Davis Cup: Tschechien greift nach 29 Jahren wieder nach der Salatschüssel
Der tschechische Tennissport schwebt seit dem vergangenen Wochenende auf Wolke sieben. Der Grund: Im populärsten Mannschaftswettbewerb des Racketsports, dem Davis Cup, sind die Spieler von Teamkapitän Jaroslav Navrátil nach einem 4:1-Sieg über Kroatien in das Finale eingezogen.
„Das ist ein phantastischer Erfolg, mir fehlen einfach die Worte, um zu beschreiben, was mich jetzt bewegt. Das wir ins Finale des Davis Cups gekommen sind, ist natürlich der Erfolg des gesamten Teams. In erster Linie aber haben sich zwei Spieler darum verdient gemacht: Radek Štěpánek und Tomáš Berdych.“
Der vom freudigen Happyend des dramatischen Halbfinalduells noch sichtlich überwältigte Präsident des tschechischen Tennisverbandes, Ivo Kaderka, hob gleich eine Lobeshymne für die beiden Matchwinner an:
„Ich mache vor ihnen die tiefste Verbeugung, die es geben kann. Zwei ganz normale Jungs aus Tschechien haben der Welt gezeigt, was für Persönlichkeiten sie doch sind. Ich weiß das unglaublich zu schätzen.“
In der Tat: Seit der Rückkehr von Štěpánek ins Davis Cup-Team geht es wieder aufwärts im tschechischen Tennisteam der Herren. Vor zwei Jahren, als sich Tschechien in der Relegation der Weltgruppe mit 3:2 gegen die Schweiz durchsetzte, merkte Teamkapitän Jaroslav Navrátil zudem, dass sein neu zusammengestellte Doppel Štěpánek/Berdych die entscheidenden Punkte machen kann. Gegen den Weltranglisten-Ersten Roger Federer waren beide im Einzel chancenlos; die Nummer zwei der Schweizer, Stanislav Wawrinka, aber hatten sie klar im Griff. Also entschied das Doppel, in dem Štěpánek/Berdych genauso triumphierten wie im Frühjahr gegen Frankreich und beim packenden Viertelfinalmatch gegen Argentinien. Gegen die beiden Kroaten Marin Cilic und Lovro Zovko hatten sie weit weniger Mühe. Beim Drei-Satz-Sieg beherrschten sie ihre Gegner klar, was Štěpánek am Mikrofon bestätigte:„Ich denke, dass wir eine großartige Leistung geboten haben. Wir waren den Kroaten in allen Belangen überlegen und haben sie von Anfang an unter Druck gesetzt. Daher wussten wir, dass wir unsere Breakchancen bekommen werden und sie nur nutzen müssen. Das ist uns gelungen. In keiner Phase des Spiels sind wir in Rückstand geraten, und so hatten wir auch nie Zweifel daran, dass wir den Platz als Sieger verlassen werden.“
Den Grundstein für den Finaleinzug haben Berdych und Štěpánek bereits am ersten Spieltag mit je zwei Fünf-Satz-Siegen über ihre Kontrahenten Cilic und Karlovic gelegt. Besonders das Sechs-Stunden-Match von Štěpánek gegen den baumlangen Ivo Karlovic hat die Tennisfans begeistert. In diesem Duell wehrte Štěpánek gleich vier Matchbälle seines Gegners ab und setzte sich trotz eines unglaublichen Ass-Weltrekordes von Karlovic im fünften Satz mit 16:14 durch. Karlovic dagegen genügten 78 Asse und damit gleich 23 mehr als seine bisherige Weltbestmarke nicht zum Sieg. Radek Štěpánek wusste, warum:„Ich habe dem Meister des Aufschlagspiels gegenüber gestanden, der sicher auch in der Lage ist, 150 Asse zu schlagen. Das wichtigste aber ist, den letzten Ball für sich zu entscheiden. Diesen Gedanken hatte ich immer im Hinterkopf, dementsprechend habe mich auch taktisch verhalten. Vor allem aber bin ich bis zuletzt mental sehr stark geblieben, und das freut mich besonders.“
Die Begegnung der beiden war übrigens das viertlängste Einzel der Davis-Cup-Geschichte. Mit 82 Spielen wurde zudem der Rekord für die meisten Spiele seit Einführung des Tiebreaks im Davis Cup eingestellt.
