Ein Prozent statt vier: Kunst am Bau steht nach 24 Jahren vor der Rückkehr
Kunst am Bau oder ‚Ein Prozent für die Kunst‘ – so heißen die Regelungen in anderen Ländern. Sie schreiben vor, dass öffentliche Großbauten um ein Kunstwerk ergänzt werden. Auch in Tschechien gibt es Überlegungen, in Zukunft einen Bruchteil der Baukosten für Statuen oder Wandgemälde abzuzweigen. Das wäre kein Novum – denn bis 1991 mussten in der Tschechoslowakei sogar bis zu vier Prozent der Kunst gewidmet werden.
Bislang gibt es nur ein Konzeptpapier im Kulturministerium. Der Fahrplan für die Kulturpolitik der kommenden fünf Jahre enthält den Vorschlag, Großprojekte mit Baukosten von über 150 Millionen Kronen (5,4 Millionen Euro) mit Kunstwerken im Wert von 500.000 Kronen (18.000 Euro) auszustatten, einem Anteil im Promillebereich. Kulturstaatssekretär Miroslav Rovenský erklärte vor kurzem im Tschechischen Fernsehen, wie das Gesetz in der Praxis aussehen könnte:
„Es würde Gebäude betreffen, die direkt vom Staat finanziert werden oder staatliche Zuschüsse erhalten. Nicht davon betroffen sind selbstverständlich zum Beispiel denkmalgeschützte Objekte.“
Für Schwimmbäder, Schulen, und Krankenhäuser, aber auch für Autobahnen müsste die Kunst am Bau ausgeschrieben werden. Ein Vorkämpfer für den öffentlichen Raum in Tschechien ist Pavel Karous. Der Bildhauer wünscht sich eine Förderung von einem Prozent. Beispielhaft ist für ihn die Gesetzgebung in Frankreich. Doch auch im eigenen Land gab es bereit bessere Zeiten, sagt Karous:„Das sogenannte Vier-Prozent-Gesetz galt von 1965 bis 1991. Im Rahmen dieser Bauvorschrift wurde eine enorme Anzahl von bildhauerischen Kunstwerken im öffentlichen Raum realisiert. In dieser Zeit entstanden Dinge von außerordentlicher Qualität, denn das Gesetz schrieb nicht nur vor, dass vier Prozent des Budgets der künstlerischen Gestaltung gewidmet werden sollen, sondern auch dass dem ein öffentlicher transparenter Wettbewerb vorausgeht und dass eine Fachkommission die Entscheidung trifft. Darum entstand damals fast kein Kitsch.“ Dennoch hat die sogenannte ‚Vierprozent-Kunst‘ aus den 1970ern und 1980ern einen schlechten Ruf. Obwohl die Statuen und Reliefs oft völlig unpolitisch waren oder sogar regimekritische Botschaften transportierten, galten sie nach der Samtenen Revolution als Überbleibsel des Kommunismus. Dabei waren zeitgleich auch westlich des Eisernen Vorhangs ähnliche Regelungen in Kraft getreten. Dass es mit dem öffentlichen Raum in Tschechien derzeit nicht zum Besten bestellt ist, registriert inzwischen auch das Kulturministerium. Das zeitgenössische Bauwesen leide an der Betonung der reinen Nutzfunktion, eine ästhetische Dimension sei kaum zu erkennen, heißt es in dem Konzeptpapier. Pavel Karous:„Ich als Bildhauer oder in diesem Fall eher als Lobbyist der Bildhauer, möchte dieses Gesetz, weil es eine von vielen Möglichkeiten darstellt, um den öffentlichen Raum zu kultivieren. Daneben braucht es aber weitere aktive Menschen, die sich darum kümmern, dass der visuelle Werbesmog und der Leuchtsmog reguliert und dass bestehende Regelungen auch eingehalten werden. Darüber hinaus braucht es einen Plan, eine urbane Vision der Stadt – nach so einer langen Phase, in der die neoliberale Politik die Prager Stadtplanung dominiert hat, in der im Grunde genommen nichts geregelt wurde. Die Ergebnisse sehen wir heute. In der Stadt müssten tausend Dinge reguliert werden.“ Für eine qualitative Kunst am Bau fordert Karous eine Wiedereinrichtung bildhauerischer Berufsverbände, die eine unabhängige Auswahl treffen können. Mit der Politik oder gar mit dem Bauwesen dürfen sie selbstredend nicht verknüpft sein. Aus dem Kulturministerium war zu hören, dass die neue Regelung frühestens 2018 in Kraft treten könnte. Eine Vorgabe zur Kunst am Bau gibt es bereits in allen EU-Ländern – mit Ausnahme von Tschechien und der Slowakei. Auch im Nachbarland soll dieser Zustand bald geändert werden.