Direktwahl des Präsidenten: Der Wille ist da, der Weg noch nicht

Sie gehört schon seit Jahren zu den Themen in der tschechischen Innenpolitik, wird von fast allen politischen Parteien offiziell unterstützt und von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht, ist aber dennoch immer noch nicht politische Wirklichkeit: die Einführung der Direktwahl des tschechischen Staatspräsidenten. Fast genau zwei Jahre vor der nächsten Wahl des Staatsoberhaupts wollen nun die wichtigsten Parteien rechtzeitig alle Vorkehrungen treffen, damit eine Volkswahl des Präsidenten bereits 2013 stattfinden kann.

Parlamentswahlen  (Foto: Kristýna Maková)
Diese Woche soll die Entscheidung fallen über den künftigen Wahlmodus des tschechischen Präsidenten. Die Parteien der gegenwärtigen Mitte-Rechts-Koalition wollen dazu eine Grundsatzeinigung mit den oppositionellen Sozialdemokraten. Denn ohne deren Unterstützung fehlt in den beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit, mit der man die Verfassung ändern kann.

In vielen europäischen Staaten, wie auch den meisten Nachbarländern Tschechiens, wird der Präsident direkt vom Volk gewählt. Es gibt also genügend Modelle dafür, wie die Volkswahl technisch durchgeführt werden könnte. In der tschechischen Regierung wurden gleich drei Modelle diskutiert.

Václav Klaus bleibt im Amt,  bis ein neuer Präsident in 2013 gewählt ist  (Foto: Kristýna Maková)
Nach dem ersten Modell, das ursprünglich von der stärksten Regierungspartei, der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) favorisiert wurde, würde ein Kandidat bereits mit einer einfachen Mehrheit ins Präsidentenamt gehievt. Die beiden anderen Vorschläge lehnen sich an den Wahlmodus des Senats an. Dort ist eine Stichwahl der beiden erstplatzierten Bewerber vorgesehen, falls es keinem der Kandidaten gelingt, schon im ersten Durchgang die absolute Stimmenmehrheit zu erlangen.

Und damit die Qual der Wahl noch größer ist, hat die mitregierende Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, die sich die direkte Demokratie ganz besonders oft auf ihre Fahnen geschrieben hat, vergangene Woche noch ein weiteres Modell präsentiert. Demnach sollten die Wähler die Möglichkeit bekommen zu entscheiden, welchen Kandidaten sie gerne an erster, zweiter und an den weiteren Stellen wünschen.

Jiří Pospíšil  (links) und Stanislav Křeček  (rechts). Foto: ČTK
Die Vorschläge der Regierung, die nun zur Diskussion stehen, wurden von Justizminister Jiří Pospíšil ausgearbeitet. Er erfüllt damit seinen Worten zu Folge einen wichtigen Punkt des Koalitionsvertrags, wie er in der sonntäglichen Diskussionsrunde im privaten TV-Sender Prima erklärte:

„Ich gehöre zu jenen Leuten, die sich an das Motto halten, dass man Verträge einhalten sollte. Wir haben im Koalitionsvertrag die Direktwahl vereinbart und das sogar als eine der Prioritäten der Regierungskoalition - und ich werde alles dafür tun, damit dieser Vertrag erfüllt wird. Ich glaube, die Chance, dass die Direktwahl eingeführt wird, ist in den vergangenen zehn Jahren noch nie so groß gewesen wie jetzt. Ob aber eine Einigung tatsächlich gelingt, werden wir diese Woche am Donnerstag sehen.“

Senat
Wie sich allerdings in der Talkrunde am Sonntag zeigte, bleiben noch viele wichtige Details offen. An erster Stelle steht das Begleitgesetz, das technisch den Übergang von der Parlamentswahl hin zur Direktwahl regelt. Auf dieses bezog sich der zweite Teilnehmer der Debatte, der sozialdemokratische Rechtsexperte Stanislav Křeček:

