Deutsche Studenten werden Tschechien-Experten – Neuer Studiengang in Regensburg und Prag

Nicht viele deutsche Studenten lernen Tschechisch. Eine der ersten Adressen für die, die es dennoch vorhaben, ist die Universität Regensburg. Doch das dortige Institut für Slawistik bietet nicht nur Sprachkurse an. Wichtig ist den Verantwortlichen auch eine umfassende Ausbildung in vielen Fachbereichen – mit dem Fokus auf tschechisch-deutsche Beziehungen. Dazu hat man nun einen neuen Studiengang eingerichtet.

Wenn man mit der Metro in den Prager Südwesten fährt, erwarten einen riesige Einkaufszentren mit Shopping Malls, Möbelhäusern und Baumärkten, außerdem die berüchtigten Trabantenstädte, die angesichts der Wohnungsnot in den 70er Jahren an den Stadträndern Prags errichtet wurden – Plattenbauten soweit das Auge reicht. Doch nicht nur zum Shoppen oder zum Wohnen fahren die Leute hier hinaus. An der Station Jinonice trifft man immer auch viele Studenten. Denn in Jinonice gibt es eine Außenstelle der Prager Karlsuniversität. Seit Oktober kann man dort auch 11 Studentinnen und Studenten aus Regensburg treffen, die im Rahmen ihres Studiums ein Jahr in Prag verbringen. Eva ist eine der Regensburger Studentinnen. Unter der Karlsuniversität hat sie sich zwar eher altehrwürdige Bauten im Stadtzentrum Prags vorgestellt. Enttäuscht ist sie aber von der Verfrachtung an den Stadtrand nicht.

„Mir war schon klar, dass wir ziemlich viel in der Stadt herumfahren müssen. Die Fakultät hier in Jinonice gefällt mir aber ganz gut. Es ist alles ziemlich neu und modern hier. Ich habe also kein Problem damit.“

Für Eva haben also zunächst mal die Lernbedingungen Priorität, denn schließlich ist sie nicht nur zum Vergnügen in Prag. Sie absolviert nämlich kein normales Auslandssemester. Ihr Jahr in Prag ist fester Bestandteil ihres Studiengangs an der Universität Regensburg, der in Deutschland einzigartig ist. Eva will nämlich einen Bachelor-Abschluss in Deutsch-Tschechischen Studien machen. Was man sich unter einem Studiengang mit diesem Namen vorstellen muss, kann sie selbst erklären.

„Der Studiengang Deutsch-Tschechische Studien ist eine Kooperation zwischen den Universitäten Regensburg und Prag. Das erste Jahr findet in Regensburg statt, das zweite in Prag. Im dritten Jahr, dem Hauptstudium studieren wir dann wieder in Regensburg. Abgedeckt werden die Bereiche Kultur, Literatur, Sprachwissenschaft, Soziologie, Wirtschaft und so weiter.“

Ein weites Feld also. Und genau das soll der Sinn der Deutsch-Tschechischen Studien sein. Patricia Schönborn betreut die Studenten an der Universität Regensburg und arbeitet dort als Koordinatorin des Studiengangs.

„Das ist ein interdisziplinärer Studiengang mit binationaler Ausrichtung, das heißt die Studierenden studieren sowohl in Regensburg als auch in Prag. Sie bekommen dabei Einblick in verschiedene Fachbereiche. Und da gibt es eine relativ breite Auswahl von Fächern innerhalb derer man einen Schwerpunkt setzen kann.“

Marek Nekula ist Professor in Regensburg und hat den Studiengang initiiert. Er betont die Notwendigkeit, dass die Studenten einen Schwerpunkt setzen, und erklärt, welche Möglichkeiten die Absolventen nach der Erlangung des Bachelor-Abschlusses haben.

