Der Rockstar, der geheimnisvoll starb: Jiří Schelinger

Jiří Schelinger

Er war wohl der talentierteste Rocksänger in der kommunistischen Tschechoslowakei: Jiří Schelinger wurde in den 70ern ein Star, doch mit nur 30 Jahren kam er ums Leben.

Jiří Schelinger
Jiří Schelinger wird 1951 in einem Dorf auf der Böhmisch-Mährischen Höhe geboren. Der Vater ist Musiklehrer, und der Sohn verfällt auch sehr früh der Musik. Er spielt Klavier und Gitarre. Nachdem die Familie nach Prag umzieht, gründet er mit Mitschülern eine erste Gitarren-Rockband. Nach der Schule versucht Schelinger eine Ausbildung zum Installateur. Doch eigentlich steht für ihn das Ziel bereits fest: ein berühmter Rockstar zu werden, sein Vorbild ist Gitarrist Brian Jones von den Rolling Stones. Westmusik hört er vor allem über Radio Luxemburg. In der Zeit des Prager Frühlings 1968 und der folgenden Niederschlagung der Reformbewegung singt er in unterschiedlichen Bands. Zum Schluss landet er in der Band Faraon, mit der er 1972 seinen ersten großen Hit aufnimmt: Holubí dům (Das Taubenhaus).

Jiří Schelinger  (ganz links),  František Ringo Čech  (ganz rechts)
Doch diese Musik ist noch nicht der Stil, der Jiří Schelinger vorschwebt. Er nimmt deswegen das Angebot des Schlagzeugers und Multitalents František Ringo Čech an, in dessen Band zu singen. Čech engagiert sich nur noch als Sprecher und Texter für seine Band. Mit dem neuen Sänger will er angeblich den Sound verschärfen. Schelinger ist in dieser Zeit bereits für die Musik von Deep Purple und Black Sabbath entbrannt. Doch die kommunistische Führung ist noch nicht bereit, Hardrock zu erlauben. Um die Funktionäre wohl zu stimmen, produziert František Ringo Čech erst einmal Bubble-Gum-Songs. Damit landen er und Schelinger einen Hit nach dem anderen.

In einem Schelinger-Porträt des Tschechischen Fernsehens erzählte František Ringo Čech vor nicht allzu langer Zeit, dass der Sänger seiner Band langsam unruhig wurde. Doch 1977 holen sie gemeinsam dann zum großen Schlag aus. Mit "Hrrr na ně" entsteht das erste Hardrock-Album in der tschechoslowakischen Musikgeschichte.

Das Jahr 1977 wird zu einem ausgesprochenen Erfolg, die Band von František Ringo Čech reist nach Polen, um im Vorprogramm von Smokie zu spielen. Doch Sänger Jiří Schelinger bleibt fremd in der sozialistischen Gesellschaft der Tschechoslowakei. Seine erste Ehe bricht auseinander und ab 1977 nimmt der Druck der Behörden auf die Künstler zu, wegen der Menschenrechtsbewegung Charta 77. Schelinger wollte angeblich die Charta unterschreiben, behauptet heute sein Bruder. Doch das hätte sicher das Ende seiner offiziellen Karriere bedeutet. Es war also ein gefährlicher Spagat für den Sänger.

Alte Brücke über die Donau in Bratislava  (Foto: Wizzard,  Creative Commons 3.0)
Am 13. April 1981 fährt Jiří Schelinger zu Fernsehaufnahmen nach Bratislava. Am Abend sitzt er zusammen mit einem jungen Paar in einer Weinstube der slowakischen Stadt. Dann kommt es zur verhängnisvollen Entscheidung: Der männlich Teil des jungen Paars und Schelinger gehen zur alten Brücke über die Donau. Beide springen ins Wasser. Während der junge Mann wieder aus dem Fluss auftaucht, verschwindet Jiří Schelinger unter bis heute ungeklärten Umständen in den Fluten. Er ertrinkt wie sein Vorbild Brian Jones, der im Juli 1969 in seinem Swimmingpool ums Leben kam. Fast einen Monat später wird flussabwärts eine Leiche ans Ufer gespült, sie wurde bis heute nicht identifiziert.

Autor: Till Janzer
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