Tschechische Bahnen zahlen für Verspätungen und defekte Klimaanlagen

Groß war die Aufregung vor etwa einem Jahr: Tschechien hat von der EU einen fünfjährigen Aufschub für die so genannte Fahrgastrechte-Richtlinie bekommen. Damit hatten Bahnkunden hierzulande Pech und bekamen anders als Fahrgäste in Deutschland und Österreich keine Entschädigungen für verspätete Züge. Nun wollen die Tschechischen Bahnen (ČD) bei Verspätungen freiwillig Gutscheine anbieten. Ab einer Stunde gibt es umgerechnet rund zwei Euro, ist der Zug mehr als zwei Stunden verspätet, gibt es vier Euro. In den Supercity-Zügen wird bereits ab einer halben Stunde der Acht-Euro-Reservierungszuschlag zurückgezahlt. Geld gibt es auch für defekte Klimaanlagen oder fehlende Erste-Klasse-Waggons. Daniel Kortschak hat mit dem Sprecher der Tschechischen Bahnen, Petr Šťáhlavský, über die Einzelheiten gesprochen. Hören Sie nun mehr in einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe „Umwelt und Verbraucher“.

Herr Šťáhlavský, die Tschechischen Bahnen zahlen schon seit vergangenem Jahr Entschädigungen für Verspätungen im internationalen Verkehr. Nun sollen auch Fahrgäste im Inland entschädigt werden. Betrifft das alle Züge?

„Die Tschechischen Bahnen sind nicht verpflichtet, Fahrgäste zu entschädigen. Die entsprechende EU-Richtlinie, die die Entschädigungsansprüche regelt, gilt in Tschechien nur für grenzüberschreitende Reisen. Für Inlandszüge wurde Tschechien im Vorjahr eine fünfjährige Übergangsfrist gewährt. Trotzdem wollen die Tschechischen Bahnen nun auch für Verspätungen im Inland Entschädigungen gewähren. Daher haben wir ein Pilotprojekt vorbereitet, um Erfahrungen mit einem derartigen Angebot zu sammeln, von dem viele Reisende profitieren. Wir haben in der ersten Phase Supercity-, Eurocity- und Intercityzüge ausgewählt, also Züge, die den höchsten Komfort bieten. Diesen Komfort wollen wir nun garantieren und gelingt uns das nicht, bekommen die Fahrgäste eine Entschädigung. In unserem Projekt gibt es aber auch eine Maßnahme, die allen Reisenden zugute kommt: Wir garantieren ihnen die Beförderung ans Ziel, auch wenn der letzte Anschluss versäumt wird. Ganz egal, mit welchem Zug er fährt und warum die Verspätung entstanden ist: Der Kunde kann sich in Zukunft darauf verlassen, dass er sicher an sein Ziel kommt.“

Petr Šťáhlavský | Foto: ČT24
Das heißt also, im Zweifelsfall bekommen die Fahrgäste auch ein Taxi bezahlt oder die Bahn bestellt einen Autobus?

„Ja, genau. Zum Beispiel fährt ein Kunde spätabends von Prag nach Velvary. In Kralupy fährt ihm der Anschlusszug auf der Lokalbahn davon. In so einem Fall setzen die Tschechischen Bahnen nun entweder einen Ersatzzug oder einen Bus ein. Wenn nur ein, zwei Leute betroffen sind, kann es auch sein, dass wir ein Taxi bestellen.“

Kommen wir noch einmal zurück auf die Entschädigungen für Verspätungen: Wie verspätet muss ein Zug sein, dass ich Anspruch auf einen Gutschein habe?

