Deutscher Botschafter chattet mit tschechischen Bürgern

Johannes Haindl

Deutschland ist für viele Tschechen ein Land mit zwei ausgeprägten Gesichtern. Es ist das Land, dessen aggressive Züge schmerzhafte Spuren in der tschechischen Erinnerung hinterlassen haben. Es ist aber zugleich das Nachbarland, das durch seine Größe und Wirtschaftsleistung eine ungeheure Anziehungskraft entfaltet. Genügend Gründe, weshalb sich in dieser Woche der deutsche Botschafter in Prag, Johannes Haindl, den Fragen tschechischer Bürger in einem Internet-Chat stellte. Christian Rühmkorf sprach mit dem Botschafter über seine jüngsten Chat-Erfahrungen.

Herr Botschafter Haindl, Sie haben sich am Dienstag den Fragen der tschechischen Bürger gestellt und zwar in einem Internet-Chat auf dem Nachrichtenserver www.idnes.cz. War das für Sie eine Premiere, dass Sie sich direkt den Fragen der „normalen“ Bürger gestellt haben?

Johannes Haindl
Johannes Haindl: „Es war für mich eine Premiere, und es war für mich eine sehr interessante und schöne Erfahrung. Und ich war sehr positiv davon überrascht, wie groß das Interesse der Tschechinnen und Tschechen hier an einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter ist.“

Wie viele Fragen haben Sie gestellt bekommen? Ich glaube, der Chat hat eine Stunde lang gedauert, oder?

Johannes Haindl: „Es war eine gute Stunde. Aber ich weiß gar nicht mehr wie viele Fragen das waren. Ich weiß nur, dass der Dolmetscher - der leider das alles für mich übersetzen musste, denn mein Tschechisch ist noch nicht so gut – doch zunehmend ins Schwitzen kam, weil es sehr sehr viel Arbeit war. Also ich schätze, dass es doch ein paar Dutzend Fragen waren.“

Gebäude der Deutschen Botschaft Prag
Welche Hauptthemen haben sich bei diesem Chat herauskristallisiert? Was beschäftigt die Tschechen in Bezug auf Deutschland?

Johannes Haindl: „Für mich überraschend war das große Interesse, das bei den Fragen in Bezug auf die Hilfe für Griechenland vorherrschte. Das waren Fragen, die auch das ganze Spektrum der Meinungen abgedeckt haben, also sowohl den Aspekt der Solidarität mit Griechenland in den Vordergrund gestellt haben als auch den Aspekt, dass jede Regierung mit den Steuergeldern, die sie einnimmt, verantwortungsvoll umgehen muss.“

Massenproteste in Griechenland  (Foto: ČTK)
Was ist in Bezug auf das Thema Griechenland die größte Angst, die Ihnen bei den Tschechen begegnet ist?

Johannes Haindl: „Ich habe eigentlich keine Angst feststellen können. Was ich festgestellt habe, ist eine große Aufmerksamkeit, ein großes Interesse, mit dem man dieses Thema verfolgt, und auch noch ein großes Interesse an der Art und Weise, wie dieses Thema in Deutschland diskutiert wird. Wie Sie ja wissen, gab es dazu durchaus eine Diskussion.“

Foto: Helmut Gevert,  www.sxc.hu
Das Thema ist auch für Tschechien indirekt von Bedeutung, nämlich was die Frage der Einführung des Euro betrifft. Wurden Sie darauf angesprochen, vielleicht auch mit Blick auf die D-Mark, die es ja nicht mehr gibt? Denn die Tschechen halten ja an der Krone im Grunde fest.

Johannes Haindl: „Nein, ich wurde nicht danach gefragt. Und das ist auch kein Thema, zu dem der deutsche Botschafter sich äußern würde. Ob die Tschechen den Euro einführen sollen oder nicht, ist eine Sache, welche die Tschechen entscheiden müssen.“

Grenzkontrollen in Deutschland
Ein anderes großes Thema – könnte ich mir vorstellen – waren die Kontrollen durch die bayerische und sächsische Polizei bei tschechischen Autofahrern im Grenzgebiet. Was wurden Sie da gefragt?

Johannes Haindl: „Sie haben Recht, das war ein Thema. Und natürlich wurde auch immer wieder Kritik an diesen Kontrollen geäußert. Ich habe deutlich zu machen versucht, dass es hier um keine gezielten Aktionen gegen Tschechen geht, sondern darum, dass durch den Wegfall der Grenzkontrollen trotzdem Sicherheit gewährleistet bleibt. Und zwar Sicherheit, von der sowohl die Tschechen als auch die Deutschen profitieren können. Ich habe darauf hingewiesen, dass, wenn es tatsächlich in Einzelfällen zu Unkorrektheiten oder perzipierten Unkorrektheiten kommt, die Leute sich beschweren sollen, die Leute das melden sollen. Denn unser Interesse ist, dass wir diese Kontrollen so korrekt durchführen wie möglich und dass es so wenig wie möglich einen Eingriff in die Reisefreiheit gibt. Wir haben ein großes Interesse daran, dass Tschechen von den offenen Grenzen profitieren und dass sie nach Deutschland kommen, um uns zu besuchen. Das ist unser Ziel und unser Wunsch.“

Foto: www.grundsucher.de
Haben Sie hinsichtlich der Autofahrerkontrollen vielleicht auch Zustimmung in diesem Chat erfahren?

