Fußball-Club TJ Praga Prag feiert sein 100-jähriges Bestehen

Foto: www.tjpragapraha.com

Unter den Prager Fußballvereinen gibt es noch nicht allzu viele, die bereits auf eine 100-jährige oder längere Geschichte zurückblicken können. Seit diesem Jahr aber ist zumindest ein Club zu diesem Kreis hinzugekommen: Praga Prag. Der Verein wurde im Jahr 1909 unter dem Namen SK Vysočany gegründet und spielt bis heute in seinem altehrwürdigen Stadion im gleichnamigen Prager Stadtteil.

Voller Leidenschaft feuern sie auch heute noch ihr Team an – die Kicker der zweiten Schülermannschaft von Praga Prag. Der Fußballclub, der vor 100 Jahren das Licht der Welt erblickte, hat heute eine Männerelf, ein Jugendteam, zwei Schülermannschaften und sozusagen eine „Krabbelgruppe“ für die jüngsten Kinder, die auf dem Rasenplatz in Prag-Vysočany mit dem Fußball-ABC vertraut gemacht werden. Im Männerbereich spielt der Verein zwar in den Niederungen der Prager Stadtliga, doch auch in den ersten Jahren nach seiner Gründung war er nicht gerade auf Rosen gebettet, weiß mir Clubchef Milan Fryš zu berichten:

„Der Verein wurde im Jahr 1909 gegründet. Also noch zu Zeiten der Österreich-Ungarischen Monarchie. Damals spielte die Mannschaft zwei Jahre in der zweithöchsten Liga Böhmens. Dann folgte jedoch der Erste Weltkrieg, durch den es zu einer Unterbrechung kam. In den 1920er Jahren nahm die Mannschaft dann bereits dauerhaft an den Wettbewerben der neu entstandenen Tschechoslowakei teil, allerdings zum größten Teil in einer unterklassigen Liga. Erst zum Ende der 1930er Jahre konnte der TJ Praga dann an Leistungsstärke zulegen und schaffte im Jahr 1939 den Sprung in die Division. Das war seinerzeit die zweithöchste Spielklasse in Böhmen und Mähren.“

Die Erste Tschechoslowakische Republik war da bereits Geschichte, denn nach dem Einmarsch der Deutschen im März 1939 spielte auch der Club aus Vysočany fortan im Protektorat Böhmen und Mähren. Und zwar fünf Jahre in der bereits erwähnten Division, ehe die hart umkämpfte Endphase des Zweiten Weltkriegs erneut für eine Pause sorgte.

Im tschechischen Fußball in der Nachkriegszeit stand die sportliche Auseinandersetzung nicht unbedingt an erster Stelle. Es musste aufgebaut und das Alltagsleben neu organisiert werden, so dass der Fußball in dieser harten Zeit vor allem ein wichtiges Bindeglied für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen war. Mit dieser Zeit verknüpft auch der einstige Torwart der Mannschaft, der heute 83-jährige Václav Chalupský, sehr schöne Erinnerungen:

„Meine schönsten Momente im Fußball habe ich der Nachkriegszeit erlebt. Wir hatten damals nichts, also haben wir uns oft auf dem Sportplatz getroffen und Karten gespielt. Einige haben um Geld gespielt, meine Kameraden und ich aber spielten um bunte Murmeln. Das Wichtigste aber war, dass wir eine große Gemeinschaft waren.“

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Für den Fußball selbst war die Nachkriegszeit allerdings keine sehr einfache Phase. Die ständige Reorganisierung der Wettbewerbe sorgte wiederholt für Unruhe, von der auch der Verein aus Vysočany nicht verschont blieb. Erst im Jahr 1968 gelang es den Fußballern aus dem Prager Norden in die höchste Spielklasse der Hauptstadt aufzusteigen. In der ersten Stadtliga spielte TJ Praga dann bis Anfang der 90er Jahre, also bis kurz nach der politischen Wende. Die mit der Wende verknüpften Umwälzungen aber brachten den Club erneut in Schwierigkeiten, erläutert Fryš:

„In der ersten Stadtliga spielte unser Club bis zum Jahr 1992. NacFoto: www.tjpragapraha.comh der Samtenen Revolution aber hatten sich die ökonomischen Verhältnisse im ganzen Land grundlegend verändert. Das bekam auch der Fußball in Vysočany zu spüren. Leider mit negativen Folgen, denn danach ging es erst einmal bergab.“

