Hašek nach dem Rücktritt: Habe getan, was möglich war – Nun müssen andere ran

Ivan Hašek (Foto: ČTK)

Der tschechische Fußball hat momentan keinen Kapitän – und auch keinen Steuermann. Deshalb treibt das institutionelle Flaggschiff, das sich seit gut zwei Wochen Fußball-Assoziation der Tschechischen Republik (FA ČR) nennt, derzeit führungslos in unruhigen Gewässern umher. Ob das Flaggschiff in naher Zukunft einen sicheren Hafen erreicht, steht noch in den Sternen. Der überraschende Rücktritt des einstigen Verbandschefs Ivan Hašek hat die größte Stütze weggerissen im ohnehin morschen Gebälk des Verbandes. Im Tschechischen Rundfunk hat Hašek daraufhin Stellung bezogen und erklärt, warum er so eilig als Trainer in die Vereinigten Arabischen Emirate zurückgekehrt ist, oder wie es seiner Meinung nach nun in der Führungsetage des Verbandes weitergeht.

Tschechisches U-17-Team  (Foto: ČT24)
Wo man dieser Tage auch hinschaut, überall rollte und rollt der Fußball auf höchstem Niveau: bei der Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland, der U-17-WM der Junioren in Mexiko oder der Südamerika-Meisterschaft in Argentinien. Die Frauen-WM war eine Nummer zu groß für die wenigen guten Fußballerinnen, die aus Tschechien kommen. Sie konnten sich nicht für das Großereignis in Deutschland qualifizieren. Und das tschechische U-17-Team kam bei der WM in Mexiko nicht über den letzten Platz in der Vorrunden-Gruppe D hinaus. Selbst die U-21-Auswahl, im Juni mit vielen Vorschlusslorbeeren zur Europameisterschaft nach Dänemark gereist, blieb als Vierter des Turniers hinter den Erwartungen zurück.

Ivan Hašek  (Foto: ČTK)
Sind die Erfolge im internationalen Fußball für die Tschechinnen und Tschechen also auch weiterhin ziemlich dünn gesät, so sieht es auf der Funktionärsebene jetzt sogar noch düsterer aus. 16 Jahre lang, seit der Gründung des Böhmisch-Mährischen Fußballverbandes (ČMFS) im Jahr 1993, hat der Fußball in Tschechien bestenfalls stagniert, weil er unter den drei Verbandsvorsitzenden mehr heruntergewirtschaftet denn gefördert wurde. Ivan Hašek, vor zwei Jahren mit großer Mehrheit zum vierten Verbandschef gewählt, sollte und wollte das ändern. Jetzt aber, nach nur zwei Jahren, stieg er aus und rechtfertigte seinen Schritt wie folgt:

„Das war ganz bestimmt keine leichte Entscheidung für mich, auch wenn ich es von Anfang an im Kopf hatte, dass ich nach zwei Jahren aufhören werde. Aber glauben Sie mir, es war wirklich nicht leicht, das dann auch allen bei der Vollversammlung live zu sagen. Wenn die Vollversammlung wie geplant schon im Februar stattgefunden hätte und die neuen Statuten schon damals verabschiedet worden wären, dann hätte ich meine Amtszeit auch schon im Februar beendet. Weil die Statuten aber nicht behandelt wurden und der Termin der Vollversammlung auf Juni verlegt wurde, bin ich erst im Juni gegangen.“

Ivan Hašek wollte also – seinen eigenen Vorstellungen zufolge – stets nur binnen zwei Jahren die zwingend notwendigen Veränderungen auf der Verbandsebene in die Wege leiten und dann das bestellte Feld von einem Nachfolger weiter bearbeiten lassen. Warum aber hat er sich dann vor zwei Jahren überhaupt für eine vierjährige Amtszeit wählen lassen? Dazu sagte Hašek:

Illustrationsfoto
„Es gab niemand anderen als mich, der sich zur Wahl stellte. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte ich mich zu dieser Kandidatur auch nicht bewegen lassen. Ich selbst habe jedoch auch keine andere Person gesehen, die für den Posten des Verbandschefs in Frage gekommen wäre, auch keine, die nicht durch ihre Vergangenheit belastet war. Deshalb musste ich kandidieren. Das habe ich gemacht und daraufhin zwei Jahre meines Lebens geopfert. Ich habe alle meine Zeit, meine Kräfte und meinen Elan in diese Funktion gesteckt. Nach den zwei Jahren bin ich etwas erschöpft, kann andererseits aber erhobenen Hauptes in den Spiegel schauen. Manche sehen es als Verrat oder Betrug an, dass ich jetzt gegangen bin, und denjenigen kann ich das nicht einmal übel nehmen. Ich von meiner Seite kann nur sagen: Ich habe mich bemüht, damit es innerhalb des tschechischen Fußballs zu Veränderungen kommt, denn die Leute, die früher den Verband geführt haben, haben uns zum Narren gehalten.“

