Tapetenwechsel für 100 Tage: Zwei tschechische Jugendliche zum Schulbesuch in Deutschland
Severina und Jakub sind 16 Jahre alt und besuchen normalerweise das Prager Gymnasium Na Pražačce. Im vergangenen Jahr aber waren sie für 100 Tage an einer Schule in Deutschland. Dafür haben sie das EU-Programm Erasmus+ genutzt. Beide waren im Rheingebiet – Severina im südbadischen Lörrach und Jakub im nordrhein-westfälischen Pulheim. Radio Prag International hat beide ins Studio eingeladen und sie nach ihren herausforderndsten und witzigsten Erlebnissen befragt.
Hallo Severina, hallo Jakub! Warum sprecht Ihr eigentlich so gut Deutsch?
Jakub: „Bei mir ist es so, dass ich als Kind immer den Traum hatte, in Deutschland zu leben oder zu arbeiten – und gar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich oder in der Schweiz. Aber in der Schweiz ist es mit dem Deutsch noch ein bisschen komplizierter. Meine Motivation und mein Ziel sind, ein paar Jahre in Deutschland oder in Österreich zu verbringen. Ich finde es außerdem ziemlich cool, wenn man eine Fremdsprache kann. Und von unserer Position in Tschechien aus halte ich Deutsch für so ziemlich die wichtigste Sprache. Sie ist auch gut für die Arbeit oder im Urlaub.“
Nun habt Ihr 100 Tage in Deutschland verbracht. Severina, Du hast in einer WG gewohnt…
„Ja, das war toll. Eine solche Möglichkeit gibt es in Tschechien gar nicht. Ich konnte sie nutzen, weil meine Oma früher in der Schule in Lörrach als Direktorin gearbeitet hat. Deswegen bekam ich auch den Platz dort sowie in der WG bei einer Freundin meiner Oma. Sie vermietet dieses schöne alte Haus, in dessen einer Hälfte sie selbst lebt. Ich wohnte mit fünf bis sechs Uni-Studenten zusammen, sie waren 20 bis 24 Jahre alt. Es war unglaublich, dass ich dort sein durfte. Die anderen waren keine Austauschschüler, sondern Leute aus Deutschland, und wir texten immer noch. Wir haben zum Beispiel viele Filmabende gemacht. Zudem hatten wir einen Putzplan, denn das Haus war ziemlich groß, und jeder hatte seine Aufgaben. Die Möglichkeit, mit 16 Jahren allein zu wohnen, ist etwas, das nicht jeder erleben kann oder darf.“
Wie war es für Euch in der neuen Schule in Deutschland?
Jakub: „Ich war an einem Gymnasium in Pulheim. Das Schulsystem in Nordrhein-Westfalen hat mir sehr gefallen. Es gibt Unterschiede, zumeist in der Struktur oder auch bei den Lehrern, wie sie unterrichten. Meine Klasse hat mir sehr toll gefallen, ich habe dort echt gute Freunde gefunden. Ganz grundsätzlich würde ich sagen, dass die Schule in Deutschland besser ist als in Tschechien. Einmal darum, weil ich nicht unter so großem Druck wegen der Klassenarbeiten stand. Aber ich finde auch, dass die Lehrer und Schüler besser drauf sind und eine größere Motivation zum Lernen haben. Das Schulfach, das mich am meisten interessiert hat, war Chinesisch. Eine Lehrerin kam aus China, also hat sie auch einen Kurs angeboten. Das war echt krass, und ich habe nicht wirklich viel gelernt. Aber die Erfahrung mit einer asiatischen Sprache ist echt interessant, und die macht auch nicht jeder.“
Würdet Ihr das Programm Erasmus+ und solch einen Auslandsaufenthalt weiterempfehlen?
Severina: „Ja, sicher. Man muss es natürlich wollen, das heißt die Sprache zu verbessern und neue Dinge zu lernen. Und man muss auf die Kultur des Landes aufpassen. Wir machen manchmal so blöde Witze über die deutsche Kultur, etwa dass da alle pünktlich sein müssen. Wenn man dann dort hinkommt, merkt man, dass es wirklich so ist. Da muss man aufpassen. Denn dann ist man nicht mehr in Tschechien, sondern eben in Deutschland, in Österreich, der Schweiz oder auch in England oder Amerika. Und da muss man die dortige Kultur einfach respektieren.“
Mit welcher weiteren Fremdsprache Severina an der Schule in Deutschland zu kämpfen hatte, ob Jakub wie seine Mitschüler auch Fan des FC Köln ist, und was junge Tschechen vom Kölner Karneval halten, das alles hören Sie in der ungekürzten Audioversion des Interviews.