Musikbrücke Prag-Dresden: an barocke Traditionen anbinden

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Die Autobahnverbindung von Prag nach Dresden ist immer noch nicht ganz fertig. Die beiden Städte verbindet nun aber bereits eine Brücke: die „Musikbrücke“. Gemeint ist damit ein Konzertzyklus, der an die Musiktraditionen beider Städte anknüpfen soll, die besonders im Barock sehr lebendig waren. Iris Riedel hat mit dem musikalischen Leiter und Initiator des Projektes „Musikbrücke“ gesprochen und vorher ein Konzert besucht.

Das Kirchenschiff der barocken Prager Kirche des heiligen Simon und Judas ist voll mit goldenen Verzierungen und farbenfrohen Malereien. Das richtige Ambiente für Vivaldis Konzert für Geige, Streicher und Basso Continuo. Der Klang füllt den Raum aus, als würde er von einem hundertköpfigen Orchester stammen. Dabei stehen vor dem Altar gerade mal zwei Dutzend Streicher und ein Cembalo. Gemeinsam bilden sie das „Collegium 1704“. Außer dem Instrumentalcollegium gibt es auch noch das „Collegium Vocale 1704“. Der künstlerische Leiter beider Ensembles ist Václav Luks, der energische junge Mann am Cembalo:

„Eigentlich ist das ein Ensemble unter einem Dach, das zwei Teile hat. Das Instrumentalcollegium ist ein Barockorchester und das Vokalcollegium ist ein Kammerchor, wenn man das so sagen will. Ich sage lieber ein Vokalensemble, eine Gruppe von phantastischen Sängern, die gerne zusammen singen.“

Václav Luks gründete 1991, noch während seines Studiums am Konservatorium in Plzeň/Pilsen, das Barockorchester. Das Vokalensemble kam später hinzu. Seit April 2008 geben die Ensembles ihre Konzerte doppelt, nämlich einmal in Prag und einmal in Dresden. Damit schlagen sie eine Brücke zwischen den beiden Städten, die „Musikbrücke Prag-Dresden“. Auch das ist ein Einfall von Václav Luks:

„Am Anfang des Projektes stand die Idee, Prag und Dresden als zwei wichtige Kulturstädte zu verbinden. Ich habe mich sehr lange und intensiv mit der Kulturgeschichte beider Städte beschäftigt und habe gesehen, dass es so viele Gemeinsamkeiten gibt und soviele Symbole, die die beiden Städte verbinden.“

Zwar lässt sich die Strecke Dresden-Prag heute im Auto oder Zug viel schneller zurücklegen als im barocken Zeitalter, aber trotzdem waren damals die musikalischen Beziehungen intensiver als heute. Das wichtigste Bindeglied war der tschechische Barockkomponist Jan Dismas Zelenka.

„Die Dresdner halten ihn auch ein bisschen für ihren eigenen Komponisten; und wir natürlich für unseren Komponisten. Darüber kann man sich streiten und das ist auch schön!“, bemerkt Václav Luks mit einem Augenzwinkern.

Jan Dismas Zelenka trat 1710 eine Stelle als Violonist am sächsischen Hof in Dresden an. Mit Ausnahme weniger Aufenthalte in Wien, Italien und Prag blieb Zelenka bis zu seinem Tod in Dresden. Mit ihm hängt auch der Name der beiden „Collegien 1704“ zusammen.

„Das ist ein bisschen geheimsnisvoll. Das Jahr ist ein bisschen symbolisch, denn man weiß kaum etwas von Jan Dismas Zelenka bis zum Jahr 1704. Seine Studienzeiten und seine Kindheit sind völlig unbekannt. In dem Jahr wurde in Prag sein Spiel ‚Via Laureata’ aufgeführt. Und für uns ist das ein Symbol für den Anfang der Blütezeit der böhmischen Barockmusik.“

Die Stücke von Jan Dismas Zelenka finden sich regelmäßigen im musikalischen Menü der „Musikbrücke Prag-Dresden“, aber auch deutsche Barockmusik wie Bach und Händel. In der nächsten Saison, die im Februar beginnt, wird der Schwerpunkt auf der italienischen Musik liegen, weil diese – meint Luks – sehr wichtig für die Entwicklung der Barockkultur in Dresden und Prag war.

Das musikalische Repertoire wird sich also erweitern und es sollen auch neue Brückenpfeiler gesetzt werden. Václav Luks denkt dabei an Orte in den Grenzgebieten, wie Ústí nad Labem/Aussig, Pirna oder Annaberg.

„Die Grenzgebiete sind jene Gebiete, die auch geschichtlich ein wenig schwierig sind und wo man freundschaftliche Beziehungen und Gemeinsamkeiten suchen sollte.“

Und deren Musik sei noch sehr wenig erforscht. Václav Luks will nämlich in Zukunft auch mehr Gewicht auf die Musikwissenschaft legen. Dabei hofft er auf rege Beteiligung aus Dresden, damit über die Musikbrücke keine Einbahnstraße führt. Zunehmend sollen nicht nur die Collegien 1704 von Prag nach Dresden fahren und ihre Stücke vorführen, sondern auch Dresdner Ensembles in Prag auftreten. Kritisch ist dabei immer wieder die finanzielle Frage. Bisher wurde die „Musikbrücke Prag-Dresden“ fast ausschließlich aus tschechischen Töpfen bezahlt. Das war Luks’ Wunsch, denn er wollte nicht die Musik nach Dresden bringen und im Gegenzug Geld abschöpfen. Doch auf längere Sicht ist es wünschenswert, dass die Brücke auf Beidseitigkeit beruht – sowohl musikalisch als auch finanziell.

Wer auch einmal auf der Musikbrücke wandeln will, der hat schon bald die Gelegenheit dazu. Am 31. Dezember gibt es ein Konzert in Prag und am Neujahrstag treten das Instrumental- und das Vokalensemble 1704 in Dresden auf. Genaueres finden Sie im Internet unter www.collegium1704.com.

Autor: Iris Riedel
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