Auch Tomáš Berdych musste in seinem Einzel gegen Marin Cilic die Nerven bewahren, um zum Sieg zu kommen. Seine schnelle 2:0-Satz-Führung konnte Cilic nämlich ausgleichen, so dass Berdych danach dieses Fazit zog:
„Ich habe schon damit gerechnet, dass Cilic mir nichts schenken und noch mal ins Spiel zurückkommen wird, denn er ist beileibe kein schlechter Spieler. Umso mehr freue ich mich, dass ich dann den fünften Satz gewinnen konnte.“Berdych hatte aber nicht nur sein Einzel gewonnen, sondern die Führung der Tschechen auf 2:0 erhöht – ein beruhigendes Polster, das die beiden neuen Helden am tschechischen Sporthimmel tags darauf nutzten, um den Sack endgültig zuzumachen. Am Sonntag erhielten daher die Ersatzspieler Jan Hájek und Lukáš Dlouhý ihre Chance. Hájek nutzte sie und steuerte den vierten Punkt zum 4:1-Endstand bei. Da aber sprach alles längst schon vom Endspiel, bei dem Tschechien vom 4. bis 6. Dezember auf Titelverteidiger und Gastgeber Spanien trifft. In welcher spanischen Stadt der Fight um die Salatschüssel, wie die riesige Trophäe genannt wird, stattfindet, steht noch nicht fest. Eines ist jedoch sicher: Die Tschechen sind in diesem Finale nur der Außenseiter.
„Auf der anderen Seite haben unsere Jungs als Außenseiter nichts zu verlieren. Sie können in Spanien völlig befreit aufspielen, egal gegen welchen Spanier sie auch antreten“, sagt Zdeněk Žofka. Zwei Voraussetzungen müssten allerdings erfüllt sein, wenn die Tschechen ihre Chance als Herausforderer des Pokalverteidigers nutzen wollen, meint der Tennisexperte:
„Ich denke, um das Finale gewinnen zu können, sind zwei Dinge entscheidend. Erstens: Tomáš Berdych und Radek Štěpánek müssen gesund bleiben. Das ist äußerst wichtig, denn einen gleichwertigen Ersatz für sie gibt es nicht. Der zweite Faktor ist der Weltranglisten-Zweite Rafael Nadal. Sollte er verletzungsbedingt nicht spielen können, dann wäre Spanien um einiges schwächer.“
Im Endspiel wartet also Spanien, die derzeit weltstärkste Tennisnation bei den Männern. Das tschechische Team muss zudem auswärts antreten auf einem Bodenbelag, den sich die Gastgeber quasi auf denn Leib schneidern können. Das alles kann jedoch die neue Tenniseuphorie in Tschechien nicht bremsen. 1980 haben tschechische Tennisspieler zum letzten Male in einem Finale gestanden und es auch gewonnen. Im Team der damaligen Tschechoslowakei, das Italien mit 4:1 bezwang, ragten Weltstar Ivan Lendl und Doppel-Spezialist Tomáš Šmíd heraus. Der mögliche Star des diesjährigen Endspiels, Rafael Nadal, aber steht in den Reihen des Gegners. Aber selbst das kann Radek Štěpánek nicht schrecken, der gleich nach dem Sieg in Porec den Fehdehandschuh in Richtung Spanier warf:„Wir werden uns sehr intensiv auf das Finale vorbereiten. Uns erwartet ganz sicher ein ungeheuer schwerer Gegner, doch Bangemachen gilt nicht. Wir sind sehr froh, im Finale zu stehen, aber damit sind wir noch nicht zufrieden. Wir wollen die Salatschüssel mit nach Hause bringen und dafür werden wir alles tun.“
Wenn den tschechischen Tennisspielern am Nikolaustag auch noch „das Wunder von Spanien“ gelingen sollte, dann – und das ist ebenso sicher – werden auch die tschechischen Fans wieder hüpfen und singen: „Wer nicht hüpft, der ist kein Tscheche!“