Tschechisch-österreichische Historikerkommission soll Vergangenheit aufarbeiten
Am Mittwoch trafen sich die Außenminister Jan Kohout und Michael Spindelegger im niederösterreichisch-tschechischen Grenzort Mikulov / Nikolsburg. Neben einer neuerlichen gegenseitigen Versicherung, man wolle die Autobahn Brünn – Wien so schnell wie möglich fertig bauen, unterzeichneten die beiden Politiker auch ein Abkommen zur Einsetzung einer bilateralen Historiker-Kommission.
Worüber genau sich die Kommission den Kopf zerbrechen wird, ist bisher ebenso wenig klar wie ihre Zusammensetzung. Klar ist, nicht alles ist eitel Wonne im Verhältnis zwischen den beiden Ländern, deren Bevölkerung gut 400 Jahre lang unter dem gemeinsamen Dach der österreichisch-ungarischen Monarchie gelebt hat. Neben dem Dauerstreit über das südböhmische Atomkraftwerk Temelín belasten auch die so genannten Beneš-Dekrete immer noch die nachbarschaftlichen Beziehungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aufgrund dieser Dekrete die deutschsprachige Bevölkerung enteignet und aus der Tschechoslowakei vertrieben. Auch mit diesem heiklen Punkt werde sich die Kommission befassen, versicherten die beiden Minister Spindelegger und Kohout am Mittwoch in Südmähren. Der Historiker Jan Rychlík vom Institut für Tschechische Geschichte der Prager Karlsuniversität meint, dabei warte ein hartes Stück Arbeit auf die Wissenschafter:
„Bei uns heißt es, die Dekrete gelten weiterhin; das Verfassungsgericht hat ja festgestellt, dass sie im Einklang mit der Verfassung stehen. Die österreichischen Historiker bezweifeln genau das.“Er wolle dem Ergebnis der Kommission zwar nicht vorgreifen, aber ganz persönlich meine er, die Beneš-Dekrete seien schon längst totes Recht, so Professor Rychlík im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk:
„Die Dekrete sind heute nicht mehr anwendbar. Nichts hindert daher die Verantwortlichen daran, sie aufzuheben.“
Aber, so Rychlík, ihm sei klar, dass er damit in Tschechien eine Minderheiten-Meinung vertrete.