Unter Filmleuten weltbekannt: Der Hersteller historischer Waffen aus Opatovice nad Labem
Vor zwei Jahren berichteten wir darüber, dass ein Tscheche und sein Team an den Filmkulissen der Fantasy-Saga „Game of Thrones“ beteiligt waren. Sie haben für die populäre TV-Serie vier Schiffe gebaut. Doch es gibt noch mehr Tschechen, die mit ihrem handwerklichen Können in großen Filmproduktionen präsent sind. Einer von ihnen ist Jiří Kadlec, ein Spezialist für die Herstellung historischer Waffen.
Jiří Kadlec gehört zu den erfolgreichsten Herstellern von historischen Waffen und Rüstungen in Tschechien. Und seine Bandbreite ist groß:
„Meine Produktion ist nicht nur auf das Mittelalter begrenzt. Die Palette reicht vielmehr von der Zeit des Römischen Reiches bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. In der Mehrzahl sind dies kalte Waffen. In geringer Zahl stelle ich auch Schusswaffen für Filmproduktionen her.“
Kalte Waffen zählen zu den ältesten Jagdwaffen. In der Regel sind es Klingenwaffen aus Metall. Kadlec stellt die angefragten Waffen jedoch nicht immer wieder neu her, sondern betreibt mittlerweile ein gut florierendes Leihgeschäft:
Kadlec: „Meine Produktion ist nicht nur auf das Mittelalter begrenzt. Die Palette reicht vielmehr von der Zeit des Römischen Reiches bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. In der Mehrzahl sind dies kalte Waffen.“
„In Prag habe ich ein Leihgeschäft für Waffen und Rüstungen. Die gewünschten Requisiten leihe ich an Theater oder Filmproduzenten aus. Die Schusswaffen stelle ich ausschließlich in diesem Laden her. Ich verkaufe sie aber nicht.“
Seine Werkstatt hat Kadlec im ostböhmischen Opatovice nad Labem, unweit der Elbestadt Hradec Králové / Königgrätz. Zu seiner Arbeit ist er jedoch mehr oder weniger aus einer Notsituation gekommen.
„Für Waffen habe ich mich schon als Jugendlicher interessiert. 1987 habe ich mich bei einer Gruppe für historisches Fechten beworben. Damals war ich 16 und ging noch ins Gymnasium. Und dabei entdeckte ich auch meine Leidenschaft für das Herstellen von Waffen. Denn es war zwei Jahre vor der Wende, es gab nicht viel zu kaufen, also mussten wir die Dinge selbst anfertigen. 1993 stand ich dann an einem persönlichen Scheideweg. Ich hatte die Wahl, entweder Berufssoldat zu werden oder aber beruflich Waffen zu fertigen. Ich habe mich für Letzteres entschieden.“
Beim Erlernen des neuen Handwerks half Kadlec auch, dass er sich in seiner Fechtgruppe Merlet schon mit der Führung von Handwaffen vertraut gemacht hatte. Er selbst bezeichnet sich als einen guten Fechter:
„Wenn man eine solche Waffe in die Hand bekommt und weiß, wie man damit umzugehen hat, dann bekommt man auch ein Gespür dafür, wie sie von den früheren Kämpfern eingesetzt wurde. Im Gegensatz dazu sollte man sich besser keine historischen Filme anschauen. Aus ihnen lässt sich bis auf wenige Ausnahmen nämlich nicht ergründen, wie man seinerzeit gekämpft hat.“
Und Kadlec erklärt sogleich, warum dies nach seiner Meinung keine gute Lösung sei:
„Ein Regisseur, der einen historischen Film dreht, sollte dies mit einer möglichst hohen Authentizität tun. Denn wenn er eine Epoche nach seiner eigenen Vorstellung verfilmt, dann ist das mehrheitlich eine Fiktion. Heutzutage haben viele Menschen aufgehört, Bücher zu lesen. Sie lassen sich die Welt von damals hauptsächlich durch Filme erklären. Und wenn ihnen dann ein Drehbuchautor oder Regisseur einen Film präsentiert, der zur Hälfte Fiktion ist, dann gehen die Zuschauer aus dem Kino mit dem Eindruck heraus, so hätte es früher ausgesehen. Doch das ist eine verzerrte Darstellung. Darum habe ich auch eine ziemliche Abneigung gegenüber der Art und Weise, wie man heute Filme dreht.“
Nichtsdestotrotz gehören Filmemacher neben den Theaterensembles zu seinen besten Kunden. Ihnen müsse er auch zeigen, dass er Ahnung von der Materie habe, so Kadlec. Er erläutert das an einem Beispiel:
„Wenn jemand in Prag zu mir ins Geschäft kommt und den Auftrag erteilt, Waffen von der Schlacht am Veitsberg (Prager Hügel Vítkov) herzustellen, dann muss ich sofort im Bilde sein. Das war im Jahr 1420, und ich muss wissen, welche Waffen man seinerzeit verwendet hat. Das ist genauso wie bei einem Arzt, der möglichst rasch eine Diagnose erstellen muss bei einem Patienten, der mit gesundheitlichen Problemen zu ihm kommt.“
Trotz der Originalität von Filmproduktionen sei es heutzutage nicht mehr an der Tagesordnung, Waffen und Rüstungen der Vergangenheit in zeitgenössischer Weise herzustellen. Dazu müsste man sehr aufwendige Schmiedearbeiten verrichten, und zeitlich würde dies auch zu lange dauern. Kadlec erläutert, wie er es macht:
