Alfons Muchas Danaergeschenk an Prag

Alfons Mucha

Der diesjährige Sommer in Tschechien ist keineswegs arm an Ereignissen. Die Wahlen, danach lange Verhandlungen der zunächst potentiellen und anschließend auch vertraglich fixierten Koalitionsparteien, das Tauziehen um die Ministerposten und die Bildung der Koalitionsregierung. Das waren die Meilensteine der letzten zwei Monate.

Bis zur Vertrauensabstimmung im neuen Abgeordnetenhaus bleiben noch rund zwei Wochen, aber auch die haben kein Sommerloch mit sich gebracht. Dieses wird nämlich mindestens mit einem ergiebigen Thema gefüllt. Darum hat sich der legendäre Art-Nouveau-Maler Alfons Mucha verdient gemacht, ungewollt natürlich. Der Krieg um seinen Bilderzyklus „Slawisches Epos“, über den wir Sie auf dem Laufenden gehalten haben, hat gerade dieser Tage, als sich Muchas Geburtstag zum 150. Mal jährte, einen neuen Schub bekommen. Das Ende der peinlich endlosen Geschichte ist noch mehr in die Ferne gerückt. Am Montag dieser Woche sollten sich die ersten fünf von insgesamt zwanzig Bildern des Slawischen Epos´ in speziellen Containern und klimatisierten Lkw auf den Weg aus Moravský Krumlov / Mährisch Kromau in die Hauptstadt machen.

John Mucha  (Foto: ČTK)
Unterzeichnete Dokumente zur Übergabe und Übernahme der Bilder, die 47 Jahre im Schloss von Moravský Krumlov ausgestellt waren, lagen vor. Die aus Prag angereisten Restauratoren sollten sich ans Werk machen. Stattdessen machten sie sich aber aus dem Staub, denn vor Ort demonstrierten hunderte Menschen gegen den Abtransport der Bilder. Im letzten Moment hat erneut auch die Familie Mucha, konkret John Mucha, Enkelsohn des berühmen Malers und Leiter der gleichnamigen Stiftung, in das Geschehen eingegriffen. Auf sein Ersuchen hatte die Stadtverwaltung in Moravský Krumlov eine einstweilige Verfügung erlassen, die einen Umzug des Werkes verbietet. Muchas Nachkommen bestehen nämlich darauf, das Slawische Epos nur an einen „würdevollen“ Standort nach Prag zu überführen, wie sich das ihr Großvater in einem Widmungsvertrag wünschte. Sein Werk würde aber nur aus dem Krumauer Provisorium in ein Prager Provisorium versetzt werden, hieß es.

Alfons Mucha
Das Fazit: Das Prager Rathaus, das das Verfügungsrecht über Muchas Bilder zu haben glaubt, will bis zum 10. August eine „friedliche“ Absprache mit den restlichen Kontrahenten suchen. Dann sollen schon Rechtsanwälte eingeschaltet werden. John Mucha strebt aber in Frage des Eigentumsrechts an den Bildern unverhohlen ein Gerichtsverfahren an. Der Stand der Dinge ist also für alle Beteiligten unerfreulich. Am meisten betroffen wäre allerdings Alfons Mucha selbst. Das Werk, das er der tschechischen Hauptstadt für eine symbolische Krone vermachte, scheint ein Danaergeschenk zu sein, für das man auch nach 82 Jahren kein passendes Refugium gefunden hat.