„Radikale Veränderung des Museumsbetriebs“ – Karel Ksandr über den Umbau des Nationalmuseums

Nationalmuseum

Wie Sie aus unseren Sendungen bereits wissen, steht das Prager Nationalmuseum vor einer Grundsanierung. Das historische Gebäude am oberen Ende des Wenzelsplatzes befindet sich in einem baufälligen Zustand, die Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Einmarsch sowjetischer Panzer von 1968 wurden nie richtig behoben. 2011 soll das Museum für mehrere Jahre geschlossen werden – und danach in einem neuen Gewand erscheinen. Und das bedeutet auch: mit einem veränderten Ausstellungsbetrieb. Verantwortlich dafür ist Karel Ksandr, der stellvertretende Direktor des Nationalmuseums. Silja Schultheis hat mit ihm über die Zukunft des Ausstellungsbetriebs im Nationalmuseum gesprochen, wo man bislang vor allem schwerfällige Glasvitrinen mit Mineralien und ausgestopften Tieren besichtigen konnte.

Nationalmuseum
Herr Ksandr, welche Auswirkungen wird denn der Umbau des Nationalmuseums auf den Ausstellungsbetrieb haben? Man hat nach den bisherigen Medienberichten den Eindruck, dass hier eine kleine Revolution bevorsteht?

„Die Renovierung des historischen Museumsgebäudes aus dem Jahr 1891 bedeutet in der Tat eine grundlegende Veränderung des gesamten Museumsbetriebs. Zum einen deshalb, weil das historische Gebäude am Wenzelsplatz erweitert wird um das benachbarte Gebäude der früheren Föderalversammlung – den späteren Sitz von Radio Free Europe. Und das bedeutet, dass die Ausstellungsfläche sich mehr als verdoppelt – von heute etwas über 5000 Quadratmeter auf über 11.000 Quadratmeter. Allein das ist schon ein radikaler Einschnitt in die Museumstätigkeit.“

Karel Ksandr
Und wie soll diese neue Ausstellungsfläche genutzt werden?

„Zu der bisherigen ständigen Ausstellung kommen verschiedene Wechselausstellungen. Und auch die ständige Ausstellung bekommt ein neues Gesicht. Unser Team plant hier eine Art Spaziergang durch die Geschichte der Menschheit und unseres Planeten. Und zwar in Form einer lebendig erzählten Geschichte.“

Können Sie das etwas konkreter beschreiben? Wie kann man sich diesen Spaziergang vorstellen?

„Noch stehen wir ganz am Anfang mit unserer Planung. Wir müssen jetzt zunächst einmal Architekten finden, die uns anhand unserer Entwürfe ein Ausstellungskonzept vorbereiten. Unsere Entwürfe kennen Sie aus der Presse: Zum Beispiel soll die Kuppel des Museumsgebäudes zugänglich gemacht werden und durch ihre neue, gläserne Gestalt, den Besuchern einen Ausblick auf den Wenzelsplatz bieten. In jedem Fall wird diese Ausstellung lebendig, modern sein und mit vielen audiovisuellen Elementen. Eine etwaige Vorstellung davon vermittelt die Ausstellung „Geschichte des Planeten Erde“, die jetzt gerade zu Ende gegangen ist. Auch hier werden historische Exponaten durch audiovisuelle Modelle ergänzt.“

Nationalmuseum
Haben Sie sich bei der Neukonzeption der Dauerausstellung Inspiration aus dem Ausland geholt? Wien? Berlin?

„Auf jeden Fall. Auch für die bisherige Dauerausstellung aus dem 19. Jahrhundert sind unsere Vorgänger durch ganz Europa gereist, um sich inspirieren zu lassen. Und das machen wir auch – und nicht nur in Europa. Kürzlich waren wir mit einer großen Delegation in den USA und haben uns etwa das Washingtoner Smithsonian-Institut angeschaut und das Metropolitan Museum in New York. Natürlich schauen wir uns an, wie die Kollegen im Ausland das machen.“

Nationalmuseum im Jahr 1888  (Foto: www.nm.cz)
Welches Museum im Ausland sehen Sie als größtes Vorbild für die Umgestaltung des Prager Nationalmuseums?

„Natürlich beneide ich den Louvre um seine enorme Ausstellungsfläche. Sie ist fünfmal so groß wie die Fläche des Nationalmuseums nach der Renovierung sein wird. Ansonsten sind uns natürlich die Wiener Museen sehr nahe, nicht nur von ihrer Architektur her, sondern auch vom Ausstellungsbetrieb. Ich denke hier zum Beispiel an das Kunsthistorische Museum oder das Naturhistorische Museum. Aus Beratungen mit unseren Wiener Kollegen wissen wir, dass sie seit Jahren mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, vor denen wir jetzt beim Umbau des Nationalmuseums stehen.

Gebäude der früheren Föderalversammlung
Wie sehen Sie die Ausstellungskultur in Prag im internationalen Vergleich? Hier gibt es in Zusammenhang mit dem eventuell bevorstehenden Direktorenwechsel in der Nationalgalerie ja gerade eine Diskussion über das wenig moderne Niveau der Ausstellungskultur…

„Es ist schwer zu sagen, was die Besucher am meisten anspricht: Ob sie eine historische Ausstellung aus dem 19. Jahrhundert als veraltet betrachten oder aber als historisches Unikat. Ich meine, man muss einen goldenen Mittelweg finden – also historische Ausstellungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert erhalten und gleichzeitig moderne Ausstellungen anbieten.“

Präsentation des Sanierungsprojektes  (Foto: www.nm.cz)
Welche Art von Ausstellungen fehlt Ihrer Meinung nach denn in Prag, welche Wechselausstellungen stellen Sie sich für das neue Nationalmuseum vor?

„Ausstellungen, die historische Unikate nach Tschechien bringen. So wie zum Beispiel die große Wallenstein-Ausstellung, die wir vor zwei Jahren in Prag veranstaltet haben. Damals ist es uns gelungen, wirklich eine große Zahl von Exponaten nach Prag zu bringen, die man hier seit der Zeit von Wallenstein nicht sehen konnte. Diese Ausstellungspolitik würden wir gerne fortsetzen.“