Parteienportrait Nr. 5: Die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten

Radek John (Foto: ČTK)

Senkrechtstarter, Komet, liberal-populistisch oder unbeschriebenes Blatt Papier - mit diesen und ähnlichen Attributen wird sie bezeichnet, die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, auf Tschechisch Věci veřejné (VV). In den Parlamentswahlen hat sie 11 Prozent der Stimmen für sich verbucht.

Radek John
So ganz unbeschrieben ist das Blatt dieser Partei wiederum auch nicht. Den Einzug ins Abgeordnetenhaus hat sie nämlich aus der Kommunalpolitik geschafft. Offiziell gegründet wurde die „VV“, so die tschechische Abkürzung der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, im Jahr 2001. Sie hatte sich die Alltagsprobleme der Bürger auf die Fahne geschrieben wie etwa Wohnmieten, Verkehrskrawall, soziale oder rechtliche Probleme. 2002 gewann die Partei ein Mandat im 1. Prager Stadtbezirk. Mit dem jüngsten Aufstieg ist ihr wahrlich ein Meisterstück gelungen.

Vít Bárta
„Es ist klar, dass die Menschen gegen die großen etablierten Parteien gewählt haben und sich für Veränderungen einsetzen,“ so der Parteivorsitzende Radek John in nahezu jedem Interview. Schließlich lautete einer der Wahlslogans der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten: „Wir wollen die Dinosaurier aus der Politik fegen.“ Nichtsdestotrotz nimmt sie an den seit drei Wochen laufenden Verhandlungen über eine potentielle Koalition mit den altbekannten Matadoren der ODS und der TOP 09 teil. Ungeachtet der eigenen Beteuerungen im Stil der zögernden Braut, man müsse gar nicht unbedingt regieren.

Kristýna Kočí
Auch durch die persönlichen Eckdaten ihres dreiköpfigen Verhandlungsteams unterscheidet sich diese Partei wesentlich von ihren möglichen Partnern ODS und TOP 09. Mit von der Partei sind außer Radek John (Jahrgang 1954), dem ehemaligen Reporter-Star beim TV-Sender Nova, auch Vít Bárta, der 37-jährige Eigner einer der größten Sicherheitsagenturen hierzulande und der wahrscheinliche Sponsor der Partei sowie die 25-jährige Politologie-Doktorandin, Kristýna Kočí.

In die höchste Etage der politischen Arena zog die Partei mit rasanten Vorschlägen zur Lösung der gravierenden Probleme ein –vor allem, was die Sanierung des Staatshaushalts und Korruption betrifft.

Die Vorschläge seiner Partei für Antikorruptionsmaßnahmen seien härter, mutiger und wohl auch effektiver als die der Verhandlungspartner, behauptet der Vorsitzende John. Mit dieser Rhetorik versprach die VV-Partei als Rezept, die die Betrugs- und Korruptionsbeständigkeit von Vertretern der Staatsverwaltung zu testen. Das stieß auf offene Ohren bei 11 Prozent der Wähler. Aus Bürgersicht nicht weniger interessant klang die Absicht, die Einkünfte der Regierungsmitglieder sowie der Abgeordneten zu senken, bei der künftigen Rentenreform die soziale Solidarität in der Gesellschaft zu berücksichtigen, die Armeeausgaben zu streichen und die des Schulwesens kräftig aufzustocken.

Von 200 Abgeordneten werden demnächst 114 zum allerersten Mal ins Parlament einziehen, davon 24 für die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten. Unser Mitarbeiter und Politologe, Robert Schuster, sieht das größte Unsicherheitsmoment dieser Partei in ihrer mangelnden politischen Erfahrung:

„Die Partei hat auf Anhieb sehr viele Mandate und einen sehr großen Einfluss erreicht. Es wird darauf ankommen, wie sie diesen Einfluss geltend machen wird. Wird sie versuchen, wie sie es deklariert, eine offene, moderne Politik zu betreiben? Oder aber eine Politik, die vor allen Dingen den Hauptsponsoren der Partei, die im Hintergrund stehen, und den Prager Geschäftsleuten dient?“