Tschechien streitet und zögert in Sachen Euro-Rettung
Dass die Tschechische Republik von seinen Exporten in die Länder der Eurozone profitiert, ist weitgehend unbestritten. Doch ob sich das Land, auch wenn es noch nicht den Euro eingeführt hat, an der Stabilisierung der Gemeinschaftswährung beteiligen soll, darüber herrscht Streit in der tschechischen Politik.
Aber im Grunde genommen wird über die Euro-Rettung schon seit Dezember vergangenen Jahres gestritten. Auf dem damaligen EU-Gipfel wurde vorgeschlagen, dass sich Tschechien als Nicht-Mitglied der Eurozone an der Rettung der Währung beteiligen soll und zwar in Form eines Darlehens in Höhe von knapp 90 Milliarden Kronen, umgerechnet 3,6 Milliarden Euro, an den Internationalen Währungsfonds.
Regierungschef Petr Nečas hatte damals zurückhaltend reagiert und auch in der vergangenen Woche hielt er sich mit seiner ablehnenden Haltung nicht zurück:„Entweder wird die tschechische Regierung entscheiden, dass sie sich nicht an der Aufstockung ihrer Beiträge beteiligen wird und dann wird sie es auch mitteilen, oder aber sie sagt, dass sie sich beteiligen wird – auch wenn ich persönlich zurzeit dagegen bin. Dann muss sie im Stande sein zu garantieren, dass sie diese Mittel zur Verfügung gestellt bekommt.“
Wenn schon der Regierungschef andeutet, dass er eigentlich gegen eine Hilfe von tschechischer Seite ist, kann dann die Regierung überhaupt anders entscheiden, als abzulehnen? Oder mit anderen Worten: Kann das Kabinett seinen Regierungschef einfach überstimmen? Dazu sagt der Staatssekretär für Europaangelegenheiten Vojtěch Belling, der einer der Unterhändler Tschechiens in Sachen Euro ist, gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:„Die Regierung ist ein Kollektivorgan. Wenn der Premier in seiner Haltung alleine wäre, dann kann ihn die Regierung natürlich überstimmen. Aber derzeit kann man von nichts dergleichen ausgehen, angesichts der Haltung, die die übrigen Regierungsparteien bereits bekannt gegeben haben.“
In erster Linie gehe es darum, die konkreten Rahmenbedingungen eines möglichen Kredits an den IWF abzustecken:„Jetzt muss zunächst in Erfahrung gebracht werden, zu welchen konkreten Bedingungen dieser Kredit dem Internationalen Währungsfonds gewährt werden soll. Auch seine Höhe ist noch nicht ganz sicher. Wir haben zweifellos ein großes Interesse an einer stabilen Eurozone und sind auch bereit dazu in gewisser Weise beizutragen, aber wir müssen die Frage stellen, wie konkret eine solche Hilfe aussehen sollte. Man kann nicht einfach jemandem Geld leihen, ohne nach den Bedingungen zu fragen. Es handelt sich also um keine einfache Entscheidung, deren Antwort man auf ´Ja´ oder ´Nein´ reduzieren könnte. Wir wollen zusätzliche Informationen, und zum jetzigen Zeitpunkt verschließen sich weder die Regierung noch der Premier der einen oder anderen Haltung.“
Aber nicht nur das „Ob“, sondern auch das „Wie“ ist entscheidend: Das heißt: Wo die fast 3,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds hergenommen werden sollen, ist bislang noch nicht ausreichend geklärt. Der ursprüngliche Vorschlag, der nach dem EU-Gipfel im Dezember vergangenen Jahres verbreitet wurde, lautete, auf einen Teil der Devisenreserven der Notenbank zurückzugreifen. Dies scheint jedoch nicht besonders wahrscheinlich, auch weil im Zentralbankrat die Skeptiker gegenüber dem Euro überwiegen. Im Fall einer Zustimmung der Regierung müssten daher auch andere Quellen in Betracht gezogen werden, wie Europastaatssekretär Belling hinzufügt:„Uns geht es vor allem um die Sicherheit, dass eine mögliche finanzielle Hilfe wirklich dort hinkommt, wo sie auch gebraucht wird. Diese Hilfe muss Sinn haben, es müssen sich auch alle Schlüsselmitglieder der Europäischen Union an ihr beteiligen. Es geht aber nicht nur um die EU, sondern um alle anderen weltweiten Akteure, wie die G20. Im Fall, dass die Tschechische Nationalbank als unabhängige Institution den Kredit nicht aus dem Bereich der Devisenreserven gewährt, müsste die Regierung diese Mittel irgendwo anderswo suchen. Angesichts der Höhe der Kreditlinie würde das zu einer weiteren Verschuldung führen, was im Widerspruch zu den Verpflichtungen für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union stünde.“
Anders sieht die Lage der Volkswirt Luděk Niedermayer, der früher selbst einige Jahre Mitglied im Zentralbankrat sowie Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank war. Wird es seiner Meinung überhaupt zum „Anzapfen“ eines Teils der tschechischen Devisenreserven kommen?„Mir scheint das nicht besonders wahrscheinlich - und zwar auch deshalb, weil überhaupt nicht klar ist, welche Rolle die Devisenreserven spielen. Ich war lange in der Nationalbank für die Devisenreserven zuständig und habe nie den Eindruck erhalten, dass die Devisenreserven irgendeine private Angelegenheit der Notenbank wären. Devisenreserven dienen zur Stützung der Tschechischen Krone und der Volkswirtschaft. Sollte die Regierung entscheiden, es mache Sinn, einen Teil der Devisenreserven einzusetzen, dann kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sich die Notenbank dagegenstellen würde.“
Der frühere Vizegouverneur der Zentralbank ist zudem überzeugt, dass die Vorteile überwögen, wenn sich Tschechien an der Rettung der europäischen Gemeinschaftswährung beteiligen würde:„Ich glaube, dass der Anlass dies rechtfertigen würde. Zum einen sind die Devisenreserven der Nationalbank wirklich sehr hoch - und unser Problem war eher, dass wir versucht haben, den Umfang zu reduzieren. Zum zweiten besteht für unsere Volkswirtschaft das größte Risiko in einer möglichen Destabilisierung der Europäischen Union. Wenn wir auf irgendeine Weise zu mehr Stabilität beitragen können, dann liegt das in unserem Interesse. Zum dritten würde ich sagen, dass eine wichtige Voraussetzung dafür, dass unsere Wirtschaft mögliche Krisen überwindet, nicht darin besteht, ob unsere Devisenreserven um eine bis drei Milliarden höher sind. Sie hängt vielmehr davon ab, ob es ein tragfähiges System überregionaler Hilfe gibt, wozu auch der IWF gehört. Aus vielen Gründen bin ich überzeugt, dass die Gewährung eines Kredits an den Währungsfonds Sinn macht, und zwar nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus politischer Sicht.“