Filmförderung in Tschechien vorübergehend eingestellt: Drehanreize brauchen eine Reform
Seit Anfang Januar können sich Filmproduzenten in Tschechien vorerst nicht mehr um eine staatliche Förderung bewerben. Dies gilt sowohl für einheimische als auch für ausländische Produktionen. Wie es dazu gekommen ist und welche Folgen das für die tschechische Wirtschaft hat, das erfahren Sie im Folgenden.
Der Grund dafür, warum hierzulande die finanziellen Anreize für die Filmindustrie eingestellt wurden, ist der vorläufige Staatshaushalt. In Tschechien wird dies „Haushaltsprovisorium“ genannt. Demnach sollen alle staatlichen Ausgaben vermieden werden, die nicht unbedingt notwendig sind. Vorerst gilt das bis zum 31. März dieses Jahres.
Die staatliche Filmförderung (auf Tschechisch bekannt als „filmové pobídky“, also „Drehanreize“) wurde in Tschechien erst 2010 eingeführt. Sie entstand in Reaktion auf andere Länder, die zu dieser Zeit solche Finanzhilfen schon angeboten haben. Der tschechische Staat macht das in der Form einer Kostenerstattungsrate für die Ausgaben hierzulande. So kann man sich bis zu 20 Prozent der Ausgaben zurückzahlen lassen.
Helena Bezděk Fraňková leitet den tschechischen Staatsfonds für Kinematografie (Státní fond pro kinematografii). Gegenüber Radio Prag International erläuterte sie:
„Für ausländische Maskenbildner oder Kostümbildner erhält man vom tschechischen Staat keine Förderung. Dies bezieht sich ausschließlich auf tschechische Filmdienstleister, aber auch auf Unterkunft, Verpflegung oder Transport hier im Land.“
Um die Förderung beantragen zu können, wird die geplante Produktion auch einem sogenannten Kulturtest unterzogen. Dabei wird beispielsweise überprüft, welchen Beitrag der Streifen in Bezug auf die europäischen Werte leistet.
Vermieste Geschäfte und glückliche Frühstellung
Václav Mottl ist Executive Producer bei der tschechischen Filmproduktionsfirma Czech Anglo Productions. Im Auftrag des US-amerikanischen Filmstudios Lionsgate drehte seine Firma vergangenes Jahr in Prag die Fernsehserie „Gefährliche Liebschaften“. Zuvor produzierte er unter anderem die Oscar-gekrönte Tragikomödie „Jojo Rabbit“ oder der Actionfilm „Spider-Man: Far From Home“. Die vorläufige Einstellung der Filmförderung in Tschechien habe ihn direkt betroffen, sagte er in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir haben drei Projekte mit Großbritannien und mit den Vereinigten Staaten gestartet, konkret mit dem Studio Lionsgate. Die Verhandlungen müssen wir jetzt unterbrechen, denn wir sind nicht in der Lage, unseren Kunden eine staatliche Förderung zu sichern. Deswegen glaube ich, dass sie die Drehorte aus Tschechien in ein anderes Land verlegen werden.“
Anders sieht es bei der Produktionsfirma Wilma Film aus. Sie ist spezialisiert auf Filmstäbe aus dem deutschsprachigen Raum. In den letzten Jahren beteiligte sie sich beispielsweise an der Entstehung der gerade neu veröffentlichten Krimiserie „ZERV“ für die ARD. Filip Hering ist Geschäftsführer von Wilma Film. Gegenüber Radio Prag International erklärt er, warum für seine Firma die Einstellung der Förderung keine Folgen hat:
„Die Förderanträge werden der Reihe nach bearbeitet. Da wir unsere Filmprojekte schon seit Sommer 2021 geplant haben, konnten wir die Anträge vor Weinachten einreichen. Dass wir dem Förderstopp ausgewichen sind, war nicht unser Verdienst. Wir waren bloß zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.“
Beide Filmproduzenten sind sich allerdings einig: Staatliche Förderung ist für Auslandsproduzenten ein entscheidender Faktor bei der Überlegung, ob man in Tschechien drehen will.