„Das hängt von der Zugkategorie ab. Bei Supercity-Zügen, das sind die „Pendolino“-Triebwagen, bekommen Sie ab einer Verspätung von 30 Minuten den Reservierungszuschlag zurück. Bei Eurocity- und Intercity-Zügen haben Sie ab einer Stunde Verspätung Anspruch auf Entschädigung. Wichtig zu erwähnen ist aber, dass wir nur für Verspätungen zahlen, die direkt die Tschechischen Bahnen verursacht haben. Das sind meistens Störungen an der Lokomotive oder an den Waggons. Keinen Anspruch auf Entschädigungen gibt es bei höherer Gewalt, also etwa bei Überschwemmungen, Unwettern, Polizeieinsätzen oder Personenunfällen. Das sieht auch die EU-Richtlinie für den internationalen Verkehr so vor. Aber wir zahlen auch nicht, wenn die Ursache der Verspätung im Bereich der staatlichen Verwaltung des Schienennetzes (SŽDC) liegt, also wenn zum Beispiel die Signale ausfallen und die Tschechischen Bahnen diese Störung nicht verursacht haben beziehungsweise sie nicht verhindern konnten.“

Die Tschechischen Bahnen wollen ihre Fahrgäste aber nicht nur für Verspätungen entschädigen, sondern auch für Komforteinbußen. Wie sieht das genau aus?

„Dieses Angebot betrifft, drei, vier konkrete Fälle. Bei den Supercity-Zügen werden alle Fahrgäste entschädigt, wenn statt des Pendolino-Triebzuges eine Ersatzgarnitur eingesetzt wird. Fehlt in einem Eurocity- oder Intercity-Zug der Erste-Klasse-Wagen, bekommen die Fahrgäste nicht nur den Aufpreis für die erste Klasse erstattet, sondern auch eine zusätzliche Entschädigung. Wenn die Klimaanlage oder die Heizung ausgefallen sind und es keinen Platz in einem anderen Waggon gibt, dann bekommen die betroffenen Fahrgäste ebenfalls einen Gutschein.“

Wie sieht das nun in der Praxis aus? Ich komme mit einem Intercity-Zug mehr als eine Stunde später am Zielbahnhof an oder in meinem Waggon funktioniert die Klimaanlage nicht. Was muss ich tun, um eine Entschädigung zu bekommen? Brauche ich eine Bestätigung vom Zugpersonal oder von den Mitarbeitern am Bahnhof?

„Ja, sie brauchen unbedingt eine Bestätigung über den mangelhaften Service. Wenn die Heizung oder die Klimaanlage ausgefallen sind, dann müssen Sie sich das vom Schaffner auf der Fahrkarte vermerken lassen. Was die Verspätung betrifft, bekommen sie die Bestätigung auf dem Bahnhof, wo sie aussteigen. Mit dieser Bestätigung und der Fahrkarte können Sie dann um Entschädigung ansuchen. Dafür wird es eigene Formulare geben.“

Illustrationsfoto: Jana Šustová,  Radio Prague International
Im Ausland, zum Beispiel in Deutschland, gibt es Entschädigungen für die Fahrgäste aller Züge. In Tschechien habe ich hingegen nicht nur im Regional- und Eilzug, sondern auch im gewöhnlichen Schnellzug Pech, wenn es Verspätungen gibt. Die große Mehrheit der Fahrgäste hat also nach wie vor keinerlei Anspruch auf Entschädigungen. Warum bieten die Tschechischen Bahnen nicht allen ihren Kunden einen Ausgleich für Verspätungen?

„In Deutschland gilt die EU-Richtlinie über die Fahrgäste schon in vollem Umfang. Wenn ich mich nicht irre, sind die Ansprüche dort also vom Gesetz vorgegeben. In Tschechien ist vom Gesetz bisher keine Entschädigung vorgesehen und die EU-Richtlinie tritt hierzulande wie gesagt erst in etwas weniger als fünf Jahren in Kraft. Das, was die Tschechischen Bahnen nun in ihren Komfortzügen anbieten, ist also freiwillig. Das ist ein Entgegenkommen unseren Kunden gegenüber und es handelt sich zurzeit um ein Pilotprojekt. Wir wollen damit testen, wie die Kunden darauf reagieren und wir wollen überprüfen, welche Auswirkungen dieses Angebot innerhalb der Tschechischen Bahnen hat. Das stellt natürlich auch eine Motivation für unsere Mitarbeiter dar, den Kunden noch besseren Service zu bieten. Nach der Auswertung dieses Pilotprojektes schließen wir aber nicht aus, dass es auf die übrigen Züge ausgeweitet wird.“