Lektion für Schulleiter in Tschechien: Deutschunterricht muss attraktiver werden
Englisch ist Standard, Spanisch und Russisch sind im Kommen. Und Deutsch? Verliert an Bedeutung. Immer weniger tschechische Schüler wollen die Sprache ihrer deutschsprachigen Nachbarn lernen. Um dagegenzuhalten, arbeiten das Goethe-Institut und das Schulministerium zusammen. Zum Beispiel haben sie dafür Schuldirektoren aus ganz Tschechien im Februar nach Prag eingeladen.
Deutschlehrerin Eliška Ducháčová erzählt über die Situation am Gymnasium im ostböhmischen Jaroměř / Jermer:
„Wir haben eine Partnerschule in Deutschland und haben Interesse an weiteren Kontakten mit deutschen Schulen. Wir möchten auch gern die jetzige Situation verbessern, weil es immer weniger Schüler gibt, die sich für Deutsch interessieren. Die meisten wählen heute Englisch und wir finden das natürlich nicht richtig, denn zu Deutschland haben wir viele Kontakte. In unserem Landkreis gibt es viele deutsche Firmen und wir denken unsere Schüler sollten eben auch Deutsch lernen.“
Von den 500 Schülern in Ducháčovás Schule lernen etwa ein Drittel Deutsch als zweite Fremdsprache - Tendenz abnehmend. Nicht nur in Jaroměř, sondern in ganz Tschechien ist der Abwärtstrend zu beobachten, bedauert Edita Kotorová. Sie arbeitet bei Tandem, einer Einrichtung des Schulministeriums, die den tschechisch-deutschen Jugendaustausch fördert:
„Wir vermuten, dass es daran liegt, dass Deutsch schon vor dem Jahr `89 als schwierige Sprache galt und dass der Unterreicht in den 90er Jahren nicht so attraktiv war wie der Englischunterricht. Ganz viele Muttersprachler sind gekommen, vor allem aus den USA. Das war etwas völlig anderes für die Kinder. Und irgendwie ist der Ruf der deutschen Sprache als eine schwierige Sprache und der Deutschunterricht als nicht spannender Unterricht geblieben.“
Edita Kotorová kennt viele Gründe, warum Tschechen Deutsch lernen sollten: Nicht nur, weil Deutschland und Österreich Nachbarländer und damit Reiseziele sind, es gibt auch viele deutsche Firmen in Tschechien. Deutsch – ein Sprungbrett für die Karriere? 300 Kilometer westlich von Jaroměř hat man das erkannt. Gleich an der Grenze zur Oberpfalz liegt Planá / Plan. Vladimir Kasík unterrichtet an der Berufsschule des kleinen Ortes. Deutsch ist dort Pflichtfach:„Von der Lage her ist es ein Vorteil, dass die Schüler bei uns Deutsch lernen. Es sind ja nur zehn, zwanzig Kilometer zur Grenze. Wir fahren fast tagtäglich nach Deutschland, entweder zum Einkaufen, um Leute zu treffen oder um ins Kino zu gehen. Also ist Deutsch für uns die Sprache Nummer eins.“
Vladimír Kasík ist der Meinung, dass die Schüler eine Sprache erleben müssen, um sich dafür zu begeistern. Er fördert den Austausch im kleinen Rahmen, ohne große finanzielle Unterstützung:
„Es darf kein verschultes Deutsch sein. Die Schüler möchten nicht das Gefühl haben, dass sie in der Schule sitzen und Deutsch lernen müssen. Man muss die Vorteile zeigen, die die Sprache bringt, und dann wird es sehr gut angenommen. Wir haben letztes Jahr für unsere Schüler einen Ausflug zum Weihnachtsmarkt nach Deutschland organisiert. Sie waren begeistert und möchten das wieder machen. Also kann eine Schule das auch alleine auf die Beine stellen. Einfach zu sagen, dass nächste Woche etwas passieren kann und flexibel sein.“
Während auf der Konferenz breit diskutiert wurde, wie Deutsch mit Hilfe von Förderprogrammen und langen Anträgen gefördert werden kann, betont Vladimír Kasík die spontane Eigeninitiative der Schulen. Deutsch hat in der Berufsschule in Planá einen Vorteil: Es ist dort Pflichtfach. Englisch ist hingegen nur freiwilliges Angebot für die Nachmittagsstunden, in den meisten Schulen in Tschechien jedoch längst ein Muss als erste Fremdsprache. In Deutschland könnten sowieso alle Englisch, hören die Lehrer immer wieder. Aber auch als zweite Fremdsprache ist Deutsch nicht mehr beliebt. Französisch, Spanisch und Russisch sind angesagt, sagt Edita Kotorová:„Russisch ist im Kommen und viele Eltern glauben, dass ihre Kinder eine slawische Sprache viel schneller und besser lernen können. Wenn sie wissen, dass ihre Kinder Schwierigkeiten in der Schule haben, wollen sie, dass sie Russisch lernen, weil es zum Beispiel einfacher ist als Deutsch.“
Deutsch könne nur beliebter werden, wenn sich die Jugendlichen begegnen. Tandem berät daher über Möglichkeiten des Austausches und vermittelt Kontakte an Schulen. Dabei stoße man aber immer wieder auf ein Problem, so Kotorová:
„Wir machen immer Seminare für Lehrer und Lehrerinnen, und manchmal hören wir Beschwerden, dass die Schulleitung die deutsch-tschechischen Projekte nicht unterstützt. Und deshalb haben wir uns entschieden eine Konferenz für Schulleiter zu organisieren.“Was kam also bei dem Treffen im Februar heraus? In Diskussionen und Vorträgen sollten Schulleiter ermutigt werden, selbst aktiv zu werden. Es gibt viele Möglichkeiten, den Unterricht attraktiver zu machen. Partnerschulen sind leicht zu finden und Gelder vorhanden. Man muss nur wissen, wie man sie beantragt. Einrichtungen wie der Deutsch-tschechische Zukunftsfonds, die Brücke/Most-Stiftung oder das Leonardo-Da-Vinci-Programm sind dafür nützliche Adressen. Die Deutschlehrerin Eliška Duchačová aus Jaroměř hat durch die Veranstaltung wichtige Impulse bekommen:
„Ich habe viel Interessantes über die Möglichkeit der Finanzierung von verschiedenen Projekten erfahren. In den letzten Jahren entstand ziemlich viel Neues.Wir sind ja in Ostböhmen und es tut gut, wenn man ab und zu im Zentrum ist und hört, was eigentlich alles möglich ist.“
Mit 50 Anmeldungen hatten das Goethe-Institut und Tandem anfangs gerechnet. Dass dann über 250 Schulleiter zu der Konferenz kommen wollten, überraschte sie. So ist im Juni ein weiterer Termin angesetzt, da bei der ersten Veranstaltung im Februar nur 120 Direktoren und Lehrer einen Platz fanden.