Gedenkstätte für Heydrich-Attentäter in der Kyrill-und-Method-Kirche

Kyrill-und-Method-Kirche

Am 27. Mai 1942 verübten tschechoslowakische Fallschirmspringer ein Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich. Nach einigen Tagen erlag Heydrich seinen Verletzungen. Auf die Tat der Widerstandskämpfer reagierte das NS-Regime mit einer Welle von Vergeltungsmaßnahmen. Die Attentäter versteckten sich nach dem Anschlag in einer orthodoxen Kirche im Prager Stadtzentrum. In diesem Versteck sind die sieben Fallschirmspringer 20 Tage später umgekommen. An dem Ort, wo die Attentäter einst versteckt waren, befindet sich heute eine Gedenkstätte für die Widerstandskämpfer.

Wenn man vom Prager Karlsplatz in Richtung Moldau geht, kommt man an der monumentalen Barockkirche vorbei. Sie steht direkt hinter dem Gebäude der Tschechischen Technischen Hochschule und ist schon aus der Ferne nicht zu übersehen. Die orthodoxe Kathedrale der heiligen Kyrill und Method ist hierzulande als letzter Zufluchtsort der Heydrich-Attentäter bekannt geworden. Das Gotteshaus hat jedoch eine längere Geschichte. Erbaut wurde es in den 1730er Jahren – damals für die römisch-katholische Kirche. Am Bau beteiligte sich auch der berühmte Architekt Kilian Ignaz Dientzenhofer. Die Kirche wurde damals dem heiligen Karl Borromäus geweiht. Im 18. Jahrhundert habe der Sakralbau zu einem Heim für alte Priester gehört, erzählt der Dekan der heutigen orthodoxen Kathedrale der heiligen Kyrill und Method, Jaroslav Šuvarský:

Jaroslav Šuvarský  (Foto: Barbora Kmentová)
„1783 wurde die Kirche unter Josef II. säkularisiert und das Gebäude diente dann nicht mehr kirchlichen Zwecken. Als sich die orthodoxe Kirche nach der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik hierzulande etablierte, suchte sie nach einem Gotteshaus. Sie übernahm diese nicht mehr genutzte Kirche. Sie wurde erneut geweiht, und zwar auf zwei Apostel: die heiligen Kyrill und Method. Unsere orthodoxe Kirche pflegt das geistliche Erbe der beiden Slawenapostel sehr. Die Weihe fand am 28. September 1935 statt. Es ist aber interessant, dass in den Akten der Gestapo von 1942 die Kirche immer noch nur als Karl-Borromäus-Kirche bezeichnet wurde.“

Wie kam es dazu, dass die tschechoslowakischen Fallschirmspringer eine Zuflucht eben in dieser Prager orthodoxen Kirche gefunden haben? Jaroslav Šuvarský:

Vladimír Petřek
„Wir müssen uns zuerst vorstellen, wie die Situation damals war. Im Protektorat entstand damals eine Widerstandsbewegung, die nicht kommunistisch war und an der viele Mitglieder des Turnvereins Sokol teilnahmen. Zwei Mitglieder unserer orthodoxen Kirche – Jan Sonnevend, der Vorsitzender des Ältestenrates der orthodoxen Kirche war, und der Kaplan der Kathedrale, Vladimír Petřek – waren Sokol-Mitglieder und so auch mit den Widerstandkämpfern in Kontakt. Die beiden Vertreter unserer Kirche wurden von den Widerstandskämpfern gefragt, ob sie eventuell helfen könnten, und sie haben ´Ja ´ gesagt. Nachdem die Fallschirmspringer ihren militärischen Auftrag, den ihnen die tschechoslowakische Exilregierung gab, erfüllt hatten, fanden sie in der Kathedrale Versteck. Zuerst kümmerte sich Kaplan Petřek um sie, dann halfen ihnen auch der hiesige Dekan Václav Čikl und der Küster Václav Ornest. Bischof Gorazd hatte bis zur Niederbrennung von Lidice von den hier versteckten Attentätern nichts gewusst.“

Bischof Gorazd
Bischof Gorazd wurde erst am 11. Juni von Sonnevend und Petřek davon informiert, dass sich in der Kathedrale die Fallschirmspringer versteckt hielten. Die Gestapo suchte Tage lang nach ihnen. In der Nacht auf den 18. Juni ließ sie die Kathedrale umstellen. Es waren etwa 800 Soldaten im Einsatz. Die Gestapo wusste jedoch nicht genau, wie viele Widerstandskämpfer in der Kirche waren, erzählt Šuvarský:

„Am 18. Juni um 4.15 Uhr betrat die Gestapo das Kirchengebäude. Sie gingen damals durch den Seiteneingang und den Gang hinein, in dem sich heute unser Büro befindet. Oben im Chor der Kirche hielten damals drei der Fallschirmjäger Wache. Sie hatten sich immer abgewechselt, weil es in der Krypta, wo sich die anderen befanden, sehr kalt war. Es begann der ungleiche Kampf, der etwa zwei Stunden dauerte. Als die drei Wachposten keine Munition mehr hatten und verletzt waren, haben sie eine Giftkapsel geschluckt. Nach Entdeckung der Krypta, in der vier weitere Fallschirmspringer versteckt waren, wurde der Kampf fortgesetzt. Hitler wollte damals möglichst viele Informationen über das Attentat erhalten. Die Gestapo versuchte deshalb, mit den Fallschirmspringern zu verhandeln.“

Krypta  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Antwort aus der Krypta lautete jedoch: „Wir geben nicht auf. Wir sind Tschechen.“ Der Kampf dauerte noch einige Stunden. Die letzten vier Patronen hoben die belagerten Fallschirmspringer für sich selbst auf.

Nach dem Attentat auf Heydrich war das Schicksal der orthodoxen Kirche sehr tragisch. Bischof Gorazd habe einen Tag nach der Eroberung der Krypta den Nazis sein Leben für die Leben anderer Geistlicher und Kirchenmitglieder angeboten, erzählt Jaroslav Šuvarský:

„Er wurde selbstverständlich verhaftet und gefoltert. Am 4. und 5. September 1942 wurden unsere Geistlichen, Bischof Gorazd, Kaplan Petřek und Dekan Čikl sowie Jan Sonnevend, auf der Erschießungsstätte in Kobylisy in Prag erschossen. Die Kirchengemeinde wurde praktisch liquidiert.“



Krypta  (Foto: Martina Schneibergová)
Nach Kriegsende schien es Šuvarský zufolge zunächst so, als wenn aus der Krypta der Kirche eine Art Wallfahrtsort würde, an dem der Widerstandskämpfer gedacht wird. Nachdem 1948 die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei ergriffen, durfte man über die Verdienste dieser Widerstandskämpfer nicht sprechen, weil sie keine Kommunisten gewesen waren. Tschechoslowaken, die in den Reihen der Alliierten im Westen gegen die Nazis kämpften, wurden inhaftiert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Das kommunistische Regime hatte deshalb auch kein Verständnis für das Andenken an die Heydrich-Attentäter. Trotzdem versuchte die orthodoxe Kirche im Rahmen ihrer Möglichkeiten, an die mutigen Widerstandskämpfer zu erinnern. Nach der Wende von 1989 initiierte Jaroslav Šuvarský die Entstehung einer Gedenkstätte in der Krypta.



Krypta  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich habe damals Präsident Václav Havel kontaktiert. Mit meiner Frau arbeitete ich den Entwurf für die nationale Gedenkstätte aus. Viel Verständnis für den Entwurf zeigten damals fast alle Institutionen, die wir angesprochen haben. Das Projekt habe ich Anfang der 90er Jahre auch in Großbritannien und in den USA vorgestellt. Um die Gedenkstätte einrichten zu können, musste vor allem auch ein neuer Eingang in die Krypta erbaut werden. Am 28. September 1995 wurde die Gedenkstätte eröffnet. Das kleine Museum im Vorraum sowie die als Gedenkort gestaltete Krypta werden jährlich von rund 25.000 Menschen besucht. Unter ihnen sind sehr viele Schulklassen. Wir machen für sie Führungen und zeigen ihnen Dokumentarfilme. Ich habe mehrmals erlebt, dass dieser Ort auch bei Teenagern, die scheinbar desinteressiert sind, doch viel Interesse weckt. Ich bin froh, den jungen Menschen heutzutage sagen zu können, dass die Tschechen auch ihre Helden haben. Als Begründer der Gedenkstätte freut mich das sehr.“

Krypta  (Foto: Martina Schneibergová)
Vor zwei Jahren wurde die Ausstellung in der Gedenkstätte in Zusammenarbeit mit dem Prager Militärhistorischen Institut neu gestaltet. Im Vorraum wird die Geschichte der Fallschirmspringer geschildert. Zu sehen sind auch einige Gegenstände, die den Heydrich-Attentätern gehört haben. Die Krypta wurde in den ursprünglichen Stand gesetzt. Der dunkle, feuchte Raum, in den das Licht nur durch ein kleines Fenster gelangt, vermittelt eine Vorstellung davon, wie sich die dort versteckten Widerstandskämpfer damals fühlen mussten.

Die Gedenkstätte für die Heydrich-Attentäter in der Resslova-Straße ist stets von 9 bis 17 Uhr geöffnet, und zwar von März bis Oktober dienstags bis sonntags und von November bis Februar von Dienstag bis Samstag.