„1989 bis 2009. Gesellschaft. Geschichte. Politik“ – Konferenz in Liblice
Auf Schloss Liblice nördlich von Prag diskutieren bis Freitag noch Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen über den Sturz des Kommunismus vor 20 Jahren. Die Konferenz hat den Titel „1989 bis 2009. Gesellschaft. Geschichte. Politik“. Veranstaltet wird sie vom Institut für Zeitgeschichte der tschechischen Akademie der Wissenschaften, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Goethe-Institut in Prag. Till Janzer ist auf Schloss Liblice. Patrick Gschwend hat mit ihm das folgende Gespräch geführt.
Till, zum politischen Umbruch in Ost- und Mitteleuropa finden dieses Jahr viele Veranstaltungen statt. Ist diese Konferenz nur eine von vielen? Und wer diskutiert hier worüber?
„Natürlich ist es eine von vielen. Die Veranstaltungen haben spätestens im Frühjahr begonnen, als sich Ungarns Öffnung der Grenzen zum 20. Mal gejährt hat. In einem unterscheidet sie sich aber von der Masse. Der Blick liegt diesmal nicht auf der Vorgeschichte und dem Weg zur Revolution. Vielmehr reden hier in Liblice Fachleute aus den Bereichen Geschichte, Soziologie, Politologie, Wirtschaftswissenschaft und Jura über die Revolution als Beginn einer neuen Ära der Demokratie in diesem Teil Europas. Die Wissenschaftler kommen im Übrigen aus mehreren Ländern: neben Tschechien auch aus der Slowakei natürlich, aus Deutschland, Ungarn, Großbritannien und Frankreich.“
Die Konferenz dauert noch bis Freitagabend. Am Mittwoch wurde sie mit einer Diskussionsrunde von ehemaligen Dissidenten aus der Tschechoslowakei eröffnet? Worum ging es dabei?
Es ging vor allem um die Frage nach den Erwartungen an die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei und wie weit diese erfüllt wurden. Die beiden ehemaligen Oppositionellen Petr Pithart und Jirina Siklova – er ist heute Politiker und sie Soziologin – haben gesagt, dass sie schon im November 1989 davor gewarnt haben, dass die Revolution nicht unbedingt eine Katharsis – also einen Reinigungsprozess – bringen muss. Pithart sprach aber auch die eigene politische Naivität der Oppositionellen während der Revolution und kurz danach an. Zum Beispiel habe man völlig unnötig in der Tschechoslowakei die erste Legislaturperiode nach den Wahlen 1990 auf zwei Jahre begrenzt. Man habe sich so wichtiger Zeit beraubt, um die Weichen für den Umbau des Staates stellen wollen. Pithart sagte, dies sei ein großer Fehler gewesen.“An der gestrigen Diskussion soll auch der aus Tschechien stammende französische Politologe Jacques Rupnik teilgenommen haben, geht aus dem Tagungsprogramm hervor. Was hat er zur Diskussion beigesteuert?
Jacques Rupnik ist tatsächlich auch gekommen. Er hat die Rolle desjenigen gespielt, der die Ereignisse aus einer gewissen Distanz betrachten kann, weil er an der Samtenen Revolution nicht unmittelbar beteiligt war. Rupnik nannte das politische System, das in Ost- und Mitteleuropa ab 1989 entstanden ist, eine Imitation, wenn auch eine sehr erfolgreiche Imitation des westlichen Systems. Doch recht schnell habe sich dann die Demokratie erschöpft und mittlerweile ist zudem die Marktwirtschaft in eine Krise geraten. Das sorgt laut Rupnik heute für eine Art Katerstimmung.“
Nur ganz kurz noch: Was erwartet die Teilnehmer der Konferenz noch alles bis Freitagabend?
„Seit Donnerstagmorgen wird in thematischen Blöcken diskutiert. Dabei geht es vom politisch-gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel bis zu Detailfragen wie zum Beispiel der Choreografie der Massen vor und nach 89.“