Polizeigewalt: Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Tschechien

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Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat zum ersten Mal die Tschechische Republik wegen erniedrigender Behandlung eines Inhaftierten verurteilt. Dabei geht es um einen Fall aus dem Jahr 2010: ein Mann aus Aš / Asch soll in Polizeigewahrsam misshandelt worden sein. Seine Beschwerden waren danach von den zuständigen tschechischen Stellen abgewiesen worden, deswegen klagte er in Straßburg.

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Vor etwas mehr als drei Jahren war Vladimír Kummer mitten in Nacht auf dem Weg nach Hause. Hinter ihm lag ein feuchtfröhlicher Abend in einer Kneipe in Aš, vor ihm eine unangenehme Begegnung mit der Polizei. Als die Beamten den Betrunkenen kontrollierten, konnte sich Kummr nicht ausweisen, er hatte seine Dokumente nicht dabei. Deswegen wurde er festgenommen und endete in einer Zelle. Dort sollen ihn die Polizisten an die Wand gefesselt und auf den Rücken geschlagen haben. Pavel Valenta ist Sprecher der Polizei des zuständigen Kreises Karlovy Vary / Karlsbad. Er schildert den Verlauf anders:

Pavel Valenta  (Foto: Archiv der Polizei der Tschechischen Republik)
„In unserer Dienststelle hat sich der Mann aggressiv verhalten, die Polizisten beleidigt und Angaben zu seiner Person verweigert. Eine vorangegangene Alkoholkontrolle hat bei ihm über zwei Promille ergeben. Er hat die Zusammenarbeit verweigert und seine Aggressivität ist immer weiter angestiegen. Die Beamten haben ihn dann in eine Zelle gesperrt, seine Identität geklärt und ihn später entlassen.“

Kummr hatte nach dem Zwischenfall Strafanzeige gestellt gegen die Beamten, er legte Beschwerde gegen die Staatsanwaltschaft ein und zog vor das Verfassungsgericht: alles vergebens. Die tschechischen Instanzen lehnten seine Beschwerden ab. Am Ende blieb Kummr nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte:

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte  (Foto: Djtm,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Ich habe Beschwerde wegen unmenschlicher Behandlung auf der Polizeidienststelle, wegen Folter und Gewalt von Seiten der Polizisten und wegen der unzureichenden Aufklärung des Vorfalls durch die Organe der Tschechischen Republik eingelegt.“

Nun hat der Gerichtshof in Straßburg ihm Recht gegeben. Seine Behandlung bezeichnete das Gericht als erniedrigend und kritisierte in dem Urteil vor allem die mangelhafte Aufklärungsbereitschaft der tschechischen Behörden. Robert Schuster ist Sprecher des tschechischen Justizministeriums. Er sagt, dass sich bei der Kontrolle der Sicherheitsbehörden seit dem Vorfall viel getan habe:



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„In der Argumentation des Europäischen Gerichtshofes wurde festgehalten, dass die Behörde, die eben solche oder ähnliche Vergehen von Polizisten untersuchen soll, die so genannte ‚Inspektion des Innenministeriums’ nicht unabhängig agieren kann, weil sie ja vom Innenminister bestellt wird. Hier ist es in der Zwischenzeit zu einer sehr wichtigen Veränderung gekommen, es wurde eine neue Aufsichtbehörde geschaffen. Die ‚Generalinspektion der Sicherheitskräfte’ kontrolliert nicht nur die Polizei, sondern zum Beispiel auch die Feuerwehr und die Justizvollzugswache und diese Institution ist unabhängig. Das heißt, der tschechische Staat hat in der Zwischenzeit eines der wichtigen Argumente des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs bereits erfüllt.“

Foto: Archiv Radio Prag
Allerdings ist das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs noch nicht rechtskräftig. Die Tschechische Republik kann zwar keine Berufung einlegen, aber sie könnte versuchen, den Fall vor den großen Senat des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu bringen. Robert Schuster:

„Allerdings bedarf es dafür eines Regierungsbeschlusses und ein solcher Beschluss wird ohne eine gründliche Analyse dieses konkreten Urteils nicht möglich sein. Jetzt läuft eine dreimonatige Frist, in der es möglich ist, diese Delegierung des Falls an eine höhere Ebene zu beschließen.“

Ob es dazu kommen wird, ist angesichts der derzeitigen Regierungskrise noch nicht absehbar. Parallel zur Entscheidung des Gerichtshofs in Straßburg läuft aber auch noch ein Verfahren in Prag. Kummr hat nämlich das tschechische Innenministerium auf die Zahlung einer Entschädigung von 100.000 Kronen (4000 Euro) verklagt. Hier steht das Urteil aber noch aus.