„An Hunden geübt…“ – Jakub Hájeks langer Weg zum Starfriseur
33 Jahre alt, gelassen, leger gekleidet, herzlich, aber auch ein bisschen hektisch. Junge Damen würden ihn wahrscheinlich als „cool“ bezeichnen. Das ist Jakub Hájek. Vor fünf Jahren hat er sich einen Frisiersalon im Prager Stadtzentrum eingerichtet. Hájeks Weg zum Friseurberuf verlief jedoch über Umwege.
Jakub, beginnen wir mit Ihrer Kindheit. Was haben Sie gemacht, bevor Sie die Schere in die Hand nahmen, um anderen Leuten die Haare zu schneiden?
„Ich habe viele Dummheiten angestellt. Ich war ein Einzelkind und ein Quengler. Die Schule hat mir keinen Spaß gemacht. Kurzum, ich war ein Bösewicht, den auch die Mitschüler nicht leiden konnten. Diese Eigenschaften habe ich bis heute. Das ist für mich ein Grund, in einer Chefposition zu arbeiten. Ich habe Probleme im Umgang mit Menschen.“
Sie lächeln, wenn Sie das sagen. Vielleicht sollte man Sie nicht zu sehr beim Wort nehmen, wenn Sie das behaupten. Ansonsten müsste ich Sie fragen, ob Sie schon als Chef geboren wurden.„Das würde ich so nicht sagen, aber die Neigung zum Individualismus habe ich schon immer gespürt. Als Schüler war ich eher durchschnittlich, weil ich so gut wie gar nicht gelernt habe. Es machte mir viel mehr Spaß, draußen herumzutoben, auf Bäume zu klettern oder über Mäuerchen zu springen.“
Schwer zu glauben, dass Sie sich die ganze Zeit nur amüsiert haben. Wann haben Sie also zum ersten Mal die Schere in die Hand genommen, um sich als Friseur zu versuchen?
„Neben der Grundschule besuchte ich auch eine Kunstschule. Dort haben wir viel gemalt. Ich hatte ein Faible dafür, etwas zu kreieren. In der Schule habe ich mich um die Wandzeitung gekümmert und habe gerne verschiedene Diplome verziert. Einmal in einem Ferienlager entschied ich mich, meinem Freund die Haare zu schneiden. Das ist bei anderen Kindern gut angekommen und so habe ich mir dort einen kleinen provisorischen ‚Salon’ eingerichtet, um meine Haarschneidekunst weiter auf die Probe zu stellen. Das hat mir Spaß gemacht.“
Sind Sie als Kind noch zum Friseur gegangen, vielleicht um sich Inspirationen zu holen?
„Nein. Meine Mutter wollte das nicht. In der Familie haben wir uns die Haare gegenseitig geschnitten. Zum allerersten Mal hat mich ein Freund von der Kunstschule zum Friseur mitgenommen. Der hat mir dann einen ‚professionellen’ Haarschnitt für sieben Kronen auf den Kopf gezaubert. Bis heute kann ich mich daran erinnern, dass es in dem Salon schön duftete. Auch das Summen der Rasiermaschine auf dem Hals war angenehm.“Und was dann? Haben Sie vielleicht selbst weiter geübt?
„Dann passierte lange nichts. Mit zehn oder elf Jahren ging ich mit meiner Tante und einem Cousin zur Kirmes auf dem Prager Messegelände. Damals entstand wieder eine neue Haarkreation von mir. Mein Cousin hatte kurzes Haar, das ich oben rot färbte und mit Omas Haarfestiger zu einem Irokesenkamm formte. In der Schule hat man uns eingeprägt, dass Punks abscheulich seien. Uns hat das aber gefallen. Wir wollten provozieren.“
Nach der Grundschule wollten Sie die Kunstgewerbeschule besuchen, das hat aber nicht geklappt. Sie gingen auf eine Berufsschule für Schriftmalerei, die haben Sie aber nach einiger Zeit an den Nagel gehängt. Mit der Schule war es damit aus. Wie haben Sie dann Ihr Brot verdient?
„Freunde von mir aus San Francisco in Kalifornien kamen auf einer Tour durch Europa nach Prag. Sie wollten ihr Geld im selben Job wie zu Hause verdienen, also als Fahrradkuriere. Und ich habe mich angeschlossen. Damals gab es nur zwei professionelle Kurierdienste in Prag, deren Leute in Trikots und mit Funkgeräten durch die Stadt rasten. Wir waren daneben ein dritter - wenn auch kein professioneller - Kurierdienst, aber wir haben sehr verlässlich gearbeitet. Wir waren am schnellsten und ich war der Jüngste unter uns. So haben wir drei Jahre gearbeitet und dann unsere Firma verkauft. Damals war ich bestimmt das reichste ‚Kid’ in Prag.“
Von den Fahrradkurier-Kollegen haben sie auch erfahren, wo deren extravagante Haarkreationen, entstehen. Das war in einem sehr alternativen Prager Friseursalon vor etwa 17 Jahren, wie Sie mir gesagt haben. Dabei ist Ihnen eingefallen, dass Sie das, was die dortigen Friseure machen, auch könnten?
