„Bleibt besonnen!“ – Protektoratsregierung gibt im September 1939 Stillhalteparolen aus

September 1939. Das Gebiet der heutigen Tschechischen Republik ist seit etwa einem halben Jahr von den Nazis besetzt und heißt offiziell nur noch „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“. Der Zweite Weltkrieg ist ausgebrochen. Aus dem Ausland versuchen Exil-Tschechen ihre Landsleute in der Heimat zum Widerstand aufzurufen. Am 21. September 1939 reagiert Josef Ježek, der Innenminister der tschechischen Marionettenregierung von Hitlers Gnaden, mit einer Radioansprache.

„Sehr geehrte Mitbürger! Die ausländische Berichterstattung vermeldet und beschreibt in letzter Zeit einen Widerstand der tschechischen Nation in Böhmen und Mähren, die sich angeblich in einigen Aktionen in Prag, Brünn, Tábor und anderen Städten geäußert habe. Die Regierung konstatiert, dass diese Nachrichten nicht die Wahrheit darstellen. Alle Bürger wissen das. Die tschechische Nation hält tadellos Ruhe und Ordnung, und niemand lässt sich zu unüberlegten Taten provozieren.“

Die Worte von Innenminister Josef Ježek waren eine blanke Lüge. Es hat sehr wohl einen Widerstand gegen die Nazibesatzer gegeben. Dieser Widerstand äußerte sich bis 1941 vor allem in Sabotageakten, wie der Zerstörung von deutschen Armeefahrzeugen oder Eisenbahntrassen, um Militärtransporte der Wehrmacht zu behindern. Das wusste auch Ježek. Die Aufrufe aus dem Ausland zur Ruhestörung würden unbemerkt bleiben, behauptete er trotzdem. Und die tschechische Öffentlichkeit würde diese Aufrufe ablehnen.

Wie die tschechische Öffentlichkeit etwas ablehnen kann, was sie nicht bemerkt hat, erklärt Innenminister Ježek zwar nicht. Tatsache aber ist, dass aus dem Land selbst kaum Impulse zu einem aktiven Widerstand gegen die Nazibesatzer ausgingen. Zwar gründeten ehemalige Offiziere der tschechoslowakischen Armee bereits unmittelbar nach der Besetzung des Landes im März 1939 die Widerstandsbewegung „Obrana národa“ (Nationale Gegenwehr). Doch einen Partisanenkampf wie etwa in Weißrussland, der Ukraine oder Jugoslawien hat es in Böhmen und Mähren bis zum Kriegsende so gut wie nicht gegeben. Allerdings sind die genannten Länder auch erst während des Krieges von Nazi-Deutschland besetzt worden.

„Mitbürger! Die Regierung fordert Euch auf, weiter ruhig Eurer Arbeit nachzugehen. Schenkt Nachrichten keine Aufmerksamkeit, die von Mund zu Mund verbreitet werden. Seid versichert, dass alle Regierungsmitglieder nur das Wohl der tschechischen Volksgemeinschaft im Sinn haben und sich um die öffentlichen Angelegenheiten in der einzig möglichen Form kümmern, um der tschechischen Nation Nutzen zu bringen.“

Ježeks Ansprache im September 1939 dokumentiert das Bemühen der Kollaborationsregierung im Protektorat unter Emil Hácha, das tschechische Volk mit Stillhalteparolen ruhig zu stellen. Davon versprach man sich, die negativen Auswirkungen der Besatzung für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.

„Denkt daran, dass die Folgen nicht nur die Urheber dieser Taten treffen werden, sondern auch einen wesentlich breiteren Kreis von Personen“, warnte Ježek seine Landsleute. Dass seine Prognose nicht unbegründet war, mussten die Tschechen im Juni 1942 auf grausame Weise feststellen. Die Nazis reagierten damals auf die Ermordung von Reichsprotektor Reinhard Heydrich wenige Tage zuvor, mit der willkürlichen Auslöschung der Ortschaften Lidice und Ležáky. Das tödliche Attentat auf Heydrich war von tschechoslowakischen Fallschirmjägern mit Unterstützung der britischen Armee durchgeführt worden. Davon konnte Innenminister Josef Ježek im September 1939 noch nichts ahnen, als er die Tschechen aufforderte:

„Bleibt auch in Zukunft besonnen und verlasst Euch auf Eure Regierung!“

Dieser Regierung gehörte Ježek bis Januar 1942 an. Nach dem Krieg wurde er als Kollaborateur zu einer Haftstrafe verurteilt. 1960 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Bald darauf verliert sich seine Spur.