Vor 30 Jahren öffnete sich das Tor zum Westen
Am 4. Dezember 1989 fiel in der Tschechoslowakei eine der letzten Restriktionen für Reisen in den Westen. Die Regierung in Prag schaffte vor 30 Jahren die sogenannten Sondergenehmigungen ab, die man für die Nutzung seines Passes gebraucht hatte.
So freute sich einer der Autofahrer am 4. Dezember 1989 am tschechoslowakisch-österreichischen Grenzübergang Bratislava / Berg. Diejenigen, die das Nachbarland besuchen wollten, brauchten nach 40 Jahren keine Sondergenehmigung mehr. Dass das Interesse an Österreich groß war, bestätigte damals auch Zollinspektor Marián Novák gegenüber den Medien.
„Im Laufe des heutigen Tags haben wir 1600 tschechoslowakische Staatsbürger, 800 Pkw mit tschechoslowakischem Kennzeichen und zehn Reisebusse abgefertigt.“
O
hne die Sondergenehmigung konnte bis 4. Dezember 1989 kein tschechoslowakischer Staatsbürger in den Westen reisen. Um einen Antrag für eine Sondergenehmigung stellen zu dürfen, musste der Antragsteller zuvor eine endlose Reihe von Stempeln von verschiedenen Stellen zusammentragen, darunter vom Arbeitgeber sowie den Kommunisten, Gewerkschaftern beziehungsweise den Mitgliedern des Sozialistischen Jugendverbands, die es in jedem Betrieb gab. Noch davor musste der Reiselustige jedoch einen Antrag bei der Staatsbank stellen, nur so durfte er auch die vom Staat für jeden Reisetag vorgeschriebene Summe westlicher Währung kaufen. Auch zu diesem Antrag mussten sich alle möglichen Stellen äußern – von den Chefs in der Arbeit über die Kommunisten bis zu Personalabteilung des zuständigen Betriebs.Die Einholung aller geforderten Zustimmungen dauerte mehrere Monate lang. Dabei sei es weiterhin unsicher gewesen, ob der Staat die Reise erlaubt, sagt der Zeithistoriker Pavel Mücke von der tschechischen Akademie der Wissenschaften.
„Das kommunistische Regime nutzte diese Genehmigungen als repressives Mittel gegen seine wirklichen oder vermeintlichen Gegner.“
Ohne die begehrte Sondergenehmigung, die vom kommunistischen Geheimdienst ausgestellt wurde, durften die Tschechoslowaken zuvor nur in einige der Ostblockländer wie die DDR, Ungarn, Rumänien und Bulgarien reisen. Auch für eine Fahrt nach Jugoslawien war eine Sondergenehmigung erforderlich. Die Erlaubnis ermöglichte in der Regel eine Reise für höchstens 20 Tage, im Reisepass wurde zudem notiert, für welchen Staat die Genehmigung gilt sowie der Zweck der Reise. Eingeführt wurde die Sondergenehmigung schon 1948, nachdem die Kommunisten in der Tschechoslowakei die Macht ergriffen hatten. Das System wurde aber nach der Besetzung des Landes durch die Warschauer-Pakt-Staaten im Jahr 1968 verschärft angewendet, erläutert Historiker Mücke:„Das Regime begann zu befürchten, dass Bürger der sozialistischen Tschechoslowakei mit Reisepass theoretisch im Ausland bleiben könnten. Denn nach 1968 schwoll die Welle von Exilanten stark an.“
Bereits im September 1989 wurde der Antrag für die Sondergenehmigungen etwas vereinfacht. Aber erst die Samtene Revolution beseitigte diese Hürde vollständig.