Vor 25 Jahren: Wie die Stasi Frömmigkeit bei einem Begräbnis übte
Es war ein Ereignis, das man kaum vergisst - ein Begräbnis, von dem man nicht traurig nach Hause ging, sondern irgendwie ermuntert und voller Hoffnung: das Begräbnis des Dichters Jaroslav Seifert vor 25 Jahren, am 21. Januar 1986.
Kein Wunder, dass viele Leute nicht mehr in die geräumige Kirche reingepasst hatten. Nach einer genaueren Beobachtung des Publikums in den Bänken stellte ich fest, dass ein großer Teil des Publikums dienstlich da ist, mit einer höheren Mission, im Auftrag des Staates. Dabei bemühten sich einige der Stasi-Leute, die RBegräbnis des Dichters Jaroslav Seifertolle der Gläubigen so genau zu spielen, dass sie sogar manchmal auf die Knie gefallen sind. Nicht immer im richtigen Moment, aber doch. Die Versuche, die Frömmigkeit vorzutäuschen, wirkten jedoch unglaubwürdig. Und wir, die wir nicht im Staatsauftrag dort waren, haben uns darüber oft noch später amüsiert. Die Peinlichkeit dieser Bemühungen der kommunistischen Geheimdienstler hatte mir damals irgendwie Hoffnung verliehen, genauso wie das Gedicht von Seifert, das der Schauspieler Sklenčka vorlas. Als er zur Welt gekommen sei, sei ein Schmetterling durch das Fenster in den Raum hereingeflogen, schrieb darin der Dichter. Als plötzlich in einer Kirchenecke wirklich ein Schmetterling wach wurde und verwirrt über dem Altar zu fliegen begann, fingen wir alle drei, Gedichte liebenden Frauen unserer Familie an an ein Wunder zu glauben. Ein Schmetterling im Januar? Vor der Kirche begannen die Leute ganz leise die Nationalhymne zu singen. Da machten die Männer in den dicken Mänteln dann wirklich nicht mehr mit.