Hochwasser, Vertrauensabstimmung, Filmförderung
Das Hochwasser hier in Tschechien hat die Gemüter bewegt und findet sich entsprechend in so manchem Zeitungskommentar von dieser Woche. Außerdem Thema: Die neue tschechische Regierung ist nun ganz offiziell im Amt, denn auch das Abgeordnetenhaus hat ihr das Vertrauen ausgesprochen. Und: Haben Hollywood-Produktionen in Tschechien finanzielle Anreize nötig?
Moderator: Unser erstes Thema liest sich ein bisschen wie die unendliche Geschichte: Tschechien wurde am vergangenen Wochenende abermals von einem verheerenden Hochwasser heimgesucht. Dieses Mal traf es Nordböhmen. Fünf Menschen starben, die Schäden sind immens. Dabei liegt die letzte große Überschwemmung erst wenige Monate zurück. Das wirft Fragen auf.
KM: Vor allem die, wer das Ganze bezahlen soll, findet Lubomir Lízal in seinem Kommentar für die Mladá Fronta Dnes. Der trägt auch schon die vielsagende Überschrift: Die Hochwasser-Steuer. Wörtlich heißt es da:
„Die Zeiten sind vorbei, in denen es reichte zu schreien: Staat hilf’! Ein weiteres verheerendes Hochwasser hat zugeschlagen. Die Schäden werden beziffert und der Blick richtet sich in Richtung Staatskasse: Wer sonst sollte dafür aufkommen? Aber die Staatskasse ist leer. Nein, schlimmer noch, in ihr klafft ein Loch in Milliardenhöhe. Deshalb haben wir nun eine Hochwasser-Steuer auf dem Tisch.“
M: Was genau ist denn damit gemeint?
KM: Gemeint ist, dass durch eine Hochwasser-Steuer alle solidarisch an der Schadensbegrenzung beteiligt werden.
M: Und wie findet der Kommentator das?
KM: Schwierig. Er argumentiert mit folgendem Beispiel: Wenn in mein Haus der Blitz einschlägt und es niederbrennt, wird dafür auch nicht die Allgemeinheit zur Kasse gebeten. Die Solidarität solle Grenzen haben, findet Lízal. Vor allem dort, wo es um Häuser in Hochwasser gefährdeten Gebieten geht.„Unsere Großväter wussten, warum sie diese Gebiete unbebaut ließen. Heute wird die Nutzung solcher Gebiete zwar administrativ, aber nicht wirtschaftlich geregelt. Dabei könnte man die Grundstückssteuer so novellieren, dass die Nutzung von gefährdeten Gebieten Nachteile brächte. [...] Wer in einem Gebiet mit erhöhtem Hochwasser-Risiko baut, würde folglich um ein Vielfaches mehr zahlen. Eine derartige Lösung wäre nicht nur aus versicherungstechnischer Sicht solidarisch, sondern motiviert zusätzlich, die Hochwassergebiete nicht zu nutzen. Obendrein bringt es noch zusätzliche Mittel in die Staatskasse.“
M: Gab es denn noch andere Vorschläge?KM: Ja, Martin Weiss appelliert in der Zeitung Lidové noviny für langfristige Strategien zur Prävention:
„Ungeachtet dessen, dass jedes Unglück individuell und nicht übertragbar ist, handelt es sich in Wahrheit schon um ein Ritual. Fachleute weisen darauf hin, dass das Wetter in gewissen Zyklen daherkommt und wir gegenwärtig eine unbeständige Phase erleben, die schon eine ganze Reihe von Jahren währt, also nicht erst, seit das Thema des globalen Klimawandels zu einem modernen Politikum wurde. Daher wird es notwendig sein, sich langfristig auf Hochwasser vorzubereiten, wenngleich das weder der menschlichen Natur noch der Politik entspricht. In letzterer wird derjenige stärker wahrgenommen, der sich im Kampf mit der akuten Katastrophe möglichst weit vorn positioniert als derjenige, der dafür gekämpft hat, dass sie gar nicht erst passiert.“
M: Nennt der Verfasser denn konkrete Ansatzpunkte?
KM: Ja, beispielsweise findet er, dass man die Art der Bodennutzung in Überschwemmungsgebieten überdenken sollte.
