Prag: 14. Jahrgang des deutschsprachigen Theaterfestivals
Es ist einer der Fixpunkte des Prager Kulturherbstes: das Festival des deutschsprachigen Theaters. Und jedes Jahr aufs Neue werden auch Zweifel daran laut, ob es denn diesmal auch wirklich stattfindet, ist doch die Finanzierung des Festivals jedes Mal eine Herausforderung. Schließlich hat es auch diesmal dank einiger Sponsoren wieder geklappt, und so geht das Festival in seinen 14.Jahrgang. Mit einem spannenden Programm.
„Aus dem, was ich Ihnen jetzt gleich sagen werde, können Sie ableiten, dass das Festival tatsächlich stattfinden wird. Wir wissen alle, dass dies in Zeiten wie diesen ein Wunder ist. Ich weiß, ich sage das jedes Jahr. Aber in diesem Jahr ist das schon ein außergewöhnliches Wunder.“
So die Leiterin des Festivals, Jitka Jílková bei der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag. Die Wirtschaftskrise mache natürlich auch und gerade vor Kulturveranstaltungen nicht Halt, sagt Jílková im Gespräch mit Radio Prag:
„In diesem Jahr war es nicht wirklich einfach, das Festival zusammen zu stellen beziehungsweise das Geld zusammen zu kratzen. Das Geld brauchen wir vor allem, um bedeutende Ensembles einladen zu können. Es ist trotzdem gelungen und dafür sind wir unseren Partnern außerordentlich dankbar. Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat uns wieder einmal gerettet. Ich freue mich, dass wir unsere Zuschauer nicht einmal diesmal enttäuschen müssen und dass es uns möglich war, wieder solche Produktionen einzuladen, die wir besonders interessant und wichtig finden.“
Und tatsächlich hat das Programm auch in der 14. Auflage des deutschsprachigen Theaterfestivals wieder einiges zu bieten, wie Petr Štědroň, der Chefdramaturg des Festivals, im Interview mit Radio Prag berichtet:
„Eines der Highlights ist mit Sicherheit die Inszenierung von Andreas Kriegenburg von den Münchner Kammerspielen, und zwar die Inszenierung von Kafkas Prozess. Das ist eine wirklich hervorragende Inszenierung und ganz toll, was das Bühnenbild angeht, aber auch, was den dramaturgischen Ansatz betrifft. Nicht umsonst wurde diese Inszenierung auch zum renommierten Berliner Theaterfest eingeladen.“
Die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist mit René Polleschs „Ein Chor irrt sich gewaltig“ vertreten. Der Titel dieses Stücks, in dem der Autor selbst Regie führt, ist von Yves Roberts Siebzigerjahre-Streifen „Ein Elefant täuscht sich gewaltig“ – „Un éléphant, ça trompe énormément“ - abgeleitet. Ein biederer Ehemann versucht darin mühevoll, seine Frau zu betrügen. Pollesch greift in seinem Stück die hilflosen Seitensprungmanöver als Sinnbild für die muffige Kleinbürgerwelt auf und nimmt es als Ausgangspunkt für boulevardeske Lachnummern, nicht ohne dabei auch die Theorien zeitgenössischer Philosophen zu streifen und sich mit der Rolle der Medien auseinanderzusetzen. Prominent besetzt ist mit Sophie Rois auch die Hauptrolle.
„René Pollesch ist eine wirklich sehr interessante Persönlichkeit des modernen postdramatischen Dramas“, findet Chefdramaturg Štědron.
