Grafiker aus Westeuropa finden in Prag Arbeit – das Beispiel der Firma UPP
Die Industrie zieht dorthin, wo die Produktionskosten niedrig sind. Auch die Filmindustrie macht das. So wird in Mittel- und Osteuropa viel für Hollywood & Co gedreht und geschnitten. Aber nicht nur Aufträge wandern aus dem Ausland nach Tschechien. Auch Grafiker und Designer kommen aus Westeuropa hierher. Denn hier finden sie womöglich eine Arbeit, die in England, Frankreich oder Deutschland selten geworden ist. Ein Besuch bei der Prager Firma „Universal Production Partners“, kurz UPP, und ihrem internationalen Team.
„Wir beenden gerade einen deutschen Film, der sollte innerhalb der nächsten 14 Tage fertig werden. Unser weiteres Projekt ist der amerikanische Film ‚Season of the witch’. Da sind wir etwa in der Mitte und werden noch zwei, drei Monate brauchen.“
Im Souterrain eines Hinterhauses in Prag entsteht das, was wir später im Kino anschauen. Ziemlich viele hier kommen aus Westeuropa, aus Portugal, England, Frankreich. Die Grafiker sitzen im abgedunkelten Großraumbüro in Kabinen vor breiten Bildschirmen. Wer technisch nicht weiter weiß, fragt den Nachbarn. Ab und zu wird gelacht und manchmal angestrengt über einen Spezialeffekt diskutiert. Jaroslav Matys über die Verständigung:„Sie ist ein bisschen schwieriger insofern, als dass es bei der schöpferischen Arbeit um Empfindungen und den richtigen Blick geht. Das meinetwegen auf Englisch mitzuteilen ist nicht immer ganz einfach.“
Zurzeit ist die Firma UPP noch auf Computergrafiker aus Westeuropa angewiesen. Matys nennt Gründe dafür:„Es ist schwierig, erfahrene Computer-Grafiker zu finden. Für unsere Arbeit brauchen wir sehr spezialisierte Leute. Hier in Tschechien wird auf diesem Gebiet immer noch kaum ausgebildet. Die Firma ist dann in den letzten drei Jahren ständig gewachsen, sodass wir Grafiker aus dem Ausland einstellen mussten.“
Einer dieser Grafikspezialisten ist Daniel. Er hat vorher in London gearbeitet und ist glücklich, seit einem Monat bei UPP in Prag zu sein:
„Solange es hier Arbeit gibt, bleibe ich sehr gern. In England war alles viel kostenorientierter, viel teurer. Du bist für eine bestimmte Position angestellt, machst immer das Gleiche, auch wenn du etwas anderes könntest. Du hast dort nichts zu sagen.“Mit der Arbeit an internationalen Filmen hat UPP sich in Westeuropa einen Namen gemacht, der immer mehr Bewerber anzieht. Jaroslav Matys über den Zulauf aus dem Ausland:
„Erstens bewerben sich bei uns oft junge Leute, für die es um Erfahrungen und Erlebnisse geht. Vielleicht sind wir auch noch ein bisschen exotisch. Der andere Grund ist rein ökonomisch. In den Ländern, aus denen die Bewerber kommen, gibt es diese Art Arbeit nicht mehr. Konkret in England, in London ist das so. Also sind sie gezwungen, sich anderswo umzusehen, und da wir derzeit noch Arbeit haben, kommen sie eben zu uns.“
Auf diese Weise hat auch Claude aus Frankreich bei UPP angefangen. Vor einem Jahr ist er aus London nach Prag gekommen:„In London wurde es schwierig Arbeit finden. Es gab zu viele Computergrafiker. Also habe ich mich anderswo umgeschaut. UPP wurde zu der Zeit im Westen immer bekannter, also habe ich die Firma kontaktiert. Sie hatten gerade jede Menge zu tun, es war das perfekte Timing für eine Zusammenarbeit.“
Besonders im vergangenen Jahr haben viele Grafiker aus Westeuropa die Firma UPP entdeckt. Und auch in Tschechien und der Slowakei gibt es immer mehr ausgebildete Computerspezialisten. Heute sitzen deshalb bei UPP weit mehr Fachleute als noch vor ein paar Jahren. Die Firma bekommt so viele Angebote von Arbeitssuchenden, dass Personalchef Matys sehr präzise auswählen kann – und muss:„Da die Arbeit im Team gemacht wird, ist es notwendig, miteinander zu kommunizieren. Wir müssen herausfinden, ob jemand sich mitteilen, erkundigen und erklären kann. Zuerst schauen wir natürlich, welche Software-Kenntnisse ein Bewerber hat. Danach stellen wir ihn für drei Monate probeweise ein, um zu sehen, ob er fähig ist im Team zu arbeiten.“
Ralph aus Brasilien hat die erste Hürde genommen. Er war zufällig auf UPP gestoßen. Die Projekte, an denen UPP arbeitet, haben ihn überzeugt, den weiten Weg nach Europa zurückzulegen:„Ich war in Brasilien und habe mehrere Jahre in der Werbung gearbeitet. Ich habe jemanden von UPP kennen gelernt und gesehen, dass die Firma ganz tolle Projekte hat. Es ist sehr viel Arbeit, sehr viel Stress, weil die Deadlines sehr eng sind, aber es gefällt mir sehr gut.“
Dabei ist UPP ernstzunehmende Konkurrenz für Studios in Deutschland, Österreich und Frankreich. Die Firma kann die gleiche Qualität deutlich preiswerter anbieten, weil die Produktionskosten niedriger sind. Der Stundenlohn liegt bei 150 Kronen, also umgerechnet bei 5,80 Euro, und damit deutlich unter dem Gehalt eines Grafikdesigners im Westen. Stört es zum Beispiel Daniel, dass er in Prag nur einen Bruchteil dessen verdient, was er in London für seine Arbeit bekäme?
„Nein, verglichen mit den Lebenshaltungskosten ist der Lohn wirklich gut. Ich gehe hier in den Laden und kaufe für 50 Kronen etwas zu essen, in London kostet das vier Pfund, und ich müsste dafür vielleicht eine Stunde arbeiten“, so Daniel.Die großen Produktionen für Westeuropa und Hollywood macht UPP allerdings erst seit wenigen Jahren. Mitte der neunziger Jahre fing die Firma klein an. Quereinsteiger, Studenten und Autodidakten bearbeiteten hier Werbung und Fernsehspots. Jaroslav Matys ist ein solches Urgestein von UPP:
„Ich bin vor etwa zehn Jahren hierher gekommen. Vorher hatte ich 3-D-Visualisierungen für Architekten erstellt. Als ich dann bei UPP anfing, habe ich weitere Möglichkeiten der Computergrafik gelernt, in erster Linie Animation.“
In zwölf Jahren hat sich die Firma zu internationaler Bekanntheit in Grafiker-Kreisen hochgearbeitet. Ihr Kapital ist das Know-how der Mitarbeiter und der günstige Standort. Aber auch die tschechischen Lebenshaltungskosten steigen. Vielleicht ist es nur eine Frage weniger Jahre, bis UPP wiederum Konkurrenz bekommt aus dem eigenen Land oder aus dem noch preiswerteren Ausland.