„Ein politischer Fehler“ – Eurosolar-Vize Smrž über geringes Interesse in Tschechien an den Erneuerbaren
Milan Smrž ist einer der größten tschechischen Experten für erneuerbare Energien. Seit 2003 ist er Vizepräsident von Eurosolar, der europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien. Smrž hat unter anderem ein Projekt mitbetreut, um die erste tschechische Gemeinde energieunabhängig zu machen. Früher leitete er Entwicklungsprojekte in Afrika. Mit ihm ein Gespräch über erneuerbare Energien in Tschechien und über den Stand der Energiewende hierzulande.
„Das ist eine grundsätzliche Frage. Die Tschechen sind häufig antiökologisch orientiert und lehnen Maßnahmen zugunsten regenerativer Energien ab. Aber zu der Fotovoltaik: 2005 hat Tschechien ein sehr progressives Gesetz nach dem Vorbild des deutschen EEG verabschiedet. Aber 2010 lagen die Einspeisetarife bei uns um 66 Prozent höher als in Deutschland. Das hatte die Konsequenz, dass deutsche Unternehmer ihre Solarkraftwerke dort von den Feldern abschraubten und sie nach Tschechien brachten, weil sie da um zwei Drittel mehr Geld verdienen konnten. Man hat hierzulande einfach die Preisentwicklung für Solaranlagen schlecht vorausgesehen und zu spät rauf die Änderungen reagiert. Die Einspeisetarife wurden dann fast auf null gesenkt, aber später wieder erhöht. Wenn man die Kurve dieser Tarife in Deutschland betrachtet, dann sinkt sie gleichmäßig, so wie die Anschaffungspreise der Anlagen sinken. In Tschechien zeigt sie mal nach unten, mal wieder nach oben, dann wieder nach unten. Manche Leute sagen, dies sei eine Verschwörung gegen die erneuerbaren Energien. Ich bin kein Liebhaber von Verschwörungstheorien. Ich würde sagen, dass die tschechische Politik nicht klug genug ist. Bei der Öffentlichkeit kommt das aber so an, als sei die Fotovoltaik schlimm, sie bringe nur wenig Ertrag, aber überbeanspruche landwirtschaftliche Flächen. Das stimmt aber nicht, in Tschechien liegt mehr als ein Million Hektar landwirtschaftliche Flächen brach.“
Tatsächlich steht aber die Mehrheit dieser Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen. In Deutschland befinden sich die Photovoltaikanlagen auf den Dächern…„Ich war jetzt bei einer Konferenz in Rom, wo ich ein Bild aus Tschechien gesehen habe. Peter Droege, der Präsident von Eurosolar, hat eine Aufnahme aus Pilsen gezeigt, auf dieser war ein großes, mit Solaranlagen bedecktes Feld zu sehen. Hinter diesem Feld befanden sich nach Süden geneigte Dächer, auf denen es aber keine Anlagen gab. So sollte es natürlich nicht sein. Meiner Ansicht nach ist dies ein politischer Fehler, der von der antiökologischen Einstellung der tschechischen Gesellschaft herrührt.“
Man hört auch oft, dass hierzulande schlechte Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien seien. Stimmt das? Wo liegt Ihrer Schätzung nach das Potential in diesem Bereich?„Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass die komplette Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien auch bei uns möglich ist. In Deutschland und Österreich gibt es doch schon viele Städte oder Bezirke, die dieses Ziel erlangt haben. Das Potenzial hier ist nicht kleiner, im Gegenteil: Tschechien ist weniger dicht besiedelt, der Wert liegt bei etwa 58 Prozent von Deutschland. Es heißt, erneuerbare Energien bräuchten Fläche – und die haben wir genug. Wir haben auch mehr Wälder, hierzulande liegt der Anteil bei etwa 34 Prozent, während Deutschland nur zu 30 Prozent von Wäldern bedeckt ist. Trotzdem gibt es hier Menschen, die sagen, die Energiewende sei nicht machbar. In diesem Jahr wurde die Unterstützung von Biogasanlagen gestoppt. Das ist teilweise gut, denn staatliche Förderungen kann nur noch eine Biogasanlage erhalten, die neben Strom auch Wärme produziert und diese weiterverkauft oder direkt etwas beheizt. Ab diesem Jahr ist aber auch die Unterstützung der Fotovoltaik gestoppt. Das betrifft die neuen Anlagen, die alten Förderungen laufen weiter. Es werden also nur noch kleine Wasserkraftwerke unterstützt und im geringen Umfang auch Windkraftanlagen. Doch diese Subventionen sinken immer weiter.“
Welche erneuerbare Energien haben also die besten Chancen in Tschechien?„Die Biomasse wird irgendwie unterstützt, aber trotzdem bin ich der Meinung, dass die Fotovoltaik die einzige ‚Königin‘ ist. Sie wird sich in jedem Fall durchsetzen. In ein oder zwei Jahren kommt es bei uns zur sogenannten ‚Grid Parity‘. In Deutschland wurde diese Netzparität schon 2011 erreicht. Das heißt, dass der Preis des Stroms von einer Photovoltaikanlage auf meinem Dach durchschnittlich billiger ist, als der durchschnittliche Strompreis im Netz. Das wird meiner Meinung nach die Auswirkung haben, dass sich die Tschechen sagen: Ja, das lohnt sich, wir machen das.“
Das heißt, die Anlagen kommen auch ohne staatliche Unterstützung aus?„Ja, so war es in Deutschland, und so wird es bei in zwei Jahren auch sein.“
Die tschechischen Politiker setzen aber weiterhin auf Atomenergie, es wird gerade über eine mögliche Erweiterung der Kernkraftwerke in Temelín und Dukovany gesprochen. Lohnt sich das wirtschaftlich?
„Ich bin fast sicher, dass nicht. Die Rentabilität der Kernenergie wird immer schlechter werden, da sehe ich keine Wende. Die erneuerbaren Energien haben jedoch großes Potenzial. Es gibt zum Beispiel eine neue Technologie des erneuerbaren Methans von Michael Sterner (Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an der Ostbayerischen technischen Hochschule in Regensburg – Anm. d. R.). Damit könnten wir auf allen Dächern Fotovoltaik haben. Denn so ließen sich die Überschüsse aus dem Ökostrom in Methan umwandeln und in die Gasleitung einspeisen. Tschechien verfügt über eine große Menge von Gasreservoiren. Die neue Technik würde natürlich auch etwas kosten, aber ein neues AKW ist teurer.“