Chefredakteur Schubert: Radio Prag stets an der Spitze der Technik

Gerald Schubert (Foto: Kristýna Maková)

Aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums von Radio Prag gab auch der Chefredakteur des Senders, Gerald Schubert, ein Interview. Lothar Martin hat mit ihm gesprochen.

Gerald Schubert  (Foto: Kristýna Maková)
Gerald, Radio Prag feiert heute den 75. Geburtstag. Ein Dreivierteljahrhundert also, in dem es sicher sowohl Höhen als auch Tiefen gab. Was waren deiner Meinung nach besonders starke Momente von Radio Prag und wann war Radio Prag weniger präsent?

„Weniger präsent würde ich vielleicht nicht sagen. Das hängt von der Bedeutung ab, die man dem gesamten politischen Kontext beimisst. Während des Kommunismus hat Radio Prag natürlich in erster Linie der kommunistischen Propagandamaschinerie gedient. Ich glaube, die spannendste Zeit war wohl die direkt nach der Gründung in den späten 1930er Jahren. Denn man darf nicht vergessen, dass die damalige Tschechoslowakei eine der letzten Demokratien Europas gewesen ist. Daher kann man die Auslandssendungen des damaligen Tschechoslowakischen Rundfunks auch als Ruf der demokratischen Tschechoslowakei hinaus in das bereits nicht mehr demokratische Europa verstehen. Eine weitere sehr wichtige Phase ist der Prager Frühling. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass 1968, als im Frühjahr die Zensur hierzulande abgeschafft worden ist, die DDR-Behörden begonnen haben, das Signal der deutsprachigen Sendungen von Radio Prag zu stören. Man sollte sich auf der Zunge zergehen lassen, dass man die Störsender von den westlichen Sendern weggerichtet und auf das sozialistische Bruderland Tschechoslowakei umorientiert hat. Offensichtlich war das, was hier über den Äther gekommen ist, für die DDR-Behörden gefährlicher als das, was aus dem Westen kam. Und zu guter Letzt möchte ich noch hinzufügen, dass auch die Gegenwart für uns von Bedeutung ist. Die Grenzen in Europa sind gefallen. Wir haben das Ende der bipolaren Welt erlebt und in diesem Zusammenhang kann es nie genug Informationen über die Nachbarn geben.“

Als 75-Jähriger zählt man in der Gesellschaft quasi schon zum alten Eisen. Trifft das auch auf Radio Prag zu oder ist der Sender im Laufe der Jahre stets den neusten Trends gefolgt und so jung und modern geblieben? Welche wichtigen Entwicklungen hat Radio Prag mitgemacht?

„Die technische Entwicklung hat uns natürlich immer geprägt und wir haben immer versucht, dieser Entwicklung auch Rechnung zu tragen. Radio Prag war zum Beispiel der erste Sender innerhalb des Tschechischen Rundfunks, der überhaupt eine Internetseite eingerichtet hat. Daran sieht man, dass wir eigentlich nie zum alten Eisen gehören wollten, sondern immer an der Spitze der Technik mitgewirkt haben. Wir und viele unserer Stammhörer haben erlebt, dass die Kurzwelle leider den Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen ist. Teilweise kann man das verstehen. Die Kurzwelle ist ein Medium des Kalten Krieges und wird nun auch vom Internet verdrängt. Nichtsdestotrotz gäbe es viele Argumente, die Kurzwelle zu behalten. Leider haben wir dafür keine finanziellen Mittel, aber wir versuchen gerade durch das Internet auf dem neuesten Stand zu bleiben und beispielsweise Podcasts anzubieten. Auch in Zukunft erwarten uns einige Neuerungen, wie zum Beispiel Applikationen für Handys. Radio Prag ist nach wie vor dabei, die technische Entwicklung mit nachzuvollziehen.“

Wenn wir in die nähere Zukunft schauen, sagen wir auf das vierte Vierteljahrhundert des Senders, worin siehst du die Perspektive von Radio Prag?

„In diesem Zusammenhang fällt mir ein guter Vergleich ein. Als der Science-Fiction-Autor Jules Verne im 19. Jahrhundert über die Mondlandungen geschrieben hat, hatte er ziemlich konkrete technische Vorstellungen. Er wusste, dass man die Erdanziehungskraft überwinden muss, und dass der Mond keine Atmosphäre hat, man dort nicht atmen kann und man deswegen entsprechende Maßnahmen treffen muss. Was er nicht vorausgesehen hat ist, dass 500 Millionen Leute live dabei sein werden. Die Entwicklung der Medientechnologie ist wohl diejenige, die sich am schwersten einschätzen lässt, und auch ich möchte da nicht vorgreifen. Wichtig ist, dass wir auch noch in einem Vierteljahrhundert in einem freien Rundfunk arbeiten und in einem freien und demokratischen Staat leben können, in dem Informationen weiter einen gewissen Stellenwert und auch einen gewissen finanziellen Wert haben.“