„Wir können doch nicht so unverantwortlich sein, dass wir die bestehenden Zusammenhänge verdrängen. Das heißt, dass wir regeln müssen, wer das Nominierungsrecht bekommen soll, ob die Wahl über eine oder zwei Runden laufen soll usw. Das sind alles sehr komplizierte juristische Fragen, und wir können nicht einfach und bar jeder Verantwortung beschließen, dass wir eine Direktwahl einführen.“

Stanislav Křeček und Jiří Pospíšil
Eine weitgehende Einigkeit zwischen Regierung und Opposition scheint hingegen darüber zu bestehen, dass die Wahl über zwei Runden laufen soll. Die Sozialdemokraten wünschen daneben auch noch eine Präzisierung der Vollmachten des Staatspräsidenten, wie Stanislav Křeček erklärte:

„Bei der Direktwahl muss es zwei Runden geben, so wie es in Frankreich und den tschechischen Senatswahlen der Fall ist. Dann muss man aber auch die Stellung des Staatsoberhaupts in der Verfassung ändern. Dazu gehört dessen Abrufbarkeit, auch wenn diese in der Praxis wohl ein Problem darstellen würde. Und es gehört dazu, dass einige Entscheidungen, die der Präsident bislang im Alleingang treffen kann, künftig vom Premierminister gegengezeichnet werden müssen. Wir wollen verhindern, dass es faktisch zu einer Stärkung des Staatspräsidenten im politischen System des Landes kommt, was auf ein Präsidialsystem wie in Frankreich hinauslaufen würde. Ziel muss sein, dass das Parlament nach wie vor der wichtigste Akteur in der Politik bleibt, damit wir kein Kanzlersystem erhalten.“

Foto: Tomáš Adamec,  Tschechischer Rundfunk
Dem widersprach allerdings Justizminister Pospíšil:

„Blicken wir auf die Kompetenzen des tschechischen Präsidenten, so sehen wir, dass praktisch keine großen Probleme bestehen. Einige Regelungen, die in der Vergangenheit für Diskussion gesorgt haben, wurden mit einem Spruch des Verfassungsgerichts gelöst. Ich habe Angst davor, jetzt über die Rechte des Präsidenten zu diskutieren und sie ändern zu wollen. Dann bin ich davon überzeugt, dass es auch in zwei Jahren noch keine Direktwahl geben wird.“

Die Frage, ob die gegenwärtigen politischen Eliten tatsächlich eine Änderung des Wahlmodus bei der Präsidentenwahl wollen, steht daher nach wie vor im Raum. Lässt sich ernsthaft erwarten, dass die Abgeordneten und Senatoren freiwillig auf einen Teil ihrer Kompetenzen verzichten werden? Petr Nováček vom Inlandsprogramm des Tschechischen Rundfunks, der als Korrespondent vor Ort schon viele Präsidentenwahlen mitverfolgt und analysiert hat, ist da ziemlich skeptisch:

Petr Nováček  (Foto: Miroslav Chnurik,  Tschechischer Rundfunk)
„Das wird natürlich niemand offen zugeben wollen, aber tatsächlich sehen viele Abgeordnete und Senatoren in der Präsidentenwahl schon fast ein Privileg. Aber das Gleiche trifft auch auf die politischen Parteien zu. Eine solche Wahlkampagne zur Direktwahl wäre ein völlige Novum – niemand weiß so recht, wie man so etwas anlegen sollte, welche Art, den eigenen Kandidaten zu präsentieren, bei der Öffentlichkeit am besten ankommen würde. Bisher hatte man es bei der Präsidentenwahl relativ einfach – man konnte sich im Stillen auf die Unterstützung des einen oder anderen Kandidaten einigen und dafür eventuell auch eine politische Gegenleistung erhalten. Diese politische Taktik haben sich viele Mandatsträger und ihre Parteien in der Vergangenheit sehr gut angeeignet und zur Perfektion gebracht.“