Blue Effect galt einst als „Supergroup“ - und rockt auch heute noch
Blue Effect ist eine Legende. Als sich die Band gründete, war gerade die kurzen Phase der Freiheit während des Prager Frühlings vorüber: Doch Blue Effect überlebte die gesamte neostalinistische Zeit der so genannten Normalisierung. Die Band am Leben hielt vor allem ein Gründungsmitglied: der Gitarrist Radim Hladík. Er war in Tschechien ein Neuerer an den sechs Saiten. Selbst heute bestreitet er noch mit einer komplett umbesetzten Band jeden Monat unter dem Namen Blue Effect rund ein Dutzend Konzerte. An diesem Wochenende zum Beispiel in Bayern. Mehr über die Band und den Bandleader nun in der ersten Ausgabe unseres verlängerten MusikCzech.
„Slunečný Hrob“ (Sonnengrab) heißt das Stück, mit dem Blue Effect kurz vor Weihnachten 1968 erstmals von sich reden machten. Und zwar gehörig. Beim zweiten so genannten Beat-Festival im Prager Musikclub Lucerna wurde die Band mit diesem Song zur Entdeckung des Jahres gewählt. Blue Effect war das Projekt von Sänger Vladimír Mišík und Gitarrist Radim Hladík von der Beatgruppe The Matadors. Anders als die restlichen Mitglieder der Matadors wollten Mišík und Hladík nach der Niederschlagung des Prager Frühlings nicht nach München emigrieren. Mit drei weiteren Musikern taten sie sich daher in Prag zu Blue Effect zusammen – eine Art tschechische Supergroup war entstanden.
Die Band brachte den Bluesrock nach Tschechien – mit teils englischem Gesang. Auch im Ausland bekam man Wind von dem Können der Musiker. Doch die Pläne zum Auftritt beim Festival im amerikanischen Richmond oder für eine Tournee an der Seite von Jethro Tull mit „Flötenschrat“ Ian Anderson musste das tschechische Quintett schnell wieder begraben: Der offizielle tschechoslowakische Konzertveranstalter Pragokonzert stellte sich quer. Und so blieb es 1969 vor allem bei den Aufnahmen zur ersten regulären Studio-LP „Meditace“. Auf dieser spielt Gitarrist Hladík seine ganze Kunst aus. Hladík wird auch zugeschrieben, als erster in Tschechien Verzerrungseffekte in das Gitarrenspiel aufgenommen zu haben.
Bereits 1970 orientiert sich die Band musikalisch dann in eine neue Richtung: zur Jazzfusion. Als die restlichen Musiker sich mit Vladimír Mišík überwerfen und der Sänger die Band verlassen muss, wird die musikalische Neuorientierung auch in Plattenform gepresst: Zusammen mit dem Jazz Quartett von Jiří Stivín entsteht experimentelle Jazz Fusion und mit dem Jazzorchester des Tschechischen Rundfunks kommerziellere Formen der Fusion.In der Zwischenzeit zieht das kommunistische Regime die Daumenschrauben an. Englische Texte sind tabu und genauso der englische Name der Band. 1972 übersetzt die Band ihren Namen ins Tschechische und tritt nun als Modrý efekt auf.
Während der 70er Jahre wird der Dichter Pavel Vrba sozusagen Haus- und Hoftexter von Blue Effect. Er beeinflusst auch eine weitere musikalische Wandlung. Nun greift die Band den Progressive Rock von King Crimson, Yes oder den frühen Genesis auf. Am stärksten klingt dies auf dem Album „Svět hledačů“ von 1979 durch:„Svět hledačů“ ist das vorletzte reguläre Studioalbum von Blue Effect. Anfang der 80er kommt es wieder zu einer personellen Umbesetzung der Band. Eine letzte LP erscheint. Nach dieser Veröffentlichung beginnt eine schier endlose Zeit der Suche nach einer neuen Besetzung der Band. Als einziger bleibt Gitarrist Hladík. Deswegen reicht die Energie auch nur noch zu der einen oder anderen Single. Gut 20 Jahre schlingert Blue Effect so dahin. 2004 dann findet Radim Hladík neue Mitstreiter. Seitdem tritt die Band wieder regelmäßig auf mit all den alten Songs aus den 70ern und 80ern – obwohl die Bandmitglieder Hladíks Söhne sein könnten. Aber das Quartett der Generationen rockt und rockt und rockt…