Reform nötig
Der Fördermechanismus hilft nicht nur den Filmschaffenden, sondern auch ihren Koproduzenten und den Filmdienstleistern sowie den damit verbundenen Wirtschaftsbranchen. Letztlich profitiert der tschechische Staat selbst – durch die Steuereinnahmen, die so generiert werden. Im Vor-Corona-Jahr 2019 haben Filmschaffende in Tschechien insgesamt 9,0 Milliarden Kronen (369 Millionen Euro) ausgegeben, 2020 waren es laut vorläufigen Berechnungen 7,5 Milliarden Kronen (300 Millionen Euro).
In der Kinowelt ist Tschechien bekannt für seine schönen Drehorte. Außerdem gehören die tschechischen Filmstäbe und die Postproduktion im internationalen Vergleich zur Spitze. Kein Wunder also, dass die jährlich bereitgestellte Summe von 800 Millionen Kronen (33 Millionen Euro) für die Filmförderung bei Weitem nicht reicht. Václav Mottl von Czech Anglo Productions:
„Diese Summe hat ungefähr bis 2018 noch genügt. Da mittlerweile die Nachfrage nach Serien immer größer wird, muss die Fördersumme erhöht werden. Eine weitere Sache ist, dass die tschechische Regierung die Filmförderung nicht als Kostenfaktor wahrnehmen sollte.“
Nicht nur die große Nachfrage, sondern auch längere Drehzeiten im Land und dementsprechend höhere Rückerstattungsforderungen würden verursachen, dass die Geldmittel schneller aufgebracht seien, meint Filmfonds-Leiterin Bezděk Fraňková. Als Beispiel nennt sie die Fantasy-Serie „Carnival Row“, die zweimal fünf Monate lang in Tschechien gedreht wurde.
Dass die tschechische Filmförderung verändert werden muss, dessen ist sich Bezděk Fraňková bewusst. Ihren Aussagen nach braucht es jedoch nicht vorrangig mehr Geld, sondern eine neue gesetzliche Regelung, die es ermöglicht, flexibler auf die Nachfrage durch Filmschaffende zu reagieren. Konkreter ist Bezděk Fraňková aber nicht.
Tschechien bietet mit 20 Prozent einen der niedrigsten Drehanreize in Europa, im Nachbarland Deutschland erhalten Filmhersteller je nach Höhe der Gesamtkosten bis zu 25 Prozent ihres Budgets zurück. Filip Hering von Wilma Film hat fast 20 Jahre lang als Aufnahme-und Produktionsleiter in Deutschland gearbeitet. Beim Vergleich der Fördersysteme in beiden Ländern nennt er noch einen weiteren Unterschied:
„Die deutsche Förderung ist vielfältiger. In Tschechien haben wir nur diese eine staatliche Förderung. Deutschland bietet hingegen staatliche Mittel sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene an. In Baden-Württemberg und Bayern gibt es beispielsweise einen Topf speziell nur für visuelle Arbeiten.“
Baldige Wiederaufnahme – Wunsch für alle
Der Wunsch ist zu spüren, dass in Tschechien die Filmförderung möglichst bald wiederaufgenommen wird und die ausländischen Produktionsteams hierher zurückkehren. Die neue tschechische Regierung hat am vergangenen Mittwoch zwar schon einen neuen Haushaltsentwurf verabschiedet, er muss allerdings noch vom Parlament gebilligt werden. Auf die Frage, ob die Wiederaufnahme der Registrierung vielleicht schon vor dem 31. März geschehen könnte, antwortet Helena Bezděk Fraňková, die Leiterin des tschechischen Staatsfonds für Kinematografie:
„Es gibt Dinge, die ich nicht vorhersagen kann. Aktuell werden Verhandlungen zwischen dem Fonds und dem Kultur- und Finanzministerium geführt. Obwohl Omikron dies erschwert, tun wir unser Möglichstes.“