Die Klemmbrettmänner von Prag

Klemmbrett (Foto: www.wikimedia.org)
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Immer öfter begegnen mir in Prag auf der Straße aufgeregte Menschen, bewaffnet mit kleinen Klemmbrettern. Sie sind bunt gekleidet oder auf eine andere Weise auffällig und haben nur das eine Ziel: Sie wollen, dass ich an einer Umfrage teilnehme. Und vor allem sind sie hartnäckig. Sehr hartnäckig.

Ich bin grundsätzlich kein Freund von Straßenumfragen. Das ist schon immer so gewesen. Verschont werde ich trotzdem nicht – nicht in Deutschland und auch nicht in Tschechien. In Tschechien gibt es jedoch einen kleinen Vorteil: Ich spreche die Sprache nicht. Ein Schlupfloch, durch das ich mich den Umfragen entziehen kann – sollte man meinen. Denn egal in welcher Sprache ich dem entgegenkommenden Interviewer erkläre, dass ich kein Tschechisch spreche: Hartnäckigkeit scheint oberstes Gebot zu sein. Aber ich bin ja kein Anfänger. Im Laufe der Jahre habe ich drei Techniken entwickelt, mit denen ich meine Verfolger abschütteln kann.

Einer der einfachsten Tricks ist das Telefonieren. Ob man jetzt wirklich mit jemandem redet oder einfach nur so tut als ob, ist egal. Ein Telefon am Ohr wirkt Wunder. Vor den Wahlen in Tschechien, als die Zahl der Umfragen gefühlt vervierfacht wurde, war so ein Telefon aber kein Hindernis für die Interviewer.

Da hilft nur Trick Nummer zwei: Musik auf die Ohren und ein verträumter Blick auf den Boden. Seitdem ich von Ohrstöpseln auf richtige Kopfhörer umgestiegen bin, steigt meine Erfolgsquote. Aber seit einigen Wochen steht auf dem Weg zur Arbeit ein sehr nervöser Mann mit Klemmbrett vor der Treppe zum Metro-Gleis. Meine Kopfhörer scheinen ihn nicht zu interessieren, oder er ignoriert sie galant: Er spricht mich trotzdem an – fast jeden Tag.

Trick Nummer drei funktioniert nur in Gesellschaft: Einfach laut und angeregt auf Deutsch unterhalten.

Foto: Mateusz Stachowski / Stock.XCHNG
In Prag ist man aber selbst mit einer Kombination dieser Tricks nie wirklich ganz sicher vor den gierigen Interviewern. Ein Beispiel: Vor einiger Zeit war ich mit meiner Freundin im Park. Wir haben uns ein bisschen unterhalten. Ich hörte dabei auf einem Ohr noch Musik. Nicht, weil ich schlecht erzogen bin, sondern weil wir joggten. In einer abgelegenen Ecke des Parks passierte dann das Unfassbare: Eine verzweifelt dreinschauende Frau mit Zettel und Stift vor der Brust wollte uns zu irgendetwas befragen. Wie gesagt: Wir joggten! Meiner Aufforderung auf Englisch, doch bitte neben uns herzulaufen, wenn sie unsere Antworten haben möchte, folgte sie nicht.

Foto: Kostya Kisleyko / Stock.XCHNG
Ich weiß nicht, was durch diese ganzen Befragungen alles erhoben wird – ich entziehe mich ihnen ja immer –, ich weiß nur, dass ich dringend eine neue, zu 100 Prozent sichere Methode brauche, mit der ich mir Interviewer vom Leib halten kann.

Vielleicht gehe ich von nun an einfach mit einem Klemmbrett durch die Stadt.