„Genau. Die beiden Jungs dort haben es super unprofessionell gemacht, keiner von ihnen war gelernter Friseur. Dabei machten sie es aber mit so viel ‚Drive’. Ich bin also auch ins Geschäft eingestiegen. Etwas später sind wir dort nur zu zweit zurückgeblieben. Mein Freund Lukáš und ich. Später haben wir uns dann woanders einen neuen Friseursalon eingerichtet.“
Übrigens, wo haben Sie denn die Technik des Haareschneidens erlernt?
„Aus Spaß haben wir oft gesagt, dass wir das an Hunden geübt haben. Also die Kunden, das waren im Prinzip unsere Freunde und Bekannten, die wiederum keine hohe Kunst von uns erwarteten. Oft hieß es nur: ‚Die Haare auf den Schläfen rasieren, in der Mitte langes Haar lassen und dieses eventuell bunt färben!’ Erst später habe ich ein paar Anleitungsbücher durchgeblättert. Etwas beigebracht hat uns auch eine Kollegin, die gelernte Friseuse war. Es war also insgesamt ein ‚Learning by Doing’“.
Sie haben aber auch einige Lehrjahre im Ausland verbracht, stimmt´s?
„Ich habe in Prag den Schweizer Haarschneidekurs nach Heinz Weibel bei L´Oreal absolviert. Dann ging ich für drei Jahre nach Holland. Oft guckte ich bei ‚Toni & Guy’ durch das Schaufenster, wie die das machen. Das war, glaube ich, meine beste Schule. Damals fand ich in Fachzeitschriften unter jedem Foto mit einer Frisur, die mir gut gefiel, den Untertitel ‚Toni & Guy’. Es wurde mir klar, in welche Richtung ich weiter gehen will und auch dass ich bei ‚Toni & Guy’ arbeiten will. Dazu ist es beinahe gekommen. Letztlich habe ich aber bei ‚Toni & Guy’ nur einen Kurs gemacht. Dann habe ich mich entschlossen, einen eigenen Friseursalon zu betreiben.“Leicht gesagt, schwer getan, oder? Wie haben Sie das geschafft?
„Natürlich geht das nicht ohne Schulden. Ich habe meine Wohnung und noch alles Mögliche andere verkauft. In diesen Salon habe ich mittlerweile viel Geld investiert. Ehrlich gesagt, würde ich es niemandem empfehlen, dasselbe zu tun. Diesen Job muss man gern haben wie ein Hobby. Wenn es nur um die Knete ginge, hätte ich eigentlich in einem kleineren Laden bleiben müssen, der lukrativer sein könnte. Hier habe ich es aber mit Herz eingerichtet. Ich wollte einen großen Raum haben, in dem sich Menschen wohl fühlen können. Kurzum ein Extra.“
Ihr Friseursalon hat vor kurzem sein fünftes Gründungsjubiläum gefeiert. Wie stehen Sie heute mit dem Zeitabstand zu ihrem Job?
„Ich mag meinen Job. Es macht mir Spaß, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Vor allem mit jungen Friseuren und Friseusen, die Lust haben, etwas dazuzulernen. Ich versuche ihnen etwas davon beizubringen, was ich selbst beim Einstieg ins Metier vermisst habe. Ich musste vieles allein meistern. Dabei gab es früher auch nicht so viele Möglichkeiten, das Know-how zu erweitern. Heute gibt es jede Menge Fachliteratur und außerdem auch viele Informationen und Ratschläge im Internet, wie man Haare schneiden soll. Oder auch Fernsehprogramme und Ähnliches mehr.“
Sie haben sich mehr oder weniger einen Traum ihrer Kindheit oder Jugend erfüllt. Glauben Sie, dass Sie diesen Job auch hätten, wenn es im Jahr 1989 nicht zur politischen Wende hierzulande gekommen wäre?„Darüber habe ich oft nachgedacht. Schon als Junge, das war noch unter den Kommunisten, fragte ich meine Mutter, warum ich nicht als Schuhputzer im Prager Hauptbahnhof etwas Geld dazu verdienen kann. Meine Mutter sagte mir damals, dass Kinderarbeit weltweit verboten sei und auch dass wir im Kommunismus und nicht im Kapitalismus lebten. Meine Mutter redete immer sehr offen mit mir, hat mich in die politischen Verhältnisse eingeweiht, oft aber auch dazu ermahnt, dass ich nichts davon in der Schule erzählen soll.“
Wir sprechen jetzt miteinander kurz nach den Parlamentswahlen. Was sagen Sie zu den Egebnissen?
„Ich bin begeistert. Als konservativ orientierter Mensch habe ich gehofft, dass die Linke keine Regierung bilden wird. Ich denke, dass das Verhältnis innerhalb der Koalition aber auch das zwischen den Koalitionsparteien und den oppositionellen Sozialdemokraten mehr oder weniger ausgewogen ist. Ich mag keine extremen Unterscheide, mir gefällt die Ausgewogenheit.“