Pilsen 1938 – eine Stadt zwischen zwei Weltkriegen

Wir gehen zurück ins Jahr 1938. Die weltpolitische Lage war bereits äußerst angespannt. Der Zweite Weltkrieg lag schon in der Luft, zumindest für den, der die Nase aufmerksam in den Wind aus Deutschland hielt. In der Stadt Pilsen jedoch blickte man noch zurück. Und zwar auf die Spuren, die der Erste Weltkrieg in dieser Stadt hinterlassen hatte sowie darauf, was die Stadt Pilsen in den nachfolgenden 20 Jahren für den Wiederaufbau und den Fortschritt geleistet hat. Der damalige Bürgermeister Luděk Pik sprach darüber auf einer Aufnahme, die Christian Rühmkorf in unserem Tonarchiv gefunden hat.

„Das Pilsen der Nachkriegszeit hatte schwere Aufgaben und Probleme zu bewältigen. Und hinzu kam eine Reihe neuer Aufgaben, die mit der Entstehung des neuen Staates zusammenhingen.“

Der Pilsner Bürgermeister Luděk Pik blickte in seiner Rundfunkansprache vom 16. Juni 1938 zurück auf einen schweren Neuanfang der Stadt nach dem Ersten Weltkrieg. Die Tschechoslowakei hatte soeben erst als neuer Staat auf der Europakarte ihren Platz gefunden. Die Škoda-Werke mit ihrer Schwer- und Rüstungsindustrie waren vor und während des Ersten Weltkrieges eine der größten Waffenschmieden der Habsburgermonarchie. Ein Grund dafür, weshalb Pilsen im Ersten Weltkrieg starken Angriffen der Alliierten ausgesetzt war und entsprechend daniederlag. Auch ein Explosionsunglück in einer Munitionsfabrik hatte 1917 rund 300 Menschen das Leben gekostet. Nach dem Weltkrieg galt es also die Ärmel hochzukrempeln und nicht nur die Schäden zu beseitigen, sondern die Stadt auch zu modernisieren. Denn trotz wirtschaftlicher Blüte vor dem Krieg, waren die sozialen und hygienischen Verhältnisse vor allem für die Arbeiterschaft schlecht.

„Die schrittweise Beseitigung dahinvegetierender Stadtteile, in denen nun neue, moderne Bauten entstehen, die Entstehung neuer Parkanlagen in früheren Steinbrüchen und die Instandsetzung der ganzen Stadt, sind Zeugen des großen Fortschritts in Pilsen, das nach dem Krieg in einem jämmerlichen Zustand war.“

Bürgermeister Pik wusste, wovon er sprach. Er war Pilsner mit Leib und Seele. Ein Großteil des Modernisierungsaufschwungs ging auf sein Konto. Unmittelbar nach dem Krieg wurde der Sozialdemokrat Bürgermeister. Bereits vor und während des Krieges war er Abgeordneter im Wiener Reichsrat. Als solcher setzte er eine Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit dem Auslandswiderstand durch, der vom späteren ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, T.G. Masaryk, angeführt wurde.

Piks Aufbau- und Modernisierungsbilanz 20 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg fällt daher aus wie eine Aneinanderreihung von Superlativen. Wiederaufbau des Schulwesens, des Gesundheitswesens, der Infrastruktur im gesamten Kreis, der Stadtwerke usw.

„Wer Pilsen nach dem Krieg noch nicht gesehen hat, der findet nach diesen 20 Jahren eine vollständig veränderte und verschönerte Stadt vor. Und man wird uns nicht übel nehmen, dass wir diese Stadt gern haben und uns ihrer rühmen.“

Vielleicht schwante aber Luděk Pik schon im Jahre 1938, dass es nur noch eine Frage kurzer Zeit war, bis Pilsen abermals unter fremder, diesmal deutscher Herrschaft, schweren Zeiten entgegen ging.