Wichtig sei ihm gewesen, auch dieses Jahr wieder Produktionen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus anderen deutschsprachigen Ländern zu zeigen:
„Da ist zum Beispiel‚Ein Mond für die Beladenen’ aus dem Nationaltheater in Luxemburg. Und dann zwei Gastspiele aus dem Schauspielhaus Wien, und zwar Sorokins Adaptation von ‚Der Tag des Opritschniks’ und ‚Wohnen unter Glas’. Das ist ein Text von Ewald Palmetzhofer. In einer Umfrage der Zeitschrift ‚Theater Heute’ ist Palmetzhofer zum besten Nachwuchsdramatiker des vergangenen Jahres gewählt worden. Das ist ein wirklich sehr interessanter Autor der Gegenwart. Auch das Wiener Schauspielhaus ist eine sehr spannende und vor allem sehr progressive Bühne.“
Neu in diesem Jahr ist die Zusammenarbeit mit den deutsch-tschechischen Kulturprojekten ZIPP, einer von der Kulturstiftung des Bundes gestarteten und finanzierten Initiative.„Wir freuen uns natürlich auch sehr über die Initiative ZIPP und die Koproduktion mit dem Staatsschauspiel Dresden und dem Prager Nationaltheater sowie der Gruppe Rimini Protokoll. Wir zeigen ein Stück über die und mit den Mitgliedern der vietnamesischen Communities in Dresden und Prag“, erläutert Festival-Leiterin Jitka Jílková im Radio-Prag Interview. Chefdramaturg Petr Štědroň ergänzt:
„Das ist eine wirklich sehr neue Sache, was die Dramaturgie des Festivals angeht. Wir sind zum ersten Mal überhaupt Co-Produzent einer Inszenierung. Und zwar der Inszenierung von Rimini-Protokoll. Rimini-Protokoll ist eine sehr bekannte Theatergruppe ursprünglich aus Gießen, die jetzt vor allem in Berlin spielt. Und in diesem Stück geht es um ein gemeinsames deutsch-tschechisches Thema, nämlich die vietnamesischen Migranten. Von denen gibt es auf beiden Seiten der Grenze wirklich sehr viele. Inzwischen ist das schon die zweite oder die dritte Generation. Die haben natürlich ihre Probleme, die haben ihre eigene Community. Und vor allem die zweite Generation dieser einstigen Arbeitsmigranten hat sich inzwischen zu einer sehr progressiven Schicht gewandelt. Ihre Kinder haben oft studiert und sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen sehr erfolgreich. Das ist natürlich ein sehr interessanter Stoff für ein deutsch-tschechisches Theaterprojekt.“
Klar sei von Anfang an gewesen, dass man die vietnamesischen Migranten aktiv nicht nur in die Entstehung des Stückes mit dem Titel ‚Vúng biện gió’i’ einbeziehen werde, sagt Štědroň:„Da treten auch Vietnamesen auf. Rimini Protokoll arbeitet sehr oft mit so genannten Experten des Alltags. Das bedeutet, dass diejenigen, die da mitspielen auch keine professionellen Schauspieler sein müssen.“
Neben zahlreichen Gastspielen deutschsprachiger Bühnen und eben dieses Jahr erstmals auch einem eigenen deutsch-tschechischen Theaterstück will das deutschsprachige Theaterfestival auch die tschechischen Bühnen nicht ganz außer Acht lassen, vor allem diejenigen, die mit deutschsprachigen Texten arbeiten. Schon seit vielen Jahren wird daher ein Preis für die beste Inszenierung eines deutschen Stücks vergeben. Auch dabei gibt es in diesem Jahr einige Neuerungen, sagt Festival-Chefin Jitka Jílková:
„Bisher hat der Preis ‚Max-Preis’ geheißen. Nun haben wir ihn auf ‚Josef-Balvín-Preis’ umbenannt. Josef Balvín war lange Jahre, fast von Anfang an, unser Dramaturg. In diesem Sommer ist er nun verstorben und wir denken, das ist der beste Weg, um sein Andenken zu bewahren. Diesmal hat das ‚Theater in den Weinbergen’ (‚Vinohradské divadlo’) mit der Woyzeck-Inszenierung von Daniel Špinar gewonnen. Das ist eine wirklich entdeckerische Aufführung. Und wir freuen uns, dass diesmal eine große Bühne mit einer großen Produktion gewonnen hat.“
Das diesjährige Festival des deutschsprachigen Theaters beginnt am 1. November mit Franz Kafkas „Prozess“ in der Regie von Andreas Kriegenburg. Gezeigt wird das Stück im Prager "Theater in den Weinbergen" ("Vinohradské divadlo").
Und als Prolog zum Festival steht am 29. Oktober im Theater in Vinohrady Daniel Špinars Woyzeck-Inszenierung als Gewinner des ersten Josef-Balvín-Preises auf dem Programm.
Der Vorverkauf für alle Vorstellungen beginnt am 7. Oktober. Nähere Informationen dazu finden Sie auf den Internetseiten des Festivals: www.theater.cz