100-Tage-Regierungsbilanz: Premier Nečas top, Innenminister John ein Flop
Seit genau 100 Tagen regiert in Tschechien eine Mitte-Rechts-Koalition, sich selbst bezeichnet sie als Regierung der finanziellen Verantwortung. Die Koalition besteht aus den Bürgerdemokaten (ODS) und den Juniorpartnern TOP 09 und Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV). 100 Tage gelten als Schonfrist, danach geht es zur Sache. Deswegen haben Premier Petr Nečas selbst sowie die Opposition ein erstes Fazit gezogen.
„Es waren 100 Tage relativ harter Arbeit. Wir können auch Ergebnisse vorweisen, aber viel entscheidender ist das, was vor uns liegt: Das ist die Vorbereitung der Schlüsselreformen. Wenn die Regierung trotz aller Probleme weiter so gut arbeitet wie in den ersten 100 Tagen, dann wird sie die vor ihr liegenden Aufgaben allen Zweiflern zum Trotz auch meistern.“
Weit kritischer wird die Arbeit des Kabinetts natürlich von der Opposition aus Sozialdemokraten und Kommunisten gesehen. Doch auch dort finden sich positive Stimmen. Sozialdemokrat Martin Pecina lobte sogar einige Regierungsmitglieder:
„Ich denke, der richtige Man auf seinem Platz ist zweifelsohne der Minister für Industrie und Handel. Es gab bisher nichts, was ich ihm ankreiden könnte. Positiv in meinen Augen sind auch viele Schritte, die der Verteidigungsminister unternommen hat, wenn auch nicht alle Schritte. Und ich finde, dass auch der Umweltminister sehr bemüht ist, die Probleme anzupacken. Auch bei ihm bewerte ich viele Schritte als positiv.“
Die Presse nahm ebenso das Ende der Schonfrist zum Anlass, um die Arbeit des Kabinetts zu bewerten. In der „Einzelwertung“ der Tageszeitung Lidové noviny schnitt dabei Premier Nečas am besten ab. Ihm wird die Fähigkeit zuerkannt, trotz seiner zurückhaltenden Art die Zügel fest in der Hand zu halten. Dafür wurde ihm die Schulnote zwei erteilt. Im Gegensatz dazu landete Innenminister Radek John mit der Note fünf auf dem letzten Platz. Ihm werden eine Reihe von Skandalen vorgeworfen sowie die Unfähigkeit, das Ressort zu leiten. Generelle Kritik am Auftreten von Regierung und Koalition aber übt der Vizevorsitzende der Sozialdemokraten, Lubomír Zaorálek:„Im Abgeordnetenhaus, in dem das Regierungslager mit 118 Stimmen eine sichere Mehrheit hat, sieht es jetzt so aus: es ist nicht nötig, eine offene Debatte zu führen oder die Vorschläge der Regierung einschließlich ihrer Entwürfe zu den Reformen zu verteidigen. Der Grund: Mit ihrer Stimmenmehrheit diktiert die Koalition den Kurs. Das ist mein größter Vorbehalt. Sollen aber Reformen mit einer langfristigen Bedeutung durchgeführt werden, dann kann man an diese Aufgabe nicht so ideologisch herantreten, wie es Petr Nečas tut. Und man kann nicht den breiten Dialog verhindern wollen, in den auch die Opposition einbezogen werden muss.“