Johannes Haindl: „Das weiß ich jetzt gar nicht mehr so ganz genau, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich oft Zustimmung erfahre im persönlichen Gespräch, in dem mir Leute versichern, dass sie zwar kontrolliert worden sind, aber die Kontrollen sehr korrekt abliefen und auch keine weitere Belästigung darstellten; und dass die Leute auch Verständnis dafür haben. Denn wie gesagt: Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität, der Kampf gegen die Kriminalität überhaupt ist im Interesse unserer beider Länder.“

Foto: Jakub Krechowicz,  www.sxc.hu
Das waren jetzt die Themen, die den Chat dominiert haben. Gab es auch Fragen, die so ein bisschen Randthemen ansprachen?

Johannes Haindl: „Die letzte Frage war sicherlich eine Frage, mit der ich nicht gerechnet habe, nämlich: Ob ich die Antworten selber schreibe oder ob ich einen Dolmetscher brauche. Und ich musste zu meiner Schande zugeben: Ich bin noch auf einen Dolmetscher angewiesen. Und das wird – befürchte ich – auch noch eine Zeit so bleiben, denn Tschechisch ist nicht so ganz einfach zu lernen.“

Gut, Sie sind ja auch erst seit einem Dreivierteljahr hier in Prag. Insofern ist das, glaube ich, auch völlig verständlich. Jeder weiß, wie schwer diese Sprache ist. Gab es eine Frage, die Sie wirklich überrascht hat, über die Sie – sagen wir mal – ernsthaft nachdenken mussten?

Johannes Haindl: „Es gab eine Frage, mit der ich nicht unbedingt gerechnet habe. Das war die Frage, ob ich davon ausgehe, dass es in Kürze in Prag einen Wenzel-Jaksch-Platz und in Berlin einen Edvard-Beneš-Platz gibt.“

Vielleicht müssen wir dazu ganz kurz erklären: Wenzel Jaksch war der Parteiführer der sudetendeutschen Sozialdemokraten, also kein Nationalsozialist. Und Edvard Beneš war der tschechoslowakische Präsident, in dessen Namen die Vertreibung der Sudetendeutschen stattgefunden hat. – Eine interessante Frage also…

Johannes Haindl: „Eine interessante Frage. Ich glaube, der Punkt ist, dass ich – in diesem Dreivierteljahr, das ich jetzt hier bin – doch feststelle, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit hier große Fortschritte macht und man sich immer offener dem stellt, was geschehen ist und zwar auf beiden Seiten.“

Also ein Wenzel-Jaksch-Platz in Prag, ein Edvard-Beneš-Platz in Berlin – nicht vorstellbar?

Johannes Haindl: „Ich weiß nicht, was vorstellbar ist – ich sehe augenblicklich keine aktuellen Bemühungen.“

Herr Botschafter, welches Bild haben Sie nun? Das war keine repräsentative Auswahl von Fragen; es waren Fragen, die von Interessenten gestellt auf diesem Server eintrudelten. Welches Bild haben Sie nun vom tschechischen Denken, von Problemen und Ängsten in diesem Land gegenüber Deutschland?

Johannes Haindl: „Ich würde diese Frage so gar nicht stellen wollen. Denn ich habe weder in dem Chat noch in den sonstigen Gesprächen, die ich hier mit Bürgerinnen und Bürgern führe, jemals das Gefühl, dass ich auf Ängste oder Vorbehalte stoße. Wir sind Nachbarn, wir haben eine lange gemeinsame – oft auch schwierige – Geschichte. Wir haben gleichzeitig auch sehr enge wirtschaftliche Verbindungen, wir kennen einander sehr gut. Und ich glaube, worum es jetzt geht, ist, dass wir aus diesem großen Potenzial, das in unseren bilateralen Beziehungen da ist, für die Zukunft das maximale Kapital schlagen. Und darin sehe ich meine Aufgabe, und ich habe das Gefühl, dass hier auch auf tschechischer Seite die Bereitschaft und das Interesse daran sehr groß sind.“

Václav Klaus und Johannes Haindl  (Foto: Christian Rühmkorf)
Herr Botschafter Haindl, wann stellen Sie sich das nächste Mal den Fragen der tschechischen Bürger auf einem Nachrichtenserver?

Johannes Haindl: „Wenn mein Tschechisch gut genug ist, dass ich selber antworten kann, denn mein Dolmetscher hat gestern wirklich geschwitzt.“ (lacht)

Dann hoffen wir, dass das nicht allzu lange dauert. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Johannes Haindl: „Dankeschön.“