Foto: Das Bundesarchiv)
„Ich fahre nach Moskau, um mich vor den im Krieg Verstorbenen zu verneigen, um das Andenken von 20 Millionen gefallenen Bürgern der Sowjetunion zu ehren. Das ist das Hauptziel meiner Reise.“

Er wolle das Andenken aller sowjetischen Bürger ehren, unterstrich Zeman, also auch der Soldaten der sogenannten Wlassow-Armee. Diese Armee war ein russischer Freiwilligenverband, der im Zweiten Weltkrieg lange Zeit auf der deutschen Seite kämpfte, gegen Ende des Krieges aber die Seite wechselte und an der Befreiung von Prag beteiligt war.

„Wlassow hat viele schlechte Dinge gemacht. Aber am Ende seines Lebens hat er doch eine gute Sache getan.“

Viele Kritiker und Gegner bezeichnen Zeman als einen Pressesprecher beziehungsweise Anwalt des Kremls. Er selbst hält sich aber für einen Anwalt der Tschechischen Republik:

„Man nennt mich nicht nur den Agent des Kremls, sondern auch Agent Chinas, weil ich China besucht habe, um unsere bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu fördern. Das gleiche gilt auch für die Russische Föderation.“

Miloš Zeman in einem Gespräch mit der russischen Redaktion von Radio Prag  (Foto: Präsident Büro)
Dem tschechischen Präsidenten zufolge ergeben die internationalen Sanktionen gegen Russland keinen Sinn.

„Ich bin gegen Sanktionen, weil sie allen schaden: einerseits den EU-Mitgliedsländern und andererseits der Russischen Föderation. Wir haben da keine so genannte Win-Win-Strategy, sondern eine Loss-Loss-Strategy. Es entstehen Schäden für beide Seiten, die ich verhindern will. Ohne dass ich dafür Geschenke erwarte.“

Die künftigen Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union stellt sich das tschechische Staatsoberhaupt folgendermaßen vor:

„Ich habe eine Vision: In langfristiger Perspektive wird Russland ein Mitglied der Europäischen Union werden. Wenn das den Russen nicht gefällt, können sie sich umgekehrt vorstellen, dass die EU der Russischen Föderation beitritt. Aber das Resultat bleibt gleich – eine Ökonomie, die sich wechselseitig ergänzt. Die Bodenschätze einerseits und die modernen Technologien andererseits. Die Komplementarität.“

Soweit Präsident Miloš Zeman. Wie die jüngste Umfrage der Meinungsforschungsagentur Ipsos vom Montag zeigt, betrachtet eine tschechische Bevölkerungsmehrheit Russland hingegen als Bedrohung. Demnach fürchten sich 68 Prozent der Tschechen vor den Aktivitäten des russischen Geheimdienstes, 61 Prozent haben Angst vor einem Militärangriff auf die Nato-Mitglieder im Baltikum. 54 Prozent Tschechen bewerten das gegenwärtige Russland ähnlich negativ wie die frühere Sowjetunion. Mit 71 Prozent nähert sich die negative Bewertung von Wladimir Putin der von Stalin (77 Prozent). Die positive Einstellung von Miloš Zeman gegenüber Russland wird von einem Drittel der tschechischen Bürger gutgeheißen.