Ehemaliger Verbandspräsident František Chvalovský  (Foto: Lidovky.cz)
Warum dann aber die Geheimniskrämerei um sein vorzeitiges Ende als Verbandschef? Von seinem Rücktritt hatte er nur ein Vorstandsmitglied informiert. Hätte Hašek nicht mehreren Leuten vor der Vollversammlung reinen Wein einschenken und ihnen seine Absichten verraten können? Hašek verneint:

„Ich konnte das nicht eher sagen, weil ich damit die bei der Vollversammlung anstehenden Entscheidungen hätte gefährden können. Zum Beispiel die Verabschiedung der neuen Statuten, die sehr wichtig sind für die Zukunft des gesamten tschechischen Fußballs.“

Für den tschechischen Fußball aber ganz besonders wichtig sind die Weichenstellungen in personellen Fragen. Nach dem Ende der wenig rühmlichen Ären der ehemaligen Verbandspräsidenten Chvalovský, Obst und Mokrý hatte das Fußballvolk vor zwei Jahren gerade in der Übernahme der Amtsgeschäfte durch Ivan Hašek den Schritt für einen hoffnungsvollen Neubeginn gesehen. Jetzt aber, nach nur 24 Monaten, verließ Hašek bereits die Kommandobrücke, was ihm viele – allen voran einige Medien – ziemlich übel nahmen. In einigen Zeitungen musste Hašek daher auch Beschimpfungen wie „Feigling“ oder „falscher Messias“ über sich ergehen lassen. Nicht wenige Fußballfreunde und -experten glauben nämlich, dass jetzt wieder die Vertreter der alten Seilschaften ans Ruder kommen und sie den alten Kurs wieder einschlagen könnten. Ivan Hašek sieht diese Gefahr zwar auch, bleibt aber trotzdem optimistisch:

Ivan Hašek
„Natürlich erhöhen sich jetzt auch wieder die Aktivitäten unter den Funktionären, die durch die Hintertür in die oberste Verbandsetage zurückkehren wollen. Es wäre aber nicht gut, wenn es jemandem aus der früheren Verbandsführung tatsächlich gelingen würde, diesen Schritt zu vollziehen. Unter meinen ehemaligen Mitarbeitern sind mehrere kompetente Leute, die in der Lage sind, an die Arbeit anzuknüpfen, die wir bisher vollbracht haben. Und ich bin überzeugt davon, dass sie das auch tun werden. Sie werden an das Positive anknüpfen, was wir auf den Weg gebracht haben, und sie werden jetzt die Dinge angehen, die wir noch nicht geschafft haben.“

Eine der vorrangigsten Aufgaben, die weiter zu lösen sind, ist die Bekämpfung der Korruption. Für Hašek ist sie ein Spiegelbild der tschechischen Gesellschaft, die leider auch nicht vor dem Fußball, seinen Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und Funktionären Halt mache. Dennoch, so Hašek, müsse man auch auf diesem Gebiet weiter fortschreiten.

Club Al-Ahli  (Foto: Archiv von Club)
„Man kann schon sagen, dass auf diesem Gebiet noch einiges getan werden muss. In der Zukunft müssen da noch viele Dinge geändert werden. Gegenwärtig aber, so glaube ich, haben wir getan, was möglich ist. Wir haben Barrieren geschaffen, um der Korruption zu begegnen und zu verhindern, dass sie weiter ausufert.“

Ivan Hašek aber, der als Cheftrainer zum arabischen Spitzenclub Al-Ahli Dubai zurückgekehrt ist, wird diese und andere Verbandsaufgaben nicht mehr lösen. Der 47-jährige Jurist glaubt zwar fest daran, dass sich unter seinen ehemaligen Mitstreitern ein geeigneter Nachfolger finden lasse, doch konkrete Namen wollte er nicht nennen. Dafür machte Hašek klar, welches Anforderungsprofil der Neue erfüllen müsse:

Foto: Kristýna Maková
„Ich denke, dass mein Nachfolger durchaus einiges bewegen kann. Es liegt aber an ihm, ob er eine starke Persönlichkeit ist oder nicht. Entweder er lässt sich von seinem Umfeld beeinflussen oder er kann sich davon frei machen und versteht es zu kämpfen. Ich denke, mir kann niemand nachsagen, dass ich mich von anderen um den Finger habe wickeln lassen, dass ich die Interessen der einen oder anderen Gruppe bevorzugt habe. Ich war stets völlig frei in meinen Entscheidungen.“

Wer nun in die Rolle von Ivan Hašek schlüpfen soll, das wird frühestens am 16. September entschieden. Dann nämlich soll eine außerordentliche Vollversammlung des Fußballverbands der Tschechischen Republik stattfinden, bei der man einen Nachfolger für den einstigen Hoffnungsträger finden will.

Autor: Lothar Martin
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