Ferdinand V. - der gütige letzte König von Böhmen
Von den Österreichern wurde er verhöhnt, von den Tschechen jedoch geliebt: Ferdinand der Gütige war der erste Kaiser der neuen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und der letzte gekrönte König von Böhmen. In Prag erinnert derzeit eine Ausstellung an den Herrscher, der in Böhmen als Ferdinand V. galt und in Österreich als Kaiser Ferdinand I.
Politisch war Ferdinand aber eher ein schwacher Herrscher. Jaroslav Sojka ist Kurator der Ausstellung in Prag:
„Er hat keine großen Reformen in Angriff genommen, er hat eher die Politik seines Vaters fortgesetzt und versucht, nicht viel zu ändern. Dazu hatte er sich auch am Sterbebett seines Vaters Franz II. verpflichtet. Allerdings war er im Vergleich zu seinem Vater sehr friedliebend. Er hat vermieden, wie Franz II. mit Aggressionen gegen die Aufständischen in Italien vorzugehen. Vor allem aber hat er zu seinen Krönungen in den einzelnen Ländern weitreichende Amnestien ausgerufen. Persönlich war er meiner Meinung nach ein sehr religiöser Mensch. Ihm war zum Beispiel klar, dass er mit der Annahme der böhmischen Wenzelskrone auch eine Christusreliquie annahm oder mit der lombardischen Krone einen Nagel aus Christus´ Kreuz. Er war sich also der Würde seiner Autorität bewusst. Er war der letzte Habsburger Herrscher von Gottes Gnaden, im Revolutionsjahr 1848 nahm er die Rolle des konstitutionellen Monarchen an.“
Weil Ferdinand als dumm galt, führte der österreichische Kanzler Fürst Metternich die meisten Staatsgeschäfte. Franz I. hatte in seinem Testament seinen Sohn klar angewiesen:„Übertrage auf den Fürsten Metternich, meinem treusten Diener und Freund, das Vertrauen, welches Ich ihm während einer so langen Reihe von Jahren gewidmet habe. Fasse über öffentliche Angelegenheiten wie über Personen keine Entschlüsse, ohne ihn darüber gehört zu haben.“
Ferdinand aber wirklich als schwachsinnig zu bezeichnen, entspricht indes nicht ganz der Wahrheit, behauptet Sojka:
„Er litt an seiner Krankheit. Seine Epilepsie war nicht rechtzeitig erkannt worden, und weil er in seiner Jugend nicht richtig behandelt und sehr beansprucht wurde, war er häufig müde und konnte einige Aktivitäten und gesellschaftliche Pflichten nicht wahrnehmen. Zugleich darf man sich Ferdinand nicht als simpel vorstellen, er war schließlich österreichischer Kaiser und der letzte gekrönte böhmische König, ungarischer König und König der Lombardei. Und bei all diesen Krönungen absolvierte er mehrstündige Feiern, er sprach fünf Sprachen, darunter zum Beispiel Latein, Ungarisch und auch sehr gut Tschechisch.“
Als 1848 in Wien die Märzrevolution ausbrach, musste Ferdinand fliehen. Zuerst führte sein Weg nach Innsbruck, danach aber ins mährische Olomouc / Olmütz. Dort verzichtete er am 2. Dezember auf seine Regierungsmacht und übergab die Geschäfte an seinen Neffen Franz Jospeh. Es war jedoch keine Abdankung, denn Ferdinand behielt weiter den Kaisertitel. Auch blieb die Verwaltung von Böhmen in seinen Händen. Ferdinand und seine Frau Maria Anna von Savoyen ließen sich in der Residenz auf der Prager Burg nieder. So wurde er zum letzten böhmischen König, der auch an der Moldau lebte.Ohne die Regierungspflichten konnte der Monarch nun seinen vielfältigen Interessen nachgehen.
„In seiner Freizeit hat er sich mit Botanik und Musik beschäftigt, beides lag ihm nah. In der Habsburger Familie gab es ein ungeschriebenes Gesetz, dass jedes erzherzögliche Kind ein Handwerk lernen sollte. Ferdinand war Gärtner. Sein Interesse an der Musik lässt sich zum Beispiel durch die große Zahl an Libretti und Musikstücken belegen, die im Archiv der Prager Burg erhalten geblieben ist“, so Jaroslav Sojka.
Ferdinand beschäftigte beispielsweise auch Komponisten an seinem Hof: so František Škroup, der die heutige tschechische Nationalhymne geschrieben hat, und Bedřich Smetana, dem Autor der berühmten „Moldau“.
Insgesamt brachten er und seine Frau nun erneut kaiserliches Flair in die Gemächer auf der Prager Burg. Frühere Habsburger Herrscher hatten nie länger in der Stadt an der Moldau gewohnt. Der Stil von Ferdinand und Maria Anna war indes nicht sehr ausgefallen, erzählt Martin Halata, Ko-Autor der Ausstellung, die genau diese Dinge zeigt:„Im Jahr 1822 war es in Wien zu einer großen Reform am Hof gekommen. Dabei wurden die Möbel in drei Kategorien eingeteilt: Die dritte Kategorie kam beispielsweise in Prag in die Verwaltungsräume, es waren einfache gelbe Möbelstücke, die wir heute als Biedermeier bezeichnen würden und bewundern. Diese waren aber nicht für den exklusivsten Teil der Räume wie die Kaisergemächer geeignet. Dort standen weißgoldene Neorokoko-Möbel, der so genannte Blondel´sche Stil, oder Möbel aus Mahagoni, dem so genannten Julien-Stil. Dies waren die beiden offiziellen Stile am österreichischen Herrscherhaus.“
Feine Textilarbeiten wurden zum Beispiel bei der Firma Haas und Söhne in Wien bestellt. Doch unterstützte die Familie auch die regionalen Hersteller:
„Auch die Sommerschlösser in Nordböhmen, so genannte Sejouren, wurden von der Herrscherfamilie ausgestattet. Es handelt sich um die Schlösser Ploskovice und Zákupy, die die Familie erworben hatte. Unterstützt wurde also nicht nur die Wiener Kunstszene, sondern auch die örtliche, besonders in Prag. In Zákupy ist zum Beispiel das gesamte Interieur erhalten geblieben, das die Manufaktur des Malers Navrátil angefertigt hat“, sagt Halata.
Dass Ferdinand seine Residenz in Prag aufschlug, hatte aber auch einen politischen Unterton. Die Habsburger Herrscher waren in den böhmischen Ländern selten beliebt gewesen. Anders jedoch Ferdinand, der sich gerade hier seinen Beinamen der Gütige verdiente, wie Jaroslav Sojka erläutert:
„Der einfache Grund ist, dass er ein anständiger Mensch war und auf der Straße jeden begrüßt hat. Die Tschechen haben seinen Gruß gerne erwidert und zogen zum Beispiel den Hut. Seinen Untergebenen gegenüber hat er sich immer liebevoll verhalten. Er und Kaiserin Anna waren einfach Symbole des einfachen Lebens. Meiner Meinung nach waren sie eher verschlossene Naturen, im Unterschied zu Ferdinands Neffen Franz Joseph oder Kaiserin Elisabeth.“Kaiser Ferdinand starb am 29. Juni 1875 in Prag – an Altersschwäche, wie die Quellen berichten. In den letzten Jahren hatte ihn seine Frau Maria Anna gepflegt, die Ehe war kinderlos geblieben. Ferdinand und Anna, die 1884 starb, wurden in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt.