Tschechische Akademie der Wissenschaften: Chancen für Top-Forscher aus dem Ausland
In der Tschechischen Republik gibt es neben den klassischen Hochschulen eine weitere Forschungsinstitution: die Akademie der Wissenschaften. Sie betreibt wissenschaftliche Grundlagenforschung und berät die Regierung in Sachen Forschung und Entwicklung. Seit dem vergangenen Jahr hat sich für die dort Beschäftigten einiges geändert, denn es wurden leistungsgerechte Beurteilungen eingeführt und die Laufzeit der Arbeitsverträge an bestimmte Leistungen gebunden. Zudem möchte der Vorsitzende die Akademie internationalisieren und ausländische Spitzenforscher nach Tschechien holen. Radio Prag hat mit drei deutschsprachigen Forschern, die bereits in Tschechien arbeiten, gesprochen.
„Es ist nicht gerade so, dass sich massenhaft ausländische Kollegen bewerben würden. Die Bedingungen bei uns sind auch nicht wirklich vergleichbar mit renommierten Instituten im Ausland, vor allem was wir finanziell anbieten können. Hinzu kommt auch noch ein Umzug für mindestens fünf Jahre nach Prag, Brünn oder zum Beispiel nach Budweis. Das sind nicht gerade Idealbedingungen, aber wir bemühen uns trotzdem.“
Aber es gibt bereits einige Wissenschaftler, die ihre Karriere in Tschechien verfolgen. Ihre Wege an die Akademie in Tschechien sind dabei sehr unterschiedlich verlaufen. Michael Wögerbauer ist Österreicher und seit 2010 Leiter der Abteilung für Soziologie der Literatur am Institut für tschechische Literatur:„Es war ein Zufall: Ich war zuerst Fremdsprachenlektor für deutsche Sprache an der Universität Pilsen und habe während dieser Zeit meine Dissertation geschrieben. Und da die Dissertation zu einer Abteilung gepasst hat, die gerade an der Akademie in der Gründung begriffen war, wurde ich eingeladen, dort in meinem Fachgebiet mitzumachen.“
Der Informatiker Stefan Ratschan ist ebenfalls Österreicher und auch schon ein Veteran an der Akademie, er ist seit fünf Jahren in Prag als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik der Akademie beschäftigt:„Ich habe mich einfach informiert, welche Möglichkeiten es dort so gibt, und dann habe ich das Institut gefunden. Sie haben mit grundsätzlichem Interesse reagiert, ich sollte sie einfach einmal besuchen, und dann hat sich das so ergeben. Zufällig gab es eine Gruppe, die thematisch gepasst hat, und es war auch eine Zeit, in der es finanziell gut ausgesehen hat. Damals hatten sie die Möglichkeit, Leute neu anzustellen. Deshalb hat es gepasst.“
Der Slawist und Osteuropahistoriker Alexander Kratochvil dagegen ist einer derjenigen, die durch ein aktives Programm der Akademie nach Tschechien gekommen sind:
„Ich war, bis ich hierher kam, in Berlin, an der Slawistik der Humboldt-Universität. Und dann habe ich von der Ausschreibung eines Fellowships der Akademie der Wissenschaften erfahren, das für alle Fachrichtungen offen ist.“Das Jan-Evangelista-Purkyně-Fellowship soll die Akademie für ausländische Wissenschaftler attraktiv machen oder aber tschechische Wissenschaftler aus dem Ausland zurückholen. Dazu nimmt die Akademie viel Geld in die Hand, um die Gehälter der Forscher dem europäischen Durchschnitt anzupassen. Kratochvil erklärt, wie ein solches Fellowship funktioniert:
„Das Purkyně-Fellowship wird einmal im Jahr ausgeschrieben, es gibt aber kein konkretes Bewerbungsdatum. Man bewirbt sich auch nicht direkt, sondern das Institut, an dem man später arbeiten wird, bewirbt sich um das Stipendium und schlägt einen als Kandidaten vor. Man arbeitet dann mit dem Institut zusammen, liefert die notwendigen Informationen, und das Institut stellt den Antrag für dieses Fellowship und begründet, warum es genau diesen Kandidaten haben möchte.“
Nun möchte der Vorsitzende der Akademie Drahoš aber noch einen Schritt weitergehen. Er will die Wissenschaftler dauerhaft an das Land binden und ihnen auch Führungspositionen zugänglich machen:„Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir ausländische wissenschaftliche Mitarbeiter haben, die sich bei uns niederlassen, sei es nur für ein paar Jahre oder auch für längere Zeit. Es wäre also ideal, wenn auch in die Führungsebenen der Akademie renommierte ausländische Wissenschaftler einzögen. Bisher veröffentlichen wir im Ausland aber noch keine Ausschreibungen für Direktorenposten.“
