Ano-Partei von Andrej Babiš in Umfrage auf Rekordhoch

Andrej Babiš, Karel Havlíček, Alena Schillerová und Richard Brabec

Wäre Ende Februar oder Anfang März in Tschechien das Parlament neugewählt worden, hätte die oppositionelle Partei Ano mit Andrej Babiš an der Spitze diese mit fast 40 Prozent gewonnen. Das ergibt sich aus dem aktuellen Wahlmodell des Meinungsforschungsinstituts Kantar für das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen (ČT).

Würden jetzt hierzulande Parlamentswahlen stattfinden, erhielte die Partei Ano 38,5 Prozent der Stimmen. Dies ist das beste Ergebnis für die Partei von Milliardär Andrej Babiš seit das Meinungsforschungsinstitut Kantar 2014 mit seinen Erhebungen begonnen hat. Der Politologe Ladislav Cabada von der Metropolitan University in Prag erläuterte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks, was hinter dem Aufstieg steht:

Ladislav Cabada | Foto: Karolína Němcová,  Tschechischer Rundfunk

„Andrej Babiš und der Partei Ano gelingt es, vor allem Wähler von Parteien zu gewinnen, die nicht im Parlament vertreten sind. Das heißt von denjenigen politischen Kräften, die bei der vergangenen Wahl unter der Fünfprozenthürde geblieben sind – dies sind etwa die Sozialdemokraten, aber auch etwa Přísaha und weitere kleinere Parteien.“

Wie Cabada ergänzt, hätten keine konkreten Themen zum Erfolg der Partei Ano beigetragen, sondern allgemein die Strategie des Populismus:

„Das bedeutet, einfache Aussagen zu präsentieren, eine Atmosphäre der Angst zu schaffen und Emotionen aufzugreifen. Es gibt nicht ein konkretes Thema, aber mehrere tragende Themen. Dazu gehört eine ziemlich negative Rhetorik in Bezug auf die Ukraine und die Ukrainer als ethnische Gruppe und Minderheit. Weiter sind es wirtschaftliche Fragen: Es wird betont, dass die Partei Ano während ihrer Zeit in der Regierung mehr Geld ausgegeben habe, wohingegen die jetzige Regierung spare.“

Die Demokratische Bürgerpartei (ODS) als stärkste Regierungskraft würde der Umfrage nach mit 14,5 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz landen, die mitregierenden Piraten würden 10 Prozent der Stimmen erhalten und die oppositionelle Rechtsaußenpartei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) 9 Prozent. Zudem würden noch zwei weitere Regierungskräfte den Einzug ins Abgeordnetenhaus schaffen: die Bürgermeisterpartei Stan mit 7 Prozent und die Partei Top 09 mit 5 Prozent. Würden die drei Regierungsparteien Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Top 09 so wie 2021 erneut als Wahlbündnis kandidieren, kämen sie derzeit auf 20 Prozent der Stimmen.

Dass Babiš allerdings der Rechtsaußenpartei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) keine Wähler abspenstig machen konnte, überrascht den Politologen Cabada eher nicht:

„Allgemein gilt, dass in jeder Gesellschaft ein stabiler Kern von – sagen wir – radikalen bis extremistischen Wählern besteht. Die Zustimmung von rund zehn Prozent, die die SPD in den letzten Jahren hat, entspricht diesem Phänomen innerhalb der Gesellschaft. Andrej Babiš hat sicher gehofft, einen Teil dieser Wähler mittels seiner Rhetorik an sich zu ziehen. Es scheint aber, dass dies bis jetzt nicht gelungen ist.“

Cabada hält eben die emotionale Rhetorik von Andrej Babiš entscheidend dafür, dass er Wähler hinzugewinnen konnte:

Andrej Babiš | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Ohne klar zu sagen, wie er sie lösen würde, betont er, dass es Schlüsselprobleme gebe, die gelöst werden müssen. In diesem Zusammenhang behauptet er, die jetzige Regierung stelle sich negativ dazu und biete keine Lösungen an. Das betrifft etwa die Sozialpolitik und die Wohnungspolitik. Babiš und seine Partei Ano schaffen es, die Menschen davon zu überzeugen, dass es diese Probleme gebe und er der einzige Akteur sei, der sie künftig lösen könne.“

Der Parteichef der Bürgerdemokraten und Premier Petr Fiala reagierte auf die neuesten Wahlumfragen am Sonntag über den Kurznachrichtendienst X. Um neue Wähler anzusprechen, nutze die Oppositionspartei Ano gezielt eine radikale Rhetorik, die sich gegen die Westausrichtung des Landes wende und die demokratische Kultur schwäche, warnte er. Jeder, dem etwas an Freiheit, Demokratie, Souveränität und Sicherheit in Tschechien liege, solle gegen den Populismus ankämpfen, forderte der Regierungschef. Die Reaktion entspreche dem Trend, der sich beobachten lasse, meint der Politologe Ladislav Cabada:

„Würden die Wahlen jetzt stattfinden, könnte die Partei Ano zusammen mit der SPD von Tomio Okamura nicht nur die Regierung bilden, sondern auch die Verfassungsmehrheit stellen. Im Kontext der Entwicklung, die sich in der Slowakei und in Ungaren beobachten lässt, macht dies jeden Demokraten sehr besorgt. Petr Fiala hat seine Reaktion eben in diese Richtung formuliert – dass es nötig sei, die Demokratie zu schützen.“

Autoren: Markéta Kachlíková , Pavlína Nečásková
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