„Man muss selbstverständlich einen klaren Schwerpunkt setzen. Das bedeutet zum Beispiel, dass, wenn man diesen Schwerpunkt in der Politikwissenschaft legt, dass man dann im Anschluss Master-Studiengänge mit politikwissenschaftlicher Ausrichtung studieren kann. Angenommen man setzt den Schwerpunkt im kulturwissenschaftlichen Bereich, kann man danach zum Beispiel Vergleichende Kulturwissenschaft studieren. In Regensburg gibt es auch einen Studiengang mit dem Namen Internationale Volkswirtschaftslehre. Wenn die Studenten ihren Schwerpunkt im wirtschaftlichen Bereich setzen, können Sie also danach durchaus auch in diesem Studiengang ihren Master-Abschluss machen.“

Der Studiengang Deutsch-Tschechische Studien richtet sich also an eine Vielzahl von Interessenten, denen aber vor allen Dingen eines gemeinsam ist: das Interesse an Tschechien. Aber woher kommt das Interesse? Teresa, auch eine Studentin aus Regensburg, die im Oktober ihr zweites Studienjahr in Prag begonnen hat, hat gute Gründe. Und damit ist sie nicht allein:

„Bei mir gibt es, wie bei einigen anderen auch, familiäre Hintergründe. Ich habe tschechische Wurzeln. Wir sind hier elf Studierende, und etwa bei der Hälfte gibt es solche tschechischen Wurzeln in der Familie. Unter uns gibt es aber durchaus auch welche, die ganz neu mit den Deutsch-Tschechischen Studien begonnen haben, weil sie sich einfach für Tschechien interessieren und deshalb diesen Studiengang gewählt haben.“

Eva zum Beispiel haben andere Gründe dazu bewegt, sich in Regensburg für die Deutsch-Tschechischen Studien einzuschreiben.

„An Tschechien hat mich vor allem die Sprache gereizt. Ich habe nun die Möglichkeit noch mal eine Fremdsprache zu lernen.“

Denn Vorkenntnisse in der tschechischen Sprache brauchen die deutschen Studenten nicht. Im Rahmen ihres Studiums bietet ihnen die Universität Regensburg aber natürlich Sprachkurse an. Auch sonstige Zulassungsvoraussetzungen brauchen die Studenten außer dem Abitur nicht. Jedenfalls noch nicht, wie Professor Marek Nekula sagt:

„Unsere Vision ist, dass die Zahl der Studierenden 15 in Regensburg und 15 in Prag nicht übersteigen sollte. Wenn sich die Nachfrage steigert, werden wir wahrscheinlich Zulassungsverfahren einführen müssen, aber im Moment ist das noch nicht der Fall.“

Von einer Vision spricht Marek Nekula vor allem deshalb, weil der gegenwärtige Jahrgang der Regensburger Studenten, die nun in Prag sind, der erste überhaupt ist, der mit den Deutsch-Tschechischen Studien begonnen hat. Das Projekt steckt also noch in den Kinderschuhen. Die Kooperation mit der Prager Karlsuniversität sieht zudem vor, dass auch tschechische Studenten in Prag die Deutsch-Tschechischen Studien studieren können. Hier hat gerade im Oktober der erste tschechische Jahrgang das Studium aufgenommen, der in zwei Jahren sein drittes Studienjahr in Regensburg absolvieren wird. In Prag studieren nun also die Studenten aus Deutschland und die aus Tschechien gemeinsam und können so im zwischenmenschlichen Bereich ihre neu erworbenen interkulturellen Kompetenzen direkt anwenden. Es gibt dabei jedoch einige Schwierigkeiten wie Teresa erzählt.

„Ich muss sagen, dass wir uns gar nicht so oft treffen, denn es gibt hier gibt ein riesiges Angebot an Vorlesungen und Seminaren, so dass wir uns zumindest an der Uni gar nicht so oft sehen. Denn jeder sucht sich aus dem großen Angebot das heraus, was ihn am meisten interessiert.“

Und ist Teresa zufrieden mit den Studienbedingungen in Prag? Gibt es Unterschiede zum Studium in Deutschland?

„Ich habe das Gefühl, dass es an der Uni ein bisschen chaotischer zugeht als bei uns in Deutschland. Man braucht viel Eigenengagement und muss sich selbst gut organisieren. Aber sonst ist es hier sehr schön!“

Die deutschen Studenten haben nun noch fast ein Jahr Zeit sich an die Gepflogenheiten an einer tschechischen Universität zu gewöhnen und Freizeit mit ihren tschechischen Kommilitonen zu verbringen. Zunächst aber stehen in wenigen Wochen die ersten Prüfungen auf dem Programm.