Deshalb erinnert sich Milan Fryš auch viel lieber an einige der Kicker, die sich bei TJ Praga ihre ersten Sporen verdient haben, um sich später dann als Spieler, Trainer oder Schiedsrichter einen Namen zu machen. Zur letztgenannten Gilde gehört Ivan Grégr, der es als Pfeifenmann bis zum Fifa- und Uefa-Referee gebracht hat. Grégr, der heute 67 ist, hat 14 Jahre lang Begegnungen in der höchsten tschechischen Liga gepfiffen. In diese Periode fallen auch die zehn Jahre, in denen er sich auch auf der internationalen Bühne präsentierte. Zu seinen Highlights als Schiedsrichter zählt er die Leitung der Länderspiele Irland – Niederlande und Schottland – Frankreich. Aber auch die Zeit als junger Spieler beim TJ Praga möchte er nicht missen:

„Ich habe hier ein paar sehr schöne Jahre meines jungen Lebens verbracht. Hier in Vysočany spielten auch mein Bruder und mein Vater, der den Club sogar einige Zeit geleitet hat. Finanziell war der Verein sicher nie reich gesegnet, dafür war der Zusammenhalt in der Truppe umso größer. Zudem hat der TJ Praga mehrere sehr gute Fußballer hervorgebracht. Der bekannteste unter ihnen ist zweifellos Petr Gabriel, der es bis in die Nationalmannschaft geschafft hat und für Kaiserslautern und Bielefeld auch einige Jahre in der deutschen Bundesliga gespielt hat. Andere Praga-Akteure haben es zwar nicht so weit gebracht, aber viele von ihnen haben eine gute Rolle im tschechischen Fußball gespielt.“

Der Club, der heute unter dem Namen Praga Prag geführt wird, besinnt sich nun wieder auf seine Vorzüge. Er möchte erneut eine Art Talentschmiede sein für die beiden großen Traditionsclubs der Moldaustadt, den AC Sparta Prag und den SK Slavia Prag. Dazu habe man gerade in den zurückliegenden vier, fünf Jahren ein Nachwuchskonzept entwickelt, das Milan Fryš so beschreibt:

„Wir wollen unser Nachwuchssystem so aufbauen, dass wir in allen Altersklassen – von den jüngsten Kinderjahrgängen bis zur Juniorenmannschaft – mit mindestens einem Team präsent sind. Dann haben die besten Jungs zu jeder Phase ihrer Entwicklung die Möglichkeit, in einen besseren Verein zu wechseln.“

Gerade in punkto Nachwuchsarbeit habe der tschechische Fußball in den zurückliegenden Jahren die Entwicklung verschlafen und merklich nachgelassen. Das sei aber nicht verwunderlich, sondern ein typisches Spiegelbild für die Arbeit der vor ein paar Tagen abgewählten alten Verbandsführung, sagt Fryš:

„Ich persönlich sehe das so, dass sowohl der Prager Fußballverband als auch der zentrale Böhmisch-Mährische Fußballverband viel zu wenig für die Nachwuchsarbeit tun. Die kleinen Vereine erhalten vielleicht einmal im Jahr 10 bis 15 Fußbälle, und das war dann auch schon die ganze Förderung von Seiten der Verbände – das sagt doch alles. Die ganze Arbeit nur den Funktionären in den Clubs und den Eltern der jungen Spieler zu überlassen, das ist meiner Meinung nach nicht gut.“

Von der neuen Verbandsführung, die am vergangenen Samstag in Prag gewählt wurde, erhofft sich Fryš daher einen kräftigen Schub in der Nachwuchsförderung. Einen Schub, der auch seine Arbeit wieder neu beflügeln könnte. Andererseits gibt es noch eine Tatsache, die ihn mit Stolz erfüllt – das schmucke Stadion von Praga Prag. Es ist nämlich quasi eine historische Institution in der Hauptstadt:

„Der ursprüngliche Platz lag am Bahnhof von Vysočany. Im Jahre 1913 wurde ein einstweiliger Mietvertrag über das Grundstück mit dem Bauern abgeschlossen, dem der Boden gehörte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Vertrag um weitere sechs Jahre verlängert. Aus diesen sechs Jahren sind letztlich aber 90 Jahre geworden, so dass hier ohne Unterbrechung Fußball gespielt wurde. Die meisten Jahre auf einem Ascheplatz, doch seit dem Jahr 2004 haben wir eine hervorragende Rasenfläche. Nach den Eintragungen im Archiv des Prager Fußballverbandes ist unser Stadion nach der Spielstätte von Sparta Prag der zweitälteste Platz, auf dem in Prag ununterbrochen Fußball gespielt wird.“

Autor: Lothar Martin
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