Franz Werfel kommentiert den Überfall der Nazis auf Norwegen im Jahre 1940
In der Rubrik „Aus dem Tonarchiv“ stellen wir Ihnen normalerweise historische Aufnahmen des Tschechoslowakischen Rundfunks vor. Heute machen wir jedoch eine Ausnahme – und zwar wegen Franz Werfel. Der bekannte deutschböhmische Schriftsteller wurde 1890 in Prag geboren. Seine Eltern waren Juden. 1940 überfielen die Nazis Norwegen. Werfel, der selbst auf der Flucht war, reagierte darauf unmittelbar öffentlich im Rundfunk. In seiner Heimat, der Tschechoslowakei hätte er dies nicht mehr gekonnt, sie war bereits von Hitler besetzt.
Auch Franz Werfel stand bei den Nationalsozialisten auf der „Schwarzen Liste“. Seine Werke verbrannte man. 1938 wurd es für in in seiner Wahlheimat Wien zu gefährlich, deshalb flüchtete Werfel mit seiner Familie und befreundeten Schriftstellern, unter ihnen Golo und Heinrich Mann, quer durch Westeuropa nach Spanien, um von dort aus nach Amerika zu emigrieren. Im französischen Sanary-sur-mer erfährt er 1940 vom Einmarsch der Nazis in Norwegen:
„Länder der Berge sind Länder der Freiheit. Dort, wo die Menschen in weit auseinanderliegenden Gehöften wohnen, in weltverlorenen Tälern, dort gedeihen die unabhängig aufrechten Charaktere, die unbeugsamen Naturen, zahlreicher als in den Niederungen der dicht bewohnten Länder.“
Vielleicht dachte Franz Werfel, als er diese Worte wählte, nicht nur an Norwegen, sondern auch an die Tschechoslowakei, sein Geburtsland. Nachdem Deutschland durch das Münchener Abkommen bereits Teile des Sudetenlandes erhalten hatte, annektiere es im März 1939 die gesamte Tschechoslowakei. Auch ein Land der Berge. Und doch nicht das, um welches es Werfel hier geht:
„Norwegen ist ein Land der Berge. Norwegen war und ist ein Land der Freiheit. In Norwegen sind die aufrechten und unbeugsamen Charaktere zu Hause. Dieses Land der Freiheit hat heute seine Freiheit verloren. Es wurde zum Opfer eines unerwarteten Blitzüberfalls.“Mit dem Überfall auf Dänemark und Norwegen griffen die Nazis neutrale Staaten an. Man wollte Großbritannien zuvorkommen, was die Erzzufuhr aus Skandinavien und die Kontrolle über die Ostsee angeht. Dänemark kapitulierte nach wenigen Stunden und fügte sich den deutschen Forderungen unter Protest. Anders jedoch verlief die Eroberung Norwegens, wo die entgültige Kapitulation erst zwei Monate nach Beginn der Invasion unterzeichnet wurde.
„Das überfallene Volk wehrte sich heldenhaft. Sein gesetzmäßiger König trat an die Spitze des Widerstandes. Zu groß aber war die Überzahl und Übermacht des Usurpators, zu teuflisch seine List. Zu dicht gesponnen das Netz des Verrates, das er über das Land geworfen hatte.“
Franz Werfel überlebte die Nazigräuel. Er starb allerdings unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den Vereinigten Staaten. 1975 errichtete man ihm ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.