Libuše Černá – 100 Musiker, zwei Nationen und ein Projekt

Prager Studentenorchester

Zu Gast in der Sendung „Heute am Mikrofon“ ist eine Kollegin, die viele Hörer vielleicht schon kennen gelernt haben. Sie ist Rundfunk-Redakteurin und – so kann man sie vielleicht bezeichnen – tschechisch-deutsche Kulturmanagerin, und zwar aus Leidenschaft: Libuše Černá.

Prager Studentenorchester
Libuše Černá, Sie sind eine Kollegin, Redaktionsleiterin bei Radio Bremen. Aber nicht nur das. Sie sind ganz intensiv engagiert in den deutsch-tschechischen Beziehungen und das vor allem auf kulturellem Gebiet. Sie haben es jetzt mit dem Verein Porta Bohemica auf die Beine gestellt, 60 Sänger vom Bremer RathsChor und 40 Musiker vom Prager Studentenorchester zusammenzubringen. Was passiert da?



Bremer RathsChor  (Foto: R. Kuhlemann,  Flickr)
„Die beiden Ensembles treten zum einen zusammen auf, wir haben sie zusammengebracht. Das Besondere dabei ist, dass der Bremer RathsChor ein eher älteres Ensemble ist, ein gediegenes Ensemble. Und das Prager Studentenorchester – wie man schon am Namen erkennt – ist ein junges Ensemble. Der jüngste Geiger ist gerade einmal 13 Jahre alt. Und das ist das Spannende an diesem Projekt, dass hier junge Leute mit älteren Zusammenkommen. Und dann kommen Tschechen aus Prag zusammen mit den Deutschen aus Bremen und treten zusammen auf. Das hört sich ganz einfach an, so einfach war das aber nicht. Wir haben jetzt schon Anfang Juni begonnen - die Prager sind nach Bremen gekommen, haben dort mit dem Chor zusammen geprobt, sind dann auch ein Mal in Bremen aufgetreten, und nun treten Sie in Prag und in Lidice auf.“

Lidice
Und da sind wir auch schon beim Anlass. Dass diese Zusammenarbeit jetzt gerade Anfang Juni stattfindet, ist kein Zufall. Jetzt am 9. Juni gibt es einen traurigen Jahrestag. Lidice ist das Stichwort. In welchem Zusammenhang steht das mit Ihrer musikalischen Aktivität und Zusammenarbeit?

„Es war uns ganz wichtig, dass es hier nicht nur um eine Begegnung von Musikern geht, sondern dass dies in einem politischen Rahmen stattfindet. Und deswegen haben wir von Anfang an geplant, dass zu der Konzertreihe auch ein Konzert in Lidice stattfindet - am Vorabend, am 8. Juni. Und dort wird das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart gespielt und gesungen, das auch in Tschechiens sehr bekannt ist. Ich kann noch dazu sagen, dass wir nicht per Zufall mit dem Prager Studentenorchester zusammenarbeiten. Wir haben schon vor vier Jahren mit diesem Ensemble zusammengearbeitet. Damals haben wir hier in Prag die Kantate ´in memoriam Petr Ginz´ aufgeführt. Und da wurden die Sänger – das waren damals Jugendliche, die gesungen haben – vom Prager Studentenorchester begleitet. Und so entstand die Zusammenarbeit, die wir jetzt wieder aufgenommen haben.“

Lidice in 1942
Sagt man einem Tschechen das Wort, den Namen „Lidice“, dann weiß er sofort, was damit verbunden ist; nämlich das Massaker aus dem Jahre 1942, das deutsche Soldaten, deutsche SS-Truppen dort begangen haben. Das ganze Dorf wurde dem Erdboden gleich gemacht, alle Menschen wurden getötet oder ins Konzentrationslager deportiert. Sagt das einem Deutschen etwas – „Lidice“?

Libuše Černá
„Ich würde sagen, allgemein ist das nicht vergleichbar, das ist natürlich nicht so bekannt. Im Moment ist das in Prag auch durch den Film, der jetzt seine Premiere hatte, sehr präsent; auch durch den Jahrestag. In Deutschland ist dieser Begriff nicht so bekannt, würde ich sagen. In Bremen ist das ein bisschen anders, weil dort vor 24 Jahren – also im nächsten Jahr werden 25 Jahre gefeiert – die so genannte Lidice-Initiative gegründet wurde. Die agiert inzwischen bundesweit, auch eher unter den Leuten, die sich für die historische Entwicklung interessieren. Aber immerhin gibt es diese Initiative, und sie pflegt dieses Andenken an diesen Ort und an dieses Massaker.“



Libuše Černá, wenn wir noch mal auf diese musikalische Aktion zurückkommen, die jetzt ansteht – am Dienstag (07.06.) in der Prager Kirche U Salvátora, am Mittwoch dann in Lidice selbst. Wenn man solch eine musikalische Großveranstaltung – und dazu noch bilateral – durchführt, dann braucht man unwahrscheinlich viel Geld. Wie haben Sie das gemacht?

„In der Tat, man braucht ganz viel Geld, obwohl die Musiker natürlich alle honorarfrei auftreten. Aber das sind hundert Leute, die hin und her bewegt werden zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik. Und die müssen alle etwas essen, die müssen irgendwo übernachten, die müssen auch transportiert werden. Da kommt jede Menge zusammen, und das war gar nicht so einfach, so viel Geld zusammenzukriegen. Wir sind ein ganz kleiner Verein; wir waren natürlich auf Spenden angewiesen. Und ich muss sagen, dass wir von vielen Stiftungen in diesem Jahr auch eine Ablehnung bekommen haben. Ich fand das etwas verwunderlich. Aber ich hatte den Eindruck, dass dieses Thema inzwischen sehr unbequemes Thema geworden ist, dass man das eigentlich nicht so richtig hören will. Und umso wichtiger ist es für uns, dass wir eine Unterstützung zum Beispiel von dem Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds bekommen haben. Wir haben auch die Unterstützung vom Bremer Kultursenator und von einigen Stiftungen; zum Beispiel auch von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, und das fand ich ganz toll.“

Libuše Černá von Radio Bremen und vom Verein Porta Bohemica – unwahrscheinlich aktiv im kulturellen Austausch zwischen Tschechien und Norddeutschland. Herzlichen Dank für das Gespräch!