M: Sie hören weiterhin Radio Prag, die Auslandssendungen des Tschechischen Rundfunks mit dem Medienspiegel. Kommen wir zum Thema Vertrauensabstimmung im Parlament. Die ist ja recht eindeutig ausgefallen. Alle 118 Abgeordneten der Mitte-Rechts-Koalition aus Demokratischer Bürgerpartei (ODS), TOP 09 und der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten (VV) stimmten wie erwartet für die neue Regierung, die Opposition mit 82 Abgeordneten von Sozialdemokraten und Kommunisten geschlossen dagegen. Durch das Programm zieht sich ein deutlicher roter Faden: Sparen, sparen, sparen.
KM: An diesem Punkt setzt der Kommentar von Lenka Zlámalová an, die in diesem Zusammenhang von einer „Mutprobe“ spricht.
„Wir sind eine Gesellschaft, in der über die Hälfte der Bewohner irgendeine Form der staatlichen Unterstützung genießt. In die tiefen roten Zahlen sind wir deshalb gerutscht, weil weniger Leute in die Staatskasse einzahlen, als aus ihr Gelder beziehen. Premier Petr Nečas und Finanzminister Miroslav Kalousek sind sich einig, dass der Staat nicht jedem Zweiten, sondern etwa jedem Fünften unter die Arme greifen sollte. Die Regierung hat die delikate Aufgabe, auszuwählen, wer dazugehören wird und den übrigen auf einfühlsame Weise beizubringen, dass sie keine weiteren Zahlung vom Staat zu erwarten haben.“Dafür bedürfe es aber tatsächlicher Reformatoren, die genug Mut aufbringen, findet Zlámalová.
Jana Bendová teilt im Zusammenhang mit der Vertrauensabstimmung am Dienstag noch mal einen kleinen Seitenhieb aus, weil keine Frauen in der neuen Regierung vertreten ist. In ihrer Zusammenfassung in der Mlada Fronta Dnes erwähnt sie eine kleine Gruppe von verkleideten Frauen, die versucht haben, auf die Tribüne des Abgeordnetenhauses zu gelangen. Dort wollten sie gegen den Frauenmangel protestieren. Doch die Sicherheitsleute haben sie nicht durchgelassen, mit dem Hinweis, dies sei kein Kostümball. Jana Bendová kontert:„Ein großer Irrtum. Masken, das Grimassenziehen und Gestikulieren gehört zum Abgeordnetenhaus genauso dazu wie zu einem Kostümball. Auf dem am Dienstag ist mir die Maske des „bösen Reichen“ aufgefallen. In den Reden der Abgeordneten wimmelte es nur so vor dem Begriff „die Reichen“ und wenn wir nicht das Jahr 2010 schrieben, hätten die betuchteren Mitbürger fast Grund zur Bange.“
M: Keinen Grund zur Bange haben künftig aber Filmproduktionen hier in Tschechien. Die erhalten unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 20 Prozent ihrer Ausgaben vom tschechischen Staat erstattet. Nachdem die Nachfrage nach der Filmstadt Prag deutlich zurückgegangen ist, könnte dieser neue Anreiz ein wichtiger Impuls sein. Allerdings mangelt es auch nicht an Kritik. Die richtet sich dagegen, dass auch große Hollywood-Produktionen von der Unterstützung profitieren können.
KM: Irena Zemanová geht in der Tageszeitung Hospodářské noviny auf diesen Punkt ein. Sie hält dieses Argument für kurzsichtig. Ihr Argument:
„Es geht hier nicht um Eitelkeiten oder die Obsession, James Bond durch die Prager Gassen rennen zu sehen oder Angelina Jolie bei Dreharbeiten auf dem Altstädter Ring zu beobachten. Im Jahre 2004 gaben ausländische Filmemacher mehr als fünf Milliarden Kronen aus (200 Mio. €). Während der Dreharbeiten beschäftigten sie Hunderte tschechische Experten, wohnten in tschechischen Hotels, gaben Geld in Restaurants aus. Zwei Jahre später gab Hollywood nur 1,4 Milliarden aus, 2009 nur noch eine halbe Milliarde. Der Grund hinter diesem rasanten Rückgang an ausländischen Investitionen war einfach: Die Produzenten aus Hollywood begannen zu rechnen. Förderungen führten nach und nach Ungarn, Rumänien, die Ukraine ein und sogar in Deutschland war es billiger, einen Film zu drehen. Jetzt kehrt Hollywood nach Tschechien zurück.“
M: Und das war der Medienspiegel für heute.