Jiří Mucha erinnert sich: Mein Vater war sehr arbeitsam, machte aber auch Fehler wie Tolstoi

Alfons Maria Mucha

Er ist dieser Tage in Tschechien wieder in aller Munde: der tschechische Plakatkünstler, Grafiker, Illustrator, Maler und Kunstgewerbler Alfons Maria Mucha. Er gilt als einer der herausragenden Repräsentanten des Jugendstils, doch um sein wohl bekanntestes Werk, das Slawische Epos, wird derzeit nur gestritten. Wegen des Streits, wo dieses Werk am besten ausgestellt werden soll, wird nahezu vergessen, dass der populäre Künstler am 24. Juli seinen 150. Geburtstag gefeiert hätte. Wie war der große Mucha aber als Familienmensch?

Wir schreiben das Revolutionsjahr 1989, es ist Mitte Juli und man gedenkt des 50. Todestages von Alfons Mucha. Im Tschechoslowakischen Rundfunk erinnert sich auch sein Sohn Jiří Mucha:

„Ich hatte zu meinem Vater eine etwas eigenwillige Beziehung, denn ich wurde geboren, als er schon fast 60 war. Er war für mich kein Vater, wie man ihn sich gewöhnlich vorstellt, also ein Vater, der mit seinen Kindern spielt und so. Er war für mich eher der Großvater oder ein guter Philosophielehrer. Ich sah in ihm eine Persönlichkeit, er war ein Begriff.“

Nichtsdestotrotz habe er seinen Vater sehr lieb gehabt. Die Aura der Bewunderung, die von ihm ausging, habe er jedoch nur mit Hilfe seiner Mutter durchbrechen können. Sie sei das Bindeglied zwischen ihm und seinem Vater gewesen, sagte Jiří Mucha und fuhr fort:

„Was ich von ihm in erster Linie gelernt habe, war sein enormer Arbeitsfleiß. Wenn man darüber sprach, dass er 16 Stunden am Tag gearbeitet hat, dann kann ich das nur bestätigen. Er stand früh morgens auf, zog sich in sein Atelier zurück und arbeitete dort so lange, bis die Sonne unterging.“

Sobald es dunkel wurde, habe sein Vater aber immer einer anderen Muße gefrönt: er spielte auf seinem Harmonium. Und zwar meistens eine Stunde lang, um sich abzulenken und zu entspannen. Er habe das mit der gleichen Leidenschaft getan, wie er auch Geige oder Gitarre spielen konnte, doch zu seinem Harmonium habe er eine besonders innige Beziehung gehabt, schilderte Jiří Mucha:

„Dieses Harmonium hat er sich von seinem ersten Geld gekauft, das er in Paris verdient hat. Und das, obwohl er anfangs in Paris kaum etwas zu Essen gehabt hat. Das war für ihn wirklich eine harte Zeit. Das von ihm so geliebte Harmonium habe ich bis heute bei mir.“

Das war, wie gesagt, im Jahr 1989. Knapp zwei Jahre später ist Muchas Sohn verstorben. In seinen besten Jahren war Jiří Mucha ein tschechischer Kosmopolit, Schriftsteller, Publizist und Drehbuchautor. In den Erinnerungen an seinen Vater ist ihm aber nicht entgangen, dass der ehrwürdige Herr Papa auch seine schwachen Seiten hatte:

„Ich denke, dass mein Vater etwas ähnlich veranlagt war wie Tolstoi. In seiner Anschauung stand er den Meinungen, die Tolstoi hatte, sehr nahe. In seiner Philosophie hatte sich Tolstoi wiederum von Petr Chelčický, dem radikalen tschechischen Denker der Hussitenzeit, inspirieren lassen. Das führte in meinen Augen leider dazu, dass mein Vater auch einige derselben Fehler machte, wie sie Tolstoi begangen hatte. Einer davon war der, dass er sein Können allzu sehr in den Dienst seiner Philosophie gestellt hat.“

Slawisches Epos: Petr Chelčický bei Vodňany
Diese Einstellung hätte das Niveau der künstlerischen Arbeiten seines Vaters etwas geschmälert, allerdings erst in den Jahren mit Beginn des Ersten Weltkriegs und später, sagte Jiří Mucha. Gott sei Dank aber betreffe das nicht alle seine Werke, ergänzte der Sohn. Davon können sich letztlich die Einwohner und Besucher Prags selbst ein gutes Bild machen, wenn sie beispielsweise einige von Muchas Arbeiten im Gemeindehaus oder in der Nationalgalerie bestaunen.