Am Institut für tschechische Literatur hat man allerdings direkt einen Ausländer für die internationale Zusammenarbeit eingesetzt. Michael Wögerbauer erklärt seine Rolle in der Leitung des Instituts:
„Der Abteilungsleiter, der mich an das Institut geholt hat, wurde Institutsdirektor und hat mir angeboten, seine Abteilung zu leiten. Da er gleichzeitig die Strategie verfolgt, die Akademie beziehungsweise unser Institut zu internationalisieren und mir das Knüpfen von Kontakten mit ausländischen Kollegen durchaus Spaß macht, hat er mir angeboten, das Institut besser international aufzustellen, in der Funktion eines stellvertretenden Direktors für internationale Zusammenarbeit.“
Finanziell versucht die Akademie, die Bedingungen für Wissenschaftler durch Fellowships zu verbessern, aber wie ist die Arbeitsumgebung für ausländische Wissenschaftler an ihren Arbeitsplätzen? Akzeptieren die Kollegen sie, ist die Sprache ein Hindernis? Noch einmal Michael Wögerbauer:
„An unserem Institut ist Tschechisch natürlich Vorraussetzung dafür, dass man hier arbeiten kann. Ich weiß allerdings von anderen Institutionen, dass dort die Verkehrssprache in der Abteilung und vor allem die Publikationssprache Englisch ist. Ich kann mir vorstellen, dass man in vielen mathematischen beziehungsweise naturwissenschaftlichen Instituten nicht unbedingt Tschechisch sprechen muss.“
Obwohl Tschechischkenntnisse für den Informatiker Ratschan nicht zwingend vorgegeben waren, war es doch wichtig, sich die Sprache anzueignen:
„Am Anfang konnte ich mehr oder weniger kaum Tschechisch, aber ich habe mich wirklich sehr stark bemüht, es möglichst schnell so zu lernen, dass ich auch auf Tschechisch funktionieren kann. Und ich muss sagen, in meiner Position würde es auch nicht ohne Tschechisch gehen - vielleicht in einer geringeren Position, als Doktorand, aber nicht in meiner Position.“Mit den grundsätzlichen Arbeitsbedingungen ist er zwar zufrieden, sieht aber im tschechischen Wissenschaftsbetrieb noch Handlungsbedarf:
„Ich arbeite an der Grenze zwischen Mathematik und Informatik, dort brauche ich eigentlich nur Papier, Bleistift und einen Computer. Und vielleicht Bücher und einen Zugang zu Zeitschriften. Das ist vorhanden, ist aber auch nicht wirklich schwierig zur Verfügung zu stellen. Eine andere Sache ist die organisatorische Seite, weil das tschechische Wissenschaftssystem noch nicht darauf eingestellt ist, Ausländer aufzunehmen. Die Grundannahme ist, dass ein Wissenschaftler sein ganzes Leben an der gleichen Institution verbringt. Und dadurch ist es schon um einiges schwieriger, als Externer irgendwo hineinzukommen und das organisatorisch so zu gestalten, dass das auch wirklich funktioniert.“
Trotz dieser kleineren Schwierigkeiten, die sich wahrscheinlich nur durch forcierte Internationalisierung beheben lassen, ist das Interesse an einer Stelle bei der tschechischen Akademie der Wissenschaften im Ausland nicht gering, wie Michal Wögerbauer weiß:
„Bei der letzten Ausschreibung, die wir jetzt vor kurzem veröffentlicht haben, haben sich 35 Leute auf eine Stelle beworben. Die Tendenz ist eindeutig, dass das Interesse an solchen Stellen zunimmt.“
Für Wissenschaftler ist aber auch interessant, dass sie in Tschechien einfach auch andere Möglichkeiten der Selbstverwirklichung haben, als es zum Beispiel in Deutschland möglich wäre. Das war für Alexander Kratochvil ein wichtiger Faktor:
„Was mich besonders gereizt hat, war die Aussicht, hier in einem Team zu arbeiten, dass sich hauptsächlich mit Forschung beschäftigt, und außerdem die Chance, selbst ein kleines Forscherteam aufzubauen. In Deutschland, oder im deutschsprachigen Raum insgesamt, ist die Forschungslandschaft anders organisiert. Um etwas Vergleichbares zu machen, müsste man im Prinzip eine Professur bekommen, und selbst dann müsste es eine große Professur sein.“Die altehrwürdige Akademie der Wissenschaften ist also auf dem Weg, sich ein neues Gesicht zu geben – und auch ein internationaleres.