Pornografie? Bundesbeauftragter in Berlin zensiert Fotos tschechischer Künstlerinnen
„Women in Czech Photography“, so heißt die Fotoausstellung im Berliner Kleisthaus, dem Sitz des Bundesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen. Drei anerkannte Fotografinnen aus Tschechien stellen hier aus, Tereza Vlčková, Dita Pepe und Míla Preslová. Ihre Ausstellung ist jedoch nicht komplett. Der Bundesbeauftragte Hubert Hüppe hat die Fotografinnen angewiesen, fünf Fotos abzuhängen. Der Vorwurf: sie sind pornografisch. Christian Rühmkorf hat am Freitag sowohl mit einer der Fotografinnen gesprochen als auch mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums. Denn das hat diese und weitere Veranstaltungen im Kleisthaus organisiert.
Das Tschechische Zentrum Berlin und der Bundesbeauftragte für behinderte Menschen arbeiten schon lange zusammen. Seit vielen Monaten findet unter dem Dach des Bundesbeauftragten, im Kleisthaus, eine besondere Veranstaltungsreihe statt, ein Jahr der tschechischen Kultur. Dass einige der Fotos, die aktuell ausgestellt werden sollten, angeblich pornografisch sind - wie der Bundesbeauftragte meint - das hat die Fotografin Tereza Vlčková getroffen.
„Ich muss sagen, das war ein Schock, denn wir haben das erst einen Tag vor der Vernissage erfahren. Ich musste drei meiner Fotografien abhängen. Es sind Fotos, auf denen meine Cousine zu sehen ist. Die Fotos waren gedacht als Illustration für ein Kinderbuch. Es sind sehr sensible, emotionale Fotos für Kinder und Erwachsene, die sich nicht fürchten mit offenen Augen zu träumen. Meine Cousine ist dort mit Lamas zu sehen, und die Atmosphäre ist eher wie aus dem Reich der Phantasie. Also insgesamt war das für uns sehr unangenehm. Am meisten sicher für Míla Preslová, weil es sich um Fotos von ihrem Sohn handelt. Wir beide waren wie vor den Kopf gestoßen.“Auch Martin Krafl, der Leiter des Tschechischen Zentrums, sagte gegenüber Radio Prag, er könne die Bedenken des Bundesbeauftragten Hüppe nicht verstehen.
Krafl:„Ich finde das natürlich sehr bedauerlich, weil man meines Erachtens da überhaupt nicht von Pornografie sprechen kann. Míla Preslová zeigt in ihren Bildern eigentlich ihren Sohn, der einen Purzelbaum macht. Er ist zwar nackt, aber die Betrachter sehen bei dem sehr kleinen Jungen nur seinen Kopf und seine Beine. Preslová reflektiert damit wichtige Augenblicke ihres Lebens als Mutter. Also es ist wirklich ein Familienmotiv, da geht es um die Gefühle einer Mutter. Und Tereza Vlčková hat in ihren Bildern ein kleines Mädchen gezeigt, das nicht nackt ist. Es hat eine Unterhose an und sie trägt zwei Ballons in den Händen und um sie herum sind verschiedene Tiere. Da handelt es sich um Träume von Kindern. Und ihr geht es eigentlich darum, in diesen Bildern den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit darzustellen.“Haben Sie, haben vielleicht auch die beiden Fotografinnen darüber nachgedacht, die Ausstellung unter diesen Bedingungen abzusagen?
Krafl:„Ja, also eigentlich wurde uns vorgeschlagen, dass diese Bilder entweder wegkommen oder die Ausstellung nicht stattfindet. Und unter diesen Bedingungen haben wir uns zusammen mit den Künstlerinnen entscheiden, dass wir die Ausstellung bestehen lassen, aber ohne diese Bilder, die genannt wurden. Es ist aber für beide natürlich sehr bedauerlich und besonders Míla Preslová ist sehr betroffen.“
Herr Krafl, Berlin gilt als der liberalste Ort in Deutschland. Ist es nicht ungewöhnlich auch für Sie, der Sie dort leben und dort Erfahrungen gemacht haben – ist das nicht ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang?
Krafl:„Auf jeden Fall. Seit den letzten zweieinhalb Jahren, seitdem ich in Berlin wohne und arbeite, ist das für mich eine riesige Überraschung, es ist auch zum ersten Mal passiert. Aber andererseits muss ich sagen, dass es sicher mit der jetzigen Atmosphäre nicht nur in Berlin, sondern in Deutschland zusammenhängt und zwar mit den Skandalen um den Missbrauch von Kindern in der Katholischen Kirche.“
Da sehen Sie einen Zusammenhang, dass man jetzt sehr sensibel in Deutschland reagiert…
Krafl:„Ich nehme an, dass gerade dieses Thema bei dieser persönlichen Entscheidung und Meinung eine Rolle spielen könnte.“
Der Länderschwerpunkt Tschechien – diese Veranstaltungsreihe findet auch unter der Schirmherrschaft des tschechischen Botschafters statt. Gibt es jetzt eine diplomatische Krise auf kulturellem Gebiet zwischen Tschechien und Deutschland?
Krafl:„Ich hoffe nicht. Ich muss sagen, dass dieses Projekt sehr erfolgreich ist und ein riesiges Interesse des Publikums an unseren Veranstaltungen beweist. Wir planen auch weitere Veranstaltungen. Im Mai haben wir eine lange Nacht der Tschechischen Literatur; im Juni wird im Kleisthaus die Hip-Hop-Band Gipsy.cz auftreten und wir beide (Krafl und Hüppe, Anm. d. Red.) hoffen, dass dieser unglückliche Fall jetzt keine Folgen für unsere gemeinsame Veranstaltungsreihe haben wird.
Dass heißt, sie werden Sie weiter mit dem Bundesbeauftragten zusammenarbeiten?Krafl:„Auf jeden Fall.“