Abtrünnige oder VV-Partei – Premier Nečas in der Zwickmühle

Petr Nečas (Foto: ČTK)

Die Regierungskoalition steht vor einer Zerreißprobe. Grund ist der kleinste Partner des Drei-Parteien-Bündnisses, die Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV). Eine ihrer Führungspersönlichkeiten, Vizepremierministerin Karolína Peake, hatte sich am Dienstag entschlossen, ihre Partei und ihre Fraktion zu verlassen, mit weiteren Abtrünnigen eine eigene Partei zu gründen und die Arbeit der Regierung fortzuführen. Premier Petr Nečas muss nun entscheiden, mit wem er weiterarbeiten will.

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Petr Nečas führt eigentlich eine Regierung, die auf einem Koalitionsvertrag zwischen seiner Partei ODS, der Partei Top 09 und der Partei der öffentlichen Angelegenheiten beruht. Sie kann sich auf die Unterstützung einer großen Mehrheit an Abgeordneten eben dieser drei Parteien stützen und dadurch Gesetze im Parlament relativ leicht beschließen. Die neusten Entwicklungen bringen dieses Gefüge aber durcheinander: Aus der Fraktion der VV-Partei sind mehrere Abgeordnete unter Führung von Karolína Peake ausgetreten, wollen aber die Regierung weiter unterstützen. Nečas hat angekündigt, mit diesen „Abtrünnigen“ weiterarbeiten zu wollen, sofern sie auf die erforderliche Zahl von Abgeordneten für den Erhalt der Regierungsmehrheit kommen. Aber eigentlich beruht seine Koalition auf einem Vertrag mit der VV-Partei – und deren Fraktion existiert weiterhin und gibt sich kämpferisch:

Kateřina Klasnová  (Foto: ČTK)
„Wir haben erklärt, dass wir zu Verhandlungen bereit sind. Wir sind aber auch zu einer konstruktiven Opposition bereit. Gewiss werden wir die Koalitionspartner nicht um Gnade bitten: Wenn der Premier mit uns verhandeln will, ist das gut, wenn er nicht will, ist das auch gut.“

So Kateřina Klasnová, die stellvertretende Vorsitzende der VV-Partei. Nečas hat aber nun tatsächlich ein Problem: Bisher sind Karolína Peake nur sechs Abgeordnete aus der VV-Fraktion gefolgt, für eine Mehrheit braucht er aber mindestens acht Abgeordnete.

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Die Opposition spricht daher von fehlender Legitimation der derzeitigen Regierung. Bohuslav Sobotka, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, drohte dann auch:

„Wir haben die nötige Zahl an Abgeordneten, um ein Misstrauensvotum zu initiieren, um zu überprüfen, ob diese Regierung legitim ist und das Vertrauen des Abgeordnetenhauses genießt. Wir wollen die ODS und die Top 09 dazu bringen, sich zu entscheiden: Wollen sie Neuwahlen, oder wollen sie den Wahnsinn mit den Resten der VV-Partei fortsetzen.“

Jan Wintr  (Foto: Archiv von Jan Wintr)
Steht die Tschechische Republik nun „nur“ vor einer Regierungskrise oder sogar vor einer Verfassungskrise? Jan Wintr ist Verfassungstheoretiker und hat das Buch „Tschechische parlamentarische Kultur“ geschrieben. Seiner Meinung nach kann sich die derzeitige Regierung auch durch die Gruppe um Peake unterstützen lassen:

„Aus Verfassungssicht ist das zulässig, denn die Verfassung geht davon aus, dass jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet ist.“

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Seine Mehrheit wird Nečas aber wohl finden müssen. Sollte es nämlich zu Neuwahlen kommen, gibt es laut einer aktuellen Meinungsumfrage einen deutlichen Gewinner der Krise: die Kommunistische Partei. Sie hat mit 20 Prozent der Stimmen die ODS überholt, die nur noch auf 17 Prozent käme.