Naturschützer weiter gegen geplanten Elbe-Ausbau
Tschechien hält am Ausbau der Elbe zur internationalen Wasserstraße fest. Dagegen protestieren Umweltschützer auf beiden Seiten der Grenze. Wir haben bereits ausführlich darüber berichtet. Die vor kurzem angetretene neue Regierung hat den Elbausbau nun zu einer ihrer Prioritäten erklärt und will bis zu 800 Millionen Euro in den Bau von zwei Staustufen im tschechisch-deutschen Grenzgebiet investieren. Radio Prag hat sich vor Ort ein Bild gemacht.
Auf dem Oberdeck der Poseidon treffe ich Werner Hentschel, den langjährigen Leiter des Naturschutzgebietes Elbsandsteingebirge.
Herr Ingenieur Hentschel, was sagen Sie zum geplanten Ausbau der Elbe?„Der Elbe-Ausbau ist schon seit über 70 Jahren geplant. Und bisher ist es Gott sei Dank nie dazu gekommen. Wenn man auf tschechischer Seite eine Staustufe baut, müsste man 24 weitere in Deutschland bauen, damit das Projekt einen Sinn hat. Soviel Geld zu investieren für so wenig Ware, die noch auf der Elbe transportiert wird, ist eine totale Vergeudung.“
Die tschechische Wasserstraßendirektion, mit deren Leiter ich vor Kurzem gesprochen habe, hält an dem Projekt fest und sagt, es sei wichtig für die tschechische Wirtschaft.„Wenn es wichtig ist, dass man 500.000, 600.000 Tonnen auf der Elbe transportiert… Das sind ein paar wenige Güterzüge. Man kann diese Menge mit einigen wenigen Zügen auch transportieren.“
Wenn man sich in der Region Ústí nad Labem / Aussig und Děčín / Tetschen-Bodenbach umhört, hört man auch sehr viele positive Stimmen für den Ausbau der Elbe. Vor allem von Seiten der Politik, auch von den Sozialdemokraten, die ja in den Landkreisen an der Macht sind. Woher kommt diese starke Unterstützung?
„Gerade unter den Sozialdemokraten gibt es etliche, die früher selbst auf den Schiffen gefahren sind. Der eine Abgeordnete, der für die Staustufen plädiert, ist selbst ein ehemaliger Schiffsmann. Bei denen ist das also auch so eine Art Herzensangelegenheit. Aber man kann nicht Sachen machen, nur weil sie jemandem gefallen oder nicht. Man muss auch ausrechnen, was das bringt und was ich damit zerstöre. Ob ich mehr kaputtmache oder einen wirtschaftlichen Nutzen erziele. Die Elbe ist ein Korridor zwischen der böhmischen Kessellandschaft und der norddeutschen Ebene. Sie ist die einzige Verbindung für Tiere und Pflanzen zwischen diesen beiden Naturräumen. Gerade von Děčín aus bewegen sie sich dann weiter ins Erzgebirge, ins Elbsandsteingebirge, ins Lausitzer Gebirge, ins Iser- und ins Riesengebirge. Das ist eine Kreuzung, wo seit Jahrtausenden alle biologischen Vorgänge aufeinandertreffen.“Was würde denn der Bau der Staustufe bei Děčín konkret für den Fluss bedeuten?„Wenn man Fluss sagt, ist das Wasser, das fließt. Eine Staustufe bringt einen Stau, also einen Teich. Sehen wir uns konkret die Fischarten an: Oberhalb der Staustufe bei Ústí / Aussig sind es zwölf bis vierzehn Arten. In dem fließenden Wasser unterhalb von Ústí sind es 42 Arten. Dort fehlen mit dem Stör und dem Maifisch nur noch zwei Arten, und dann wären wieder alle Fische im Fluss heimisch, die schon vor Jahrtausenden da waren.“
Der Ausbau der Staustufe hätte aber nicht nur Auswirkungen auf die Elbe, sondern die Auswirkungen würden bis in den mährischen Karst reichen. Wie kommt das?„Das kommt ganz einfach, weil man für diesen Ausbau viel Zement braucht. Und der Zement wird aus Kalkstein im mährischen und böhmischen Karst abgebaut. Für die 50.000 Kubikmeter Beton, die man für die Staumauern benötigt, müsste man wieder ein Stück geschützte Landschaft zerstören. Und das ist der mährische oder der böhmische Karst. Beides sind geschützte Landschaften. Man muss auch einmal wahrnehmen, dass eine Landschaft einfach eine Landschaft bleiben soll.“
Was würde denn der Staustufenbau für die Bewohner von Ústí und Děčín bedeuten? Sie haben den Transport angesprochen.
„Ja, selbstverständlich, das ganze Abbau- und Aushubmaterial würde durch die Stadt Děčín transportiert. Nicht über die Elbe nach Deutschland, nein, durch die Stadt. Das bringt jede Menge Staub, Lärm und so weiter. Das ist etwas, was man der Bevölkerung auch nicht sagt. Dabei geht es da um zehntausende Tonnen Material, um tausende Lastautos.“