Endlich weniger Eisenbahnunglücke? Zugsicherungssystem ETCS wird in Tschechien eingeführt

Seit Anfang August darf ein kleiner Teil des tschechischen Eisenbahnnetzes nur noch von Zügen befahren werden, die mit dem Europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgestattet sind. Verhindert werden sollen so etwa frontale Zusammenstöße. Ab dem kommenden Jahr soll die Nutzung der Technik auf weitere Streckenabschnitte ausgeweitet werden.

Zugbeeinflussungssystem ETCS | Foto: České dráhy

Anfang Juni kam es in Pardubice zu einem der schwersten Zugunfälle Tschechiens. Ein Nachtzug krachte frontal auf einen Güterzug. Vier Menschen starben, fast 30 wurden verletzt. Auslöser für den Unfall war, dass der Personenzug ein Haltesignal überfahren hatte. Hätte das Unglück durch das Europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS verhindert werden können? Jan Sůra ist der Chefredakteur des Online-Verkehrsmagazins Zdopravy und sagt zu dieser Frage:

„Den bisherigen Informationen zufolge höchstwahrscheinlich schon. In Tschechien verlässt man sich bisher aber viel zu sehr darauf, dass Lokführer, Fahrdienstleiter oder Dispatcher keine menschlichen Fehler machen. Das ist das grundlegende Problem.“

Das bestätigt auch die Statistik. So kam es laut der Eisenbahninspektion seit Jahresbeginn zu fast 100 unerlaubten Überfahrten eines Haltesignals. Die letzte davon ereignete sich am vergangenen Sonntag. Auf einem Streckenabschnitt in Jablonné nad Orlicí unweit von Ústí nad Orlicí in Ostböhmen stoppte der Lokführer eines Personenzuges seinen Zug nicht am Haltesignal und steuerte auf den entgegenkommenden Regionalzug zu. Schlimmeres konnte aber verhindert werden. Die Triebfahrzeugführer bremsten ihre Züge ab, sie kamen 32 Meter voneinander entfernt zum Stehen. Derart gefährliche Situationen soll nun in Zukunft das Europäische Zugbeeinflussungssystem verhindern:

Martin Kupka | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

„ETCS bringt nun endlich die Möglichkeit, den Zug eigenständig zu bremsen, wenn es zu einem Risiko kommt“, sagt dazu Verkehrsminister Martin Kupka (Bürgerdemokraten).

Die alten Systeme, die früher auf manchen Strecken in Tschechien verbaut wurden, ermöglichen es nämlich nicht, den Zug im Falle eines Fehlverhaltens des Lokführers zum Stehen zu bringen. Das soll aber schrittweise in Tschechien auf immer mehr Abschnitten möglich werden. Dazu will das Land den ETCS-Ausbau weiter vorantreiben – und das muss es auch, um die Vorgaben der EU zu erfüllen.

Auf Hunderten Streckenkilometern ist das System allerdings derzeit bereits verbaut. Ab Januar kommenden Jahres dürfen auf 1260 Kilometern dann keine Züge mehr ohne ETCS rollen. Bereits seit dem 1. August muss das Zugsicherungssystem nun aber dort, wo es verbaut ist, genutzt werden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die eingesetzten Züge bereits mit der Technik ausgestattet und die Triebfahrzeugführer geschult worden sind. Aktuell trifft dies auf etwa 550 Züge täglich zu, die etwa auf einem Streckenabschnitt zwischen Prag und Plzeň, aber auch in Mähren verkehren.

Wie weit die Umstellung bei den Tschechischen Bahnen (ČD) vorangeschritten ist, erklärte deren Pressesprecher Petr Šťáhlavský in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Für dieses modernste Sicherungssystem in Europa haben die Tschechischen Bahnen bisher 750 Lokführer ausgebildet. 420 Lokomotiven und Triebwagen sind damit ausgestattet. Bereits jetzt sind täglich Hunderte unserer Züge, die mehrere Tausend Kilometer zurücklegen, mit ETCS unterwegs.“

Foto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

Jiří Kolář ist Direktor des Eisenbahnamtes (DÚ), und er zeigt sich zuversichtlich, was die Ausbildung der weiteren Lokführer auch bei den privaten Anbietern angeht:

„Wir gehen davon aus, dass bereits 30 Prozent der Lokführer in Tschechien weitergebildet wurden. Die Beförderer geben an, die Kurse zeitlich zu schaffen“, sagte Kolář im Interview für das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen.

Zugbeeinflussungssystem ETCS | Foto: Správa železnic

In den vergangenen Monaten wurde ETCS auf einigen Strecken Belastungstests unterzogen. Den Ergebnissen zufolge, die am Montag vorgestellt wurden, sind 97 Prozent der Fahrten problemlos verlaufen. Bei den verbleibenden drei Prozent sei die Verbindung mit dem Zugsicherungssystem abgebrochen und das Fahrzeug deshalb notgebremst worden.

„An diesem Problem arbeiten wir gerade noch und wollen uns dahingehend in den fünf Monaten, die bis zum Jahresende noch bleiben, weiter verbessern“, so Verkehrsminister Kupka.

Bis 2030 sollen dem Ressort zufolge 4000 weitere Streckenkilometer mit ETCS ausgestattet werden. Die Kosten dafür werden Dutzende Milliarden Kronen betragen.

Autoren: Ferdinand Hauser , Jakub Vik , Martina Mašková
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