„Bei mir ist es ein Mix aus Modelltechnologie und alter Verfahrensweise. Denn das Requisit soll einerseits authentisch aussehen, andererseits aber auch erschwinglich sein.“
Für ein einfaches Schwert muss der Kunde bei ihm zwischen 3500 und 4000 Kronen zahlen, das entspricht 140 bis 160 Euro. Der Preis errechne sich aus dem verwendeten Material, erläutert Kadlec:
„Der größte Unterschied zum Original besteht im Material. Die Waffen für die Filme werden aus Aluminium, Alu-Legierungen oder in letzter Zeit auch aus Titan hergestellt. Für große Massenszenen wird Kunststoff verwendet, oder die Klingen von Schwertern werden beispielsweise aus Bambus gefertigt.“
Kadlec: „Der größte Unterschied zum Original besteht im Material. Die Waffen für die Filme werden aus Aluminium, Alu-Legierungen oder in letzter Zeit auch aus Titan hergestellt. Für große Massenszenen wird Kunststoff verwendet, oder die Klingen von Schwertern werden aus Bambus gefertigt.“
Unter den vielen Epochen kriegerischer Auseinandersetzungen ragt eine heraus, mit der sich Jiří Kadlec besonders verbunden fühlt: Es ist die Zeit der Hussitenkriege. Kadlec kann das auch begründen:
„Zum einen, weil die Tschechen damals in halb Europa präsent waren. Zum zweiten, weil wir in Jan Žižka einen hervorragenden Heerführer hatten. Er zog mit den Hussiten in etliche Schlachten und hat nicht eine davon verloren. Sicher, einige gingen unentschieden aus, aber er war nie unterlegen. Und die Ideen von Jan Hus hat er wirklich gelebt. Andererseits hat er diese Ideologie lediglich mit der Waffe in der Hand verteidigt, denn er war ein Kämpfer.“
Kadlec glaubt, dass es Žižka weniger als anderen Hussitenführern bei den Brandschatzungen um die persönliche Bereicherung ging. Einzig die kleine Kelchburg in Nordböhmen sei in seinem Besitz geblieben, während andere mächtige Hussiten mit riesigen Gutshöfen und jeder Menge Prunk ausgestattet gewesen seien. Schließlich spannt der Waffennarr in seinen Betrachtungen auch noch einen Bogen zur Neuzeit:
„Ich habe das Gefühl, dass das tschechische Volk zur Hussitenzeit ähnlich gespalten war wie heute zur Corona-Zeit. Ich denke, dass mindestens ein Drittel der Bevölkerung derzeit in einem Zustand der tiefen Angst und Ratlosigkeit lebt und einige sogar in Panik geraten. Dieser Teil vertraut der Regierung fast blind. Ein weiteres Drittel versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren und seine Meinung zu äußern, auch wenn diese von der anderen Seite bestritten wird. Und das letzte Drittel liegt irgendwo dazwischen.“
Verglichen damit habe es in der Hussitenzeit ein Drittel an Menschen gegeben, die an die Gedanken von Jan Hus geglaubt hätten und ihnen unbeirrt gefolgt seien. Ein zweites Drittel habe damals im Reichtum geschwelgt, dies seien vor allem Priester, Feudalherren oder Bürgerliche gewesen. Und das letzte Drittel seien eben jene, die nie so recht wussten, auf welche Seite sie sich schlagen sollten, meint Kadlec.
Kadlec: „Kommt man in unser Leihgeschäft, betritt man eine Halle von 30 x 15 Metern. In diesem Raum stehen etliche Regale gefüllt mit Waffen, Rüstungen und weiterer Kriegsausstattung. Dies gibt vielleicht eine Vorstellung von der Menge, doch wir haben fast zwei solch gefüllter Hallen.“
Neben seinem Interesse für die Menschheitsgeschichte mit ihren ständigen Kämpfen ist Kadlec in erster Linie aber ein handwerklich begabter Geschäftsmann mit viel Gespür für das Detail. Und er hat vor allem Spaß an seiner Arbeit, betont er:
„Wenn ich etwas völlig Neues fertigen soll, bin ich begeistert. Denn dann muss ich viel überlegen, ein Design entwerfen und mir einen genauen Ablauf bei der Herstellung der Ware zurechtlegen. Wenn ich dann weiß, wie ich vorgehen werde, kann ich mich womöglich auf einige Muster stützen. Sollte ich aber etwas ganz Neues entwickeln, bin ich hocherfreut, wenn es gelingt.“
Während seines mittlerweile knapp 30-jährigen Schöpfertums hat Jiří Kadlec schon unzählige Waffen und Rüstungen geschaffen. Wie viele es genau sind, kann er zwar nicht sagen, doch in Prag kann sich jeder Waffenliebhaber selbst ein Bild davon machen:
„Bestimmt sind es einige Hundert. Kommt man in unser Leihgeschäft, betritt man eine Halle von 30 Metern Länge und 15 Metern Breite. In diesem Raum stehen etliche Regale gefüllt mit Waffen, Rüstungen und weiterer Kriegsausstattung. Dies gibt vielleicht eine Vorstellung von der Menge, doch wir haben fast zwei solch gefüllter Hallen.“
Seit 18 Jahren verleiht Kadlec seine Requisiten auch an Filmteams. Zu sehen waren seine Waffen und Rüstungen unter anderem in Streifen wie „Jeanne d'Arc“, „Les Misérables“ (nach dem Roman „Die Elenden“ von Victor Hugo), „Bathory – Die Blutgräfin“, im Film und der Serie „Die drei Musketiere“, in der Serie „Merlin“ und in